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Farr war der Direktor des im Gestänge des Pluto ansässigen Instituts zur Erforschung des Dyoversums – ein Vollblutwissenschaftler durch und durch. Rebekka Klee hingegen bekleidete seit einigen Jahren das Amt der Administratorin des gesamten Gestänges ... ihr Weg in die Politik hatte über die Künstlerszene geführt, und sie war NATHANS kreative Beraterin gewesen, als dieser seine bislang einzige Oper komponiert hatte – Die Algorithmen der Identität. Eine Oper, die NATHAN übrigens Nene gewidmet hatte, womit sich der Kreis schloss.

      Rebekka hatte die GIACOMO PUCCINI ins Gestänge eingeladen; sie versuchte seit sage und schreibe zwei Jahren, einen Termin zu erhalten, um nicht nur die Algorithmen, sondern auch Rhodan im Wegasystem und das eine oder andere originale Werk von Giacomo Puccini im Gestänge aufführen zu lassen. Ein kultureller Höhepunkt, zweifelsohne.

      Dass Pino Farr widersprach und den Auftritt zu verhindern versuchte, lag nicht etwa an der Qualität der Künstler an Bord – die war über jeden Zweifel erhoben. Sondern am Termin.

      In zwei Tagen war der 29. Januar 2047 Neuer Galaktischer Zeitrechnung ... ein Tag, an dem entweder nichts geschehen oder sich die Galaktische Tastung zum dritten Mal seit der Ankunft der Terraner in dieser Hälfte des Dyoversums ereignen würde.

      Man wusste es nicht, wie man im Zusammenhang mit dem Phänomen, das irgendwelche klugen Leute vor 177 Jahren auf den Namen Galaktische Tastung getauft hatten, ohnehin kaum etwas wusste.

      Woher auch?

      Nene brauchte keine wissenschaftlichen Abhandlungen, um zu begreifen, dass der menschlichen Erkenntnisfähigkeit Grenzen gesetzt waren. Und wenn es ein Phänomen wie die Tastung tatsächlich gab, überstieg es das Begreifen.

      Warum sollte man sich also darum kümmern, zumal es aller Wahrscheinlichkeit nach keine Gefahr in sich trug?

      Weshalb deswegen einen Auftritt absagen, in dem die Kunst Herzen berührte und Sinne erhob?

      Aber zum Glück musste sie sich um derlei Hintergründe nicht kümmern. Das mussten andere ausfechten. Ihr Teil lag darin, zu singen. Oder eine Protestnote zu verkünden, sollte die Aufführung nicht zustande kommen. Was wiederum eine Solidaritätswelle ihrer Fans nach sich ziehen würde – schlechte Presse für das Institut, was Pino Farr wohl erst gar nicht riskieren würde. Schließlich war er kein Narr.

      »Was glaubst du, Engine-One?«, fragte Nene. »Wird die Tastung stattfinden?«

      »Als Künstler hoffe ich es«, sagte der Posbi. »Ein epochales Ereignis, das mich inspirieren würde. Der positronische Teil in mir vermag keine Aussage zu treffen. Es liegen zu wenige Daten vor. Die erste Tastung erlebten wir nach der Versetzung im Jahr 1693 NGZ – die zweite 177 Jahre später. Genauer gesagt, 177 Jahre, drei Tage, zwei Stunden, sechsundvierzig Minuten und zwölf Sekunden später. Es könnten zufällige Zeitpunkte gewesen sein. Sollte eine Periodizität vorliegen, wird die Tastung übermorgen wieder stattfinden. Willst du die genaue Uhrzeit wissen?«

      »Nicht nötig«, sagte Nene. »Die Aussage des Künstlers in dir genügt mir übrigens völlig. Ich sehe es ebenso. Und ich kann keinen Grund erkennen, warum wir nicht vorher unsere Opern aufführen sollten.«

      »Weil das Unruhe ins Gestänge und durch die höhere Besucherzahl auch ins Institut zur Erforschung des Dyoversums bringen würde«, sagte Engine-One. »So lautet jedenfalls die Argumentation von Pino Farr.«

      »Die mich nicht überzeugt.«

      »Den Künstler in mir ebenso wenig«, konstatierte der Posbi. »Die Kunst sollte leben! Feiern! Es gibt allen Grund dazu – wer hätte gedacht, dass Terraner und Topsider zusammenfinden und eine Allianz gründen könnten?«

      »Die Orion-Allianz«, sagte Nene nachdenklich. »Ein Erfolg, den wir wohl Perry Rhodan zu verdanken haben.«

