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Jemand ist im Haus. Er hat die Texaner befreit! Louis, schnell, Louis… sie sind überall, sie kommen! Louis…«

      Sie krallte sich an ihm fest, riß ihn fast um. Dann zog und zerrte sie ihn herum.

      »Die Pferde, Louis, auf die Pferde! Die Gefangenen sind frei!«

      An den Feuern sprangen die Bravados auf und starrten verstört zu ihnen hin.

      Mein Gott, durchfuhr es Charlton, das ist kein Wahnsinn, sie bildet sich nichts ein. Los, zu den Pferden, zu den Pferden und raus hier! Was – was ist dort? Was denn, was läuft da, was kommt dort, was…?

      Er sah sie hinter jenen Feuern weit hinten im Garten. Dort kamen Schatten, rannten über den Rasen, stürmten an Büschen vorbei auf die Bäume zu. Sie kamen – es waren viele… viele. Sie wollten in den Hof, sie rannten wie schweigende, todbringende Schatten…

      »Lauf!« brüllte Charlton und hatte den letzten Wagen erreicht. »Lauf, nimm die Pferde! Hinaus, warte auf mich, hinaus!«

      Plötzlich wußte er, daß alles verloren war. Er hörte die Bravados schreien. Er sah sie an die Scheunen rennen. Sie hatten die Schatten wie er gesehen. Ihre Schreie gellten durch die Nacht. Und dann war plötzlich das heulende, schrille Angriffsgeschrei der Juaristas da. Sie hatten diesen Schrei von Benito Juarez und dessen Yaqui-Indianern übernommen.

      Ein fürchterlicher Ruf, ein langgezogenes, grauenhaftes Heulen, das einem das Blut in den Adern gefrieren ließ.

      Der Tod kam, die Schreie kündigten ihn an.

      »Lauf!« brüllte Charlton, seine Stimme überschlug sich. »Lauf doch!«

      Er warf sie auf ein Pferd, drückte ihr die Zügel eines anderen in die Hand.

      »Weg mit dir – hinaus!«

      Jetzt – jetzt war das nervenzerfetzende Heulen der Angreifer überall. Es kam von allen Seiten. Schüsse knatterten belfernd los. Da holte er aus, gab dem Pferd einen Schlag, sah rechts einen der Bravados aus dem Corral rasen. Der Mann hing im Sattel, das Gatter stand auf, die Pferde preschten ihm nach. Es waren zwanzig, dreißig, immer mehr. Sie rasten auf die Wagen zu. Zwei, drei andere Bravados rannten schräg auf die Pferde zu, hetzten neben ihnen her, sprangen auf, während die Pferde, verrückt geworden durch dieses fürchterliche Angriffsgeschrei, durchgingen.

      »Weg!«

      Er schlug zu, das Pferd sprang an.

      »Louis!« schrie sie gellend. Ihre Stimme ging im Dröhnen der Hufe, im Krachen der Schüsse unter. »Louis…!«

      Fort, vorbei, weggejagt!

      Charlton flog herum, seine Augen glühten. Etwas tun, nicht sterben wollen – etwas tun!

      Links sah er sie liegen und schießen. Sie lagen unter den Wagen – Bravados, die eine andere Mentalität als Amerikaner hatten. Bravados kämpften, auch wenn es aussichtslos war, weil sie wußten, daß sie sterben mußten. Und mußten sie sterben, dann taten sie es auf ihre Art… sinnlos, das war gewiß, aber sie starben lieber kämpfend.

      Charlton war herum und packte den Lafettensporn der Kanone. Was wog schon eine vierpfündige Gebirgskanone?

      »Herum mit dir!« schrie Charlton, wuchtete, stemmte sich ein. »Geh doch – verdammtes Ding – herum!«

      Feuerschein auf dem Bronzelauf, das grelle Heulen eines Querschlägers, der den Lauf traf. Das Singen einer Kugel, die gegen den Radreifen prallte. Charlton schwenkte die Kanone.

      Da – da, sie kamen, sie rannten näher, sie stürmten.

      Kommt, dachte er. Kommt doch. Das Ding und ich… das Ding hier… wartet nur…

      Die rechte Hand fiel auf die Kurbel der Höhenverstellung. Die Spindel wirbelte, der Schubstangenhebel ruckte, das Maul der Kanone senkte sich.

      Genug, dachte Charlton. Die Linke fuhr in die Tasche, riß das Streichholz heraus. Er sah über den Lauf, sah die Schatten, hatte das gellende Geschrei in den Ohren. Luft, dachte Charlton, die macht mir Luft, die verschafft mir zehn Sekunden, wette ich. Luft… Luft!

