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Da – ein Schatten – Zweige, Lärchenzweige, eine Baumkrone! Und unter ihm der jähe Ruck, der Block neigte sich, fiel, stürzte!

      Logans Hände krallten sich in das Grün der Baumkrone, sein Körper hing an den Armen und schwebte über dem Abgrund.

      Aus, dachte Logan, als ihn der Schlag wie ein an einer Feder hängendes Gewicht in die Höhe warf, aus, vorbei, ich werde abstürzen, ich drehe mich, werde herumgewirbelt… festhalten, Bill, halte die Zweige fest. Du fällst, du fällst!

      Dröhnendes Gepolter von Holz, ein Krachen, Gesplitter – ein Hieb wie von einem flachgehaltenen Schwert über den Rücken. Dann flog er hoch, war gefallen und schoß in die Höhe, fiel sogleich wieder und spürte Schläge. Es mußten Steine sein, die ihn trafen. Hände über den Kopf! Den Kopf decken, nur nicht erschlagen werden, lieber die Zweige loslassen. Etwas knallte ihm auf die Arme, als er sie über den Kopf riß. Und dann kam der Hieb, erwischte ihn voll am Hinterkopf.

      Logan saß im Eingang zur Hölle. Der Satan stand davor und lachte. Er sah sich um und glotze Logan an.

      »Da bist du ja, Logan«, sagte der Satan höhnisch. »Komm, komm, in den Kessel mit dir!«

      Der Satan war Mort Dillon!

      Das war das letzte, was der Mar­shal Bill Logan sah.

      »Ich werde verrückt!« lallte Charly. »Das ist doch nicht wahr – alles weg, alles fort? Kein Baum, kein Strauch, nackter Fels – ich kann’s nicht begreifen!«

      Er kauerte am Rand des Abgrundes und glotzte den Hang an. Das war nicht zu fassen – es gab kein Geröll mehr, keinen Felsblock, keinen Baum – nur ein paar Stümpfe, bleiche, abgerissene Wurzeln. Geisterfinger in der Mondnacht!

      »Hähähä! Hähähä!«

      Das Lachen gellte durch die Nacht, ein höllisches Gelächter!

      Einer lag auf den Knien und starrte in die düstere Tiefe, hatte das Maul weit aufgesperrt und lachte – lachte – lachte wie ein Irrer, bis er beinahe auch nach unten gefallen wäre.

      »Verflucht!« sagte Mort Dillon dann erschrocken. Beinahe – beinahe! Das wäre was, wenn ich den besucht hätte, was, Charly? Ich lach mich tot, da unten – he, Logan – Logan, liegst du da auch gut und warm? Hähähä!«

      Er ist verrückt, dachte Charly, er ist wahnsinnig geworden wie unser Vater. Ich weiß noch, wie der zuerst lachte, bis er schrie und davonrannte. Er schrie, die Ratten wären hinter ihm her, sie wollten ihn fressen. Er schlug und trat nach ihnen – er hatte Schaum vor dem Mund und brüllte wie ein Tier, als ihn schließlich fünf Mann zu Boden gebracht hatten und auf ihm hockten. Hat Mort auch Schaum vor dem Mund, rollt er auch die Augen, daß man nur noch das Weiße sieht?

      Mort nahm den Kopf herum und starrte ihn an. Dann flüsterte er gespenstisch hohl:

      »Jetzt hat ihn der Teufel geholt, siehst du, Bruder? Das war meine Idee, meine! Sie werden ihn in vier, fünf Tagen suchen und doch nicht finden. Es wird sich schnell herumsprechen. Und wenn wir nach Comanche zurückkommen, werden sie uns anstarren und sich wieder vor uns fürchten wie damals. Sie werden sich noch viel mehr fürchten, weil sie wissen, daß wir es waren. Aber beweisen kann man uns nichts, niemals! Charly, ich werde uns die besten, schnellsten und härtesten Burschen aussuchen, die wildesten Banditen. Comanche wird unsere Stadt. Von Comanche aus werden wir reiten – nachts, nur nachts. Und dann werden wir Banken überfallen, Züge ausrauben – Postkutschen anhalten! Charly, wer gegen uns ist, der wird sterben müssen, hörst du? Ich werde allen zeigen, wer Mort Dillon ist – Mort Dillon, der Mann, der Marshal Logan verschwinden ließ. Charly, spuck hinunter! Spuck auf ihn, Charly!«

      »Ja!« keuchte Charly und spie in den Abgrund. »Da, Logan, da! Ich hab’s dir versprochen, du Hund!«

      Danach lachte er wie ein Kind, dem der große Bruder ein Geschenk gemacht hatte.