      »Nicht nur ihm, wenngleich er maßgeblich beteiligt war«, präzisierte Engine-One. »Ohne große Vernunft aufseiten vieler Topsider, allen voran der Gelegemutter, wäre die Ochiu nicht möglich gewesen.«

      »Die Ochiu?«

      »So bezeichnen die Echsen die Orion-Allianz. Es bedeutet in ihrer Sprache Zuversicht, Hoffnung, Zukunftsvertrauen. Ein gutes Omen, wenn du meine Meinung wissen willst.«

      Diese sprachliche Spitzfindigkeit war Nene neu, denn sie interessierte sich nicht sonderlich für die Topsider. Mehr noch, sie fand die Echsen unheimlich. Umso erleichterter war sie über den Friedensschluss.

      »Ich gehöre übrigens zu den wenigen Individuen, die beide Tastungen erlebt haben«, sagte Engine-One, »und wohl auch die dritte erleben werden, sollte sie stattfinden. Daher erlaube ich mir das Urteil, dass die Tastung keine Gefahr birgt, aber erhebend ist. 1693 NGZ empfand ich den ersten kreativen Impuls, und beim zweiten entschloss ich mich zu singen.«

      »Woher kommt die Tastung?«, fragte Nene.

      »Niemand weiß es. Aber mir stellt sich eine ganz andere Frage.«

      »Wie lautet sie?«

      »Wer tastet nach uns? Und warum?«

      1.

      Yenren

      Die unsichtbare Wand

      Wähle dir einen Reisebegleiter und dann erst den Weg.

      Spruch der Yenranko

      Ich träume vom Tag der Einheit. Ist das verwerflich? Kein Sandkorn gleicht dem anderen, und so wie sie unzählbar sind, so sind unsere Gedanken frei, und es ist alles möglich. Was wir tun ...

      »Obyn! Jinirali, schläfst du?«

      »Ich schlafe nicht, Khyarat, ich meditiere.«

      »Für mich hörte sich das wie schlafen an.«

      »Ich lasse meine Augen ruhen, und meine Gedanken schweifen. Das ist nicht schlafen, wiederhole ich.«

      »O Lichthand, erhöre mich! Sie ist zur Philosophin geworden. Ich falle in Schande!«

      Obyn erkannte, dass ihr Hilfesteller keine Ruhe geben würde. Er war unendlich treu, doch unverbrüchlicher Traditionalist. Sie öffnete die Schlusslider, die kein Licht mehr durchließen, dann schloss sie die durchsichtige Wischhaut, die vor dem Sand schützte und die Augen feucht hielt, und richtete sich solchermaßen blinzelnd auf.

      »Den Sand kümmert deine Schande nicht, sie sickert in ihn ein und vergeht bedeutungslos«, erwiderte sie.

      »Aber warum sind wir überhaupt auf dem Sand und nicht darunter?«

      »Du hättest mich nicht begleiten müssen.«

      »Das ist keine Antwort auf meine Frage.«

      Obyn stemmte sich hoch. Es war nicht mehr so leicht wie früher, die Muskeln anzuspannen und die Knorpel in eine andere Richtung als der augenblicklichen Lage zu bewegen. Nichts war mehr so leicht, bis auf Khyarats Genörgel, das fiel ihm zunehmend leichter.

      »Du kennst die Antwort. Ich möchte die Oasen besuchen, bevor ich sterbe.«

      »Aber sterben, das tun wir doch nicht, Jinirali. Du bist höchstdekoriert, eine lebende Legende, die größte Kriegerin, die je gelebt hat!«

      »Und du der berühmteste Hilfesteller. Du könntest die Jugend unterhalten und sie lehren, was es bedeutet, diese schwere Aufgabe wahrzunehmen. Warum folgst du einer dummen alten Frau, die zur Philosophin degeneriert?«

      »Ich gebe die Hoffnung niemals auf, dass dich die Lichthand erleuchten möge.« Er winkte ihr. »Und jetzt komm, bevor ich das Essen wegwerfe, weil es deinetwegen verschmort.«

      *

      Obyn erhob sich für den kurzen Weg gar nicht erst, sie robbte auf den mit dicker Hornhaut besetzten Kniegelenken näher an das Feuer heran und musste zugeben, die Wärme tat gut. Yomira war untergegangen und spendete noch ein wenig Licht ohne Wärme, der Himmel verblasste zu Grauweiß und schattierte weiter bis zu Dunkelgrau. Ganz finster wurde es nie, immer herrschte am Horizont ein dünner Streifen

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