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Touristen um den besten Platz am künstlich angelegten Pfad und dem Geländer, um das berühmte Blow Hole etwa 30 oder 40 Meter unter ihnen zu sehen, wobei ihre Kameralinsen von der Gischt beschlugen.

      Die meisten Touristen waren schlitzäugige Japsen, lamentierte Kaniola. Wie die meisten Hawaiianer empfand er einen latenten Hass auf die Japaner und ihre Attacke auf Pearl Harbor, bei der viele Zivilisten und amerikanische Soldaten umgekommen waren. Kaniolas Großvater war eines der Opfer der Attacke gewesen, und die Geschichten, die sich um diesen Tag rankten, waren noch so frisch wie der Fang von gestern. Jungen Hawaiianern und Halb-Hawaiianern brachte man bei, sie sollten niemals den Verrat der Japaner vergessen, egal wie viel Trinkgeld sie gaben. Für hawaiianische Jungen und Mädchen, die halb Japaner waren, war das verwirrend.

      Heutzutage war Hawaii so etwas wie das Rio de Janeiro der Südsee, ein Spielplatz für reiche Japaner, die jedes Jahr in größerer Zahl auf den Inseln einfielen. Japanische Paare heirateten sogar auf den Inseln und verbrachten ihre Flitterwochen dort, nur um die enormen Kosten einer Hochzeit in der Heimat zu sparen, denn wenn sie in Japan heirateten, mussten sie jedes einzelne Mitglied der häufig weitverzweigten Familien beider Partner einladen. Es war jedoch nicht unehrenhaft, nach Hawaii durchzubrennen … in letzter Zeit waren viele Grundstücke in die Fänge reicher japanischer Geschäftemacher gefallen und das hatte in großem Umfang den historisch bedingten wirtschaftlichen Würgegriff der Weißen auf die Ressourcen und den Reichtum Hawaiis abgelöst. Gleichzeitig gehörten den Ureinwohnern von Hawaii wenig oder gar keine bleibenden Werte in ihrer eigenen Heimat, sie waren größtenteils durch die englischen und amerikanischen haoles Jahrzehnte vorher entrechtet worden. Doch wie die meisten Hawaiianer gab Kaniola den Amerikanern und Briten den Vorzug gegenüber den Japsen. Alles in allem waren jedoch wenige Vollblut-Hawaiianer so glücklich, wie es in den Reiseführern und Birnbaum’s Guide to Paradise dargestellt wurde.

      Viele fanden Trost im Alkohol und im Vergessen. Andere arbeiteten hart, um sich westliche Konsumgüter zu leisten, sich dem Lebensstil der Weißen anzupassen, und wenn schon nicht reich, dann wenigstens in der Lage zu sein, in einer immer gefährlicher werdenden Welt für die eigenen Kinder zu sorgen. Andere hielten den Humor der Ureinwohner, mitunter finster und bissig, für das beste Mittel gegen den westlichen Fortschritt, der seit langem Oahu und besonders Honolulu, das Miami des Südpazifik, in seinen Fängen hatte.

      Alan Kaniola war zwei Jahre auf dem College gewesen, bevor er sich an der Polizeiakademie einschrieb, weil er sich selbst und seiner kleinen fünfköpfigen Familie einen gewissen Wohlstand sichern wollte. Normalerweise genoss er seine Arbeit und musste selten gegen irgendjemanden Gewalt anwenden. Die Autorität der Uniform genügte meist. Aber die Verbrechensrate von Honolulu stieg jedes Jahr und lag kaum noch unter der auf dem Festland. Wenn es nötig war, dann wurde er mit den toughesten Straßenkämpfern und den Seeleuten aus Pearl Harbor auch auf Augenhöhe fertig. Er mochte es besonders, amerikanische Seeleute und japanische Touristen festzunehmen, aber immer, wenn er das tat, rügten ihn seine Vorgesetzten, er sei zu hart mit ihnen umgesprungen. Vermutlich hatte ihn das zusammen mit seiner Abstammung darum gebracht, letzten Monat zum Detective befördert zu werden.

      »Ist viel sicherer, einen Chinesen zu verhaften oder eine japanische Prostituierte«, hatte er einmal zu seinem Vater gesagt, der eine kleine Zeitung auf Hawaiianisch herausbrachte, die sich für den Schutz der Interessen der Eingeborenen und der Umwelt engagierte. Der Name war The Ala Ohana, Der Weg der Großfamilie, und sie war eine der letzten ihrer Art. Sein Vater war altmodisch und ein Träumer, immer das Gesicht dem Mond zugewandt, dachte Kaniola.

      Alan nutzte den Suchscheinwerfer seines Streifenwagens, um das verlassen wirkende Fahrzeug in einen hellen Lichtstrahl zu tauchen, stieg behutsam aus dem Auto aus und bewegte sich langsam und mit der gebotenen Vorsicht auf den dunklen Buick zu. Es schien niemand darin zu sein. Thom Hilani trat auf die andere Seite des Wagens, beide Männer bewegten sich lautlos und schweigend.

