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wie langweiligen Stücks ließ er in dem Satz gipfeln: »Als ich um elf auf die Uhr sah, war es erst halb zehn.«

      Das andere Götz-Zitat

      Roda Roda verfaßte eine Geschichte über einen Portier namens Schleimgruber, der in der griechischen Gesandtschaft zu Wien beschäftigt gewesen war. Als dieser Vaterfreuden entgegensah, bat er den Gesandten, als Pate zu fungieren. Ausgerechnet am Tag der Taufe, noch ehe der Diplomat ein Geschenk hatte besorgen können, wurde er aus Wien abberufen. »A so a Pech«, ärgerte sich der Portier, »jetzt haßt der Bua fürs ganze Leben Archilochos, und i hab’ an Dreck davon.«

      Roda über den Unterschied zwischen Wienern und Berlinern: »Wann in Berlin a Künstler verhungert, kümmert sich ka Mensch um eahm. In Wien stengan Hunderte um eahm herum und sagen einmütig: es müsset eigentlich was für ihn g’schehn.«

      Als Roda Roda einmal vor Gericht stand, drohte er seinem Gegner »mit dem berühmten Zitat des Götz von Berlichingen . . .« Der Richter war empört und wollte ihn wegen Ehrenbeleidigung klagen. Doch Roda vollendete: » . . . das berühmte Zitat aus dem Götz von Berlichingen: ›Wo viel Licht ist, ist starker Schatten.‹ Ein Sachverständiger für Literatur wurde gerufen, der bestätigte, daß die zitierten Worte wirklich im Götz stehen.

      Alma Mahler-Werfel im Himmel

      Einige der Großen haben von sich behauptet, daß ohne ihre Muse – sei es Ehefrau oder Geliebte – manch bedeutendes Werk nicht entstanden wäre. Als »Weltmeisterin« unter den Musen kann man wohl Alma Mahler-Werfel bezeichnen, die mit Gustav Mahler, einem der größten Musiker, Franz Werfel, einem der größten Schriftsteller, und Walter Gropius, einem der größten Architekten des Jahrhunderts, verheiratet war. Zu ihren Liebhabern zählte darüber hinaus auch Oskar Kokoschka, einer der größten Maler des Jahrhunderts. Eines Tages traf sie mit Gerhart Hauptmann, einem weiteren der ganz Berühmten des Jahrhunderts, und dessen Frau zusammen. Zu später Stunde griff der betagte Dichter nach Almas Hand und seufzte: »Alma, wenigstens im Jenseits müssen wir ein Paar werden. Dafür melde ich mich jetzt schon an.«

      »Aber Gerhart«, unterbrach Frau Hauptmann, »ich bin überzeugt, daß Frau Alma auch im Himmel schon gebucht ist.«

      Alma Mahler-Werfel galt in all ihren Verbindungen als ziemlicher Haustyrann, der sich überall einzumischen pflegte. Als Franz Werfel einmal über seine politische Einstellung befragt wurde, rief er ins Nebenzimmer: »Alma, Liebling, komm bitte herüber, hier will jemand meine Meinung wissen!«

      Salami-Literatur

      Obwohl Karl Schönherrs Drama Erde heute zu den Klassikern naturalistischer Dichtkunst zählt, wollte es seinerzeit kein Theater aufführen. Schließlich hegte Schönherr den Verdacht, daß sein Werk von den Dramaturgen der Bühnen, denen er es zur Ansicht geschickt hatte, gar nicht gelesen würde. Und so packte er eines Tages eine Stange Salami in einen mit seinem Namen versehenen Karton und schickte sie an ein Theater. Etwas später wurde ihm das Päckchen ungeöffnet retourniert. Mit getrennter Post kam dann auch ein Brief: »Mit großem Interesse haben wir Ihr Stück gelesen, bedauern jedoch, Ihnen mitteilen zu müssen, daß es leider nicht in unseren Spielplan paßt.«

      Stefan Zweig unterhielt sich, als er gerade an seiner Marie Antoinette-Biografie schrieb, mit seinem Kollegen Carl Zuckmayer. Jemand wollte nach dem Treffen von Zuckmayer wissen, was Zweig denn so erzählt habe. »Nichts Besonderes«, antwortete »Zuck«, »nur den neuesten Tratsch aus der französischen Revolution.«

      Karl Mays letzter Auftritt in Wien

      Es ist kaum bekannt, daß Karl May, der Vater Winnetous und Old Shatterhands, an den Folgen einer Verkühlung starb, die er sich in Wien zugezogen hatte. Der 22. März 1912 war kalt und verregnet. Karl May hielt sich in Wien auf, um auf Einladung des Akademischen Verbandes für Literatur und Musik einen Vortrag mit dem eher besorgniserregenden Titel Empor ins Reich der Edelmenschen zu halten. Ort des Vortrags über die Helden seiner Bücher war der Sofiensaal in der Krugerstraße – nicht zu verwechseln mit den Sophiensälen im dritten Bezirk.