      Das Streichholz zischte, die Schnur war da, ein bläuliches Flämmchen raste los. Und sie liefen, sie kamen – diese Narren. Sie kamen tatsächlich, liefen zwischen den Bäumen durch, trampelten über die Erde, auf die das Maul der Kanone zeigte.

      Charlton duckte sich tief, rannte los, lief im Zickzack. Sechs Schritt kam er von der Kanone weg – acht, neun…!

      In dieser Sekunde kam das Brüllen und schien die Gebäude einstürzen lassen zu wollen. Ein Donner, ein schmetterndes, grollendes Bersten! Und dann Schreie – gellende, furchtbare Schreie…

      Er sah sich um, sah gar nichts, nur eine Wolke dort, wo die Kartätschengranate gegen den Boden gedonnert war, wo hundertzwanzig Kugeln im brüllenden Explosionsknall nach allen Seiten gespritzt waren.

      Laufen, Charlton, Zickzack… Haken schlagen… Lauf, Mann! Etwas schwirrte, jaulte, fauchte, pfiff an ihm vorbei. Er lief, raste auf das Tor zu, hielt sich ganz links an den Ställen. Nur nicht mitten im Hof und gegen das offene Tor wie eine Zielscheibe rennen!

      Vor ihm rannten zwei Bravados, schrien, machten den Fehler, den ein Mann wie Charlton niemals gemacht hätte. Sie kamen fast bis ans Tor. Den ersten erwischte es, ehe er die Höhe des Tores erreicht hatte. Er schlug einen Purzelbaum wie ein Hase. Den zweiten Narren traf es, als er mitten im Tor war. Er lief schreiend noch zwei Schritte, ehe er auf das Gesicht stürzte.

      Charlton kam, fegte mit zwei Riesensätzen um den Torflügel, rannte dann am Mauerpfosten vorbei. In dieser Sekunde erwischte es ihn. Der Hieb traf sein Bein. Er knickte zusammen, schlug hin. Schmerz im Bein, aber er rollte sich weg. Bloß nicht im Tor liegenbleiben, nur nicht gerade hier aufstehen, wenn – wenn er es noch konnte.

      Er schaffte es, er kam hoch, Schmerzen im Bein, ein Brennen, ein Stechen bis in die Hüfte. Jetzt sprang er in seltsamen hüpfenden Sätzen nach rechts. Linker Hand sah er Felipe rennen, auf die Pferde zustürzen. Mit Felipe liefen jedoch keine sechs Mann. Dafür tauchten Juarista-Soldaten an den Peonhäusern auf, schossen, schrien, rannten wie Teufel hinter Felipe und dessen letzten Leuten her.

      Charlton raste nach rechts und hörte den Schrei.

      »Louis, hierher! Louis, komm!« Maddalena – Maddalena, dort kam sie und trieb die Pferde auf ihn zu. »Louis, Louis, schnell!«

      »Komm, du verdammte Närrin! Kommst du?«

      Garcias Stimme, heulend fast, schrill vor Wut und Angst.

      Idiot, du verfluchter Idiot, dachte Charlton. Er zog sich hoch und sah sie losjagen – Garcia mitten unter den anderen. Felipe nun mit nur noch vier Mann hinter Garcia her.

      »Louis… Louis, wohin, wohin?«

      »Nicht nach – dieser Idiot! Da oben rennen sie, sieh doch!«

      Sie schrie vor Entsetzen, als sie im Mondlicht die Gestalten der Bravados in wilder Flucht den Hang herabsausen sah. Hinter den Bravados tauchten Reiter auf, jagten schnell näher, drohten sie einzuholen. Sie kamen auch Garcia in die Quere und blockierten ihm den Rückweg.

      »Louis, Felice… wir sind umzingelt. Louis, wir kommen nicht heraus!«

      »Sei ruhig!« schrie er sie an. »Komm mit!«

      Irgendwo in ihm war doch ein warmes Gefühl für sie. Sie hätte mit ihrem Bruder davonjagen und ihn im Stich lassen können. Aber sie hatte gewartet und ihm sein Pferd gebracht.

      Charlton preschte auf den angeblichen Heuhaufen rechts zu. Dort war kein Mensch mehr. Diese Narren waren fortgerannt und hatten sich auf die Pferde geworfen. Jetzt steckten sie mit Garcia in der Falle. Dieser Idiot hatte nicht rechnen können, war blindlings geflohen. Nun war der Weg versperrt. Die Juaristareiter formierten sich zu einer Linie, preschten auseinander, bildeten eine Kette. Die Kette mußte sie alle erwürgen!

      »Louis, was – was tust du?«

      Er flog aus dem Sattel, knickte um, fiel hin, aber er fiel

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