      Sie bemerkten gleichzeitig das Bündel verschmutzter Kleidung auf dem Rücksitz. Es waren auch mehrere dunkle Flecken auf einer Decke auf dem Beifahrersitz. Hilani wollte nach dem blutigen Bündel auf dem Rücksitz greifen, die Fenster waren weit geöffnet, aber der erfahrenere Cop hielt ihn zurück, nahm die Kleidung selbst in die Hand und roch das kupferne Aroma des purpurfarbenen Flecks. Ihm war sofort klar, es war Blut. So frisch, dass seine Hand feucht wurde. »Geh zurück zum Motorrad, Thom, und rufe Verstärkung. Ich glaube, wir haben vielleicht den Passat-Killer geschnappt.«

      »Kein Scheiß, yeh, auwe, heh? Vielleicht, was? Da werden die okole-Löcher in der Zentrale aber Augen machen, verdammt, Mann!« Thom verfiel stets in den simplen Rhythmus des Pidgin-Englisch, wenn keine haole-Cops in der Nähe waren, die es hören konnten.

      »Beeil‘ dich, hol‘ Hilfe, Thom. Der Kerl könnte bewaffnet sein.«

      Ein Knall war zu hören und Hilani schlug so hart auf dem Boden auf, dass Alan Kaniola hören konnte, wie der Schädel seines Freundes brach. Kaniola versuchte die Richtung zu bestimmen, aus der der Schuss gekommen war, aber die Schwärze um ihn herum war undurchdringlich und ihm wurde klar, dass er vor den Scheinwerfern seines eigenen Wagens als perfekte Silhouette erkennbar war. Er hechtete genau in dem Moment in Deckung, als der zweite Schuss ertönte.

      Er wurde nicht getroffen. Wenn er nur an sein Funkgerät kommen und Hilfe rufen könnte. Die Entfernung zwischen dem Buick und seinem Funkstreifenwagen war zu groß. Er musste sich schnell etwas einfallen lassen.

      Der Killer war wohl irgendwo auf dem Fußweg zum Blow Hole. Wahrscheinlich entsorgte er die Überreste seiner Nachtschicht, eine Leiche. Guter Ort, um sich einer Leiche zu entledigen, dachte der Polizist. Verflucht cleverer Bastard. Er versuchte in der Dunkelheit etwas zu erkennen, konzentrierte sich auf den Beginn des Pfades und feuerte auf das, was der Umriss eines Mannes zu sein schien. Ein weiterer Schuss traf Kaniola in die rechte Schulter und die Wucht des Treffers riss ihm die Waffe aus der Hand. Hilflos lag er neben dem Fahrzeug des Verdächtigen, blutend und geschwächt, und umklammerte die blutige Kleidung, die er immer noch in der linken Hand hielt, presste sie in die Wunde und bemühte sich verzweifelt, nicht ohnmächtig zu werden.

      Er hörte, wie sich die Schritte des Mannes näherten, und hinter der Stoßstange des Buick sah er ein Paar Stiefel mit silbernen Spitzen, die den Wagen umrundeten. Kaniola hatte kein Gefühl in der rechten Hand, trotzdem griff er nach der versteckten Waffe, die er um seinen Fußknöchel geschnallt trug. Seine Hand fühlte sich wie ein Stumpf an. Er konnte spüren, wie mit seinem Blut die Kraft den Körper verließ. Seine Fingerspitzen hatten gerade die zweite Waffe erreicht, als der Stiefel des Mannes brutal auf seine Hand trat.

      Der Killer stand über ihm, grinsend, ein Lachen wie das Bellen eines Schakals platzte aus ihm heraus. Seine Gesichtszüge wirkten durch das Spiel von Licht und Schatten finster und verzerrt. Kaniola sah dem Mann in die dunklen, verstörenden Augen, und mit einem Funken Hoffnung stellte er sich vor, dass Thom aufstand, zielte und den Irren tötete. Stattdessen sah Kaniola einen Blitz, die Reflexion einer riesigen Zuckerrohrmachete. Die wuchtige Klinge schlitzte mit Leichtigkeit Kaniolas breiten dunklen Hals auf und bedeckte ihn und seinen Hemdkragen mit Blut.

      Der Killer riss Kelias blutige Kleidung aus der verkrampften Faust des toten Cops und legte sie zusammen mit der großen Zuckerrohrmachete in die Sicherheit seines Wagens zurück. Er konnte nicht wissen, wie viele weitere Bullen unterwegs waren. Also sprang er schnell in den Wagen und steuerte ihn mit durchdrehenden Reifen vom Parkplatz. Die toten Cops überließ er ihren Göttern. Er hatte nicht gewollt, dass es so weit kam, aber sie hätten ihn nicht hierher verfolgen sollen. Sie hatten sich das selbst eingebrockt, sagte er sich.

      Er drehte das Radio auf und suchte einen Sender, der sanfte hawaiianische Volksmusik spielte, so beruhigend und so real. Er vergaß den Vorfall mit den beiden Polizisten und durchlebte stattdessen in seinem Geist erneut, wie er das Mädchen hatte leiden lassen für das, was sie getan hatte.

      Die große Zuckerrohrmachete war vor dem Glitzern ihrer kleinen, schwarzen, hawaiianischen Augen brutal, gigantisch und glänzend gewesen. Jetzt war kein Licht mehr in diesen Augen, nichts übrig von ihrem geschmeidigen kleinen Körper, den Beinen mit der samtweichen Haut oder dem frivolen Mundwerk, alles dank der See.

      Nur noch eine Handvoll mehr, ermahnte

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