      Unter den Zuhörern im übervollen Auditorium befanden sich zwei so unterschiedliche Persönlichkeiten wie die Friedensnobelpreisträgerin Bertha von Suttner, die Karl May wegen seiner Schriften für den Weltfrieden schätzte. Und der arbeitslose Maler Adolf Hitler, dessen Lieblingsschriftsteller May war.

      Die ersten literarischen Erfolge hatte der Autor einem Aufenthalt im Gefängnis zu verdanken. Der als Sohn eines Webers geborene Karl May war als Kleinkind erblindet und konnte erst als Fünfjähriger sehen. Als junger Volksschullehrer beschuldigte man ihn, die Uhr eines Kollegen gestohlen zu haben. Als ihm deswegen die Lehrbefugnis entzogen wurde, geriet er tatsächlich auf die schiefe Bahn, man suchte ihn per Steckbrief als Pferdedieb, Betrüger und Hochstapler. Als er geschnappt wurde, mußte Karl May für acht Jahre ins Zuchthaus.

      Dort begann er seine Abenteuerromane über die Indianer Nordamerikas und die Bewohner des Vorderen Orients zu schreiben, ohne je in diesen Regionen gewesen zu sein. Nach seinem Gefängnisaufenthalt führte er, obwohl er mit seinen Büchern viel verdiente, ein eher kleinbürgerliches Leben und holte die Reisen an die Schauplätze seiner Werke nach, die er in der Jugend versäumt hatte.

      In seinem letzten Lebensjahr kam er mehrmals nach Österreich, zuletzt zum Vortrag im Sofiensaal. Von hier reiste der Siebzigjährige heim nach Radebeul bei Dresden, wo er der Lungenentzündung erlag, die er sich aufgrund seiner Verkühlung in Wien zugezogen hatte. Seine letzten Worte waren »Großer Sieg! Ich sehe alles rosenrot!«

      Bertha von Suttner, die ihn acht Tage davor noch in Wien erlebt hatte, schrieb in ihrem Nachruf: »Wer den schönen, alten Mann sprechen gehört, durch ganze zwei Stunden, weihevoll, begeisterungsvoll, der mußte das Gefühl haben: In dieser Seele lodert das Feuer der Güte.«

      »Lieber wär’ mir, du tät’st wie

      der Goethe schreiben«

      Lernet Deutsch! Lernet Englisch! Lernet Holenia! Die Scherze, die mit seinem Namen getrieben wurden, sind so legendär wie der Dichter selbst. Alexander von Lernet-Holenia zählte zu den letzten Poeten von altösterreichischem Format. Das 1897 in Wien geborene Original war bis zu seinem Tod im Jahre 1976 überzeugt davon, ein leiblicher Sproß des Erzherzogs Karl-Stephan von Habsburg-Lothringen zu sein. Wie der Schriftsteller darauf kam, weiß kein Mensch, aber immerhin stellte ihm die Republik Österreich in der Wiener Hofburg ein repräsentatives Appartement zur Verfügung, das einst Kronprinz Rudolf bewohnt hatte.

      Mit seiner an Rilke angelehnten Lyrik blieb Lernet-Holenia vorerst relativ erfolglos, die breite Öffentlichkeit wurde erst später, durch die 1927 uraufgeführte Verwechslungskomödie Olla potrida auf ihn aufmerksam. Auch seine Mutter, die in Graz lebte, erfuhr erst zu diesem Zeitpunkt, daß ihr Sohn unter die Schriftsteller gegangen war.

      Sie las daraufhin einen seiner Gedichtbände, und als Alexander sie etwas später besuchte, fragte er, wie ihr die Verse gefielen.

      »Nun, ja«, antwortete die Frau Mama, »lieber wär’ mir, du tät’st wie der Goethe schreiben!«

      Lernet-Holenia im Kleinen Bezirksgericht

      Lernet-Holenias Zornesausbrüche sorgten immer wieder für Schlagzeilen. Die berühmteste Affäre betraf einen Autofahrer, der sich vor der Garageneinfahrt von Lernet-Holenias Sommerhaus am Wolfgangsee eingeparkt hatte. Der Dichter ging auf den Unglücklichen zu und verpaßte ihm eine schallende Ohrfeige, was natürlich ein gerichtliches Nachspiel zur Folge hatte: Lernet-Holenia wurde zur Zahlung einer Geldstrafe in Höhe von eintausend Schilling verurteilt. »Vom Lernet-Holenia«, munkelte man damals, »liest man im Kleinen Bezirksgericht mehr als auf der Literaturseite!«

      Als besonders volksverbunden galt der Dichter Franz Nabl. Als ihm eine etwa gleichalte Frau mit den Worten »Ich glaub’, uns beide hat der Tod vergessen«, zum neunzigsten Geburtstag

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