      »Wollen wir nachsehen, Morty?«

      »Wo, da unten? Ich bin doch nicht lebensmüde! Man käme herunter, aber was ist, wenn Gestein losbricht – es bricht immer noch hier und da etwas aus der Wand – was ist, wenn es dir oder mir auf den Kopf fällt? Nein, Charly, wir brauchen nicht nachsehen. Sie liegen unten – er und sein verfluchter Gaul. Über den Spalt kann kein Pferd springen, auch sein Höllenvieh konnte das nicht schaffen. Steh auf, wir wollen gehen!«

      »Laß mich noch mal spucken, Morty.«

      »Na, dann spuck!«

      Er sah auf ihn herab und dachte, daß Charly manchmal wirklich wie ein Kind war.

      »Dem habe ich es gegeben, habe ich, Morty?«

      »Hast du, Junge? Hast du! Wir reiten noch bis über Trinidad hinaus, dann schlafen wir den Tag über. Ich schätze, wir könnten in acht, neun Tagen in Centreville sein. Aber wir werden ganz vorsichtig sein müssen, sage ich dir. Ich wette, Liza, das Aas, hat sich auf uns eingerichtet. Sollte mich schwer wundern, wenn sie sich nicht ein paar ganz rauhe Burschen angeworben hat, die sie bewachen und uns abknallen sollen. Aber sie kann sich zwanzig Halunken angeworben haben, ich bekomme sie doch. Glaubst du mir?«

      »Was du willst, erreichst du auch, Morty!«

      »So ist es!« nickte Mort Dillon. »Ich kann es kaum erwarten, Charly. Uns bestiehlt man nicht, das wird sie lernen, das Aas!«

      Mort Dillon lachte giftig, dann ging er davon.

      Er hatte Marshal Logan erledigt, er würde noch ganz andere Dinge erledigen – auch Liza Palucco.

      Dillon sah sich nicht um. Vielleicht hätte er es besser getan, denn irgendwo weit hinten zwischen Büschen und Felsklippen stand ein Pferd. Die schwarzen Flecken seines Fells verschwammen mit dem im Schatten liegenden Buschwerk.

      Arrow, der Hengst, sah den beiden Dillons nach und rührte sich nicht. Ihm brauchte niemand zu sagen, daß er sich vor ihnen zu hüten hatte.

      *

      Das Halbblut schrie irgend etwas und hing wie eine Puppe an den Zügeln Arrows. Der Hengst hob ihn hoch, stob herum, kam schnaubend, die Nüstern gebläht und Feuer in den Augen auf Scarlett zu. Sie sah nur den leeren Sattel, sonst nichts – nur den Sattel. Es war wie bei Edwards Tod vor gut einer Woche, aber irgendwie war es schlimmer, krallte sich diese Faust, die sie in der Brust fühlte, um ihr Herz und schien es zusammenpressen zu wollen.

      Drüben rannte der alte Ben Carter mit aus der Hose lugendem Hemd aus seinem Haus. Der alte Vormann der Parkinsons blickte verstört auf den steigenden Hengst, der mit Pacco Segali tat, was er wollte.

      Bill, dachte Scarlett – die Faust ließ ihr Herz los, es hämmerte jetzt los wie verrückt –, Bill, um Gottes willen! Nein, lieber Gott, nein, das nicht, nicht noch das! Bill, Bill…

      Plötzlich sah sie ein Bild und begann zu frieren. Die Kühle der Nacht drang durch ihr Nachthemd, über das sie schnell die Strickjacke geworfen hatte. Sie hielt die Jacke an der Brust zusammen und biß sich auf die Lippen. Sie war kreidebleich geworden, denn das Bild stand plötzlich vor ihren Augen.

      Scarlett sah das Gesicht Mort Dillons vor sich, das Flimmern der dunk­len Augen, das Lächeln, das so falsch war, höhnisch, listig, verschlagen!

      Zu Dillons Füßen lag jemand auf dem Gesicht. Dillon nahm den Stiefel, stieß ihn unter den Mann und hob den Fuß mit einem Ruck in die Höhe. Der Mann kollerte auf den Rücken, sein kalkweißes Gesicht lag nun im fahlen Mondlicht – das Gesicht eines Toten… Bill Logan.

      »Nein!« sagte Scarlett. »Nein!«

      Er ist tot, dachte sie, Bill ist tot, ich weiß es, er ist tot, sie haben ihn umgebracht, diese beiden Teufel.

      »Miß Scarlett – Miß Scarlett, Pacco kann Pferd nicht halten. El diablo – la bestia… bist du ruhig, sei ruhig, sei ruhig. Damnato, valgame dios, er hat Kraft, er macht kaputt Pacco – por dios!«

      »Laß ihn doch los, Pacco!«

      »Er hat Haustür getreten in Stücke, er haben Haustür gemacht zu Trümmer, Madonna!«

      »Laß

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