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doch heute wollte er sich sinnlos betrinken – auch wenn ihn jeder Schluck größte Überwindung kostete. Wieder verzog er angewidert das Gesicht, während er das Cognakglas abstellte.

      »Wenn es dir nicht schmeckt, solltest du etwas anderes trinken«, riet ihm plötzlich eine bekannte Stimme.

      Ivo wandte den Kopf, doch der ungewohnte Alkoholgenuß führte dazu, daß ihm durch diese Bewegung schwindlig wurde. Er mußte sich festhalten, um nicht vom Barhocker zu kippen.

      »Sándor«, murmelte Ivo erstaunt, als er sah, daß sein bester Freund ganz unverhofft neben ihn getreten war. Er schloß für einen Moment die Augen in der Hoffnung, das Schwindelgefühl würde dann vergehen. »Was tust du denn hier?«

      »Dasselbe könnte ich dich fragen«, erwiderte Sándor Balog, dann zog er sich einen Barhocker heran und setzte sich ebenfalls. »Das heißt – man sieht dir ja an, was du hier tust. Du willst dich betrinken… besser gesagt, du hast es schon geschafft.«

      Ivo nahm wieder einen Schluck und verzog erneut das Gesicht. Wie zum Trotz hob er das Glas gleich noch einmal, doch jetzt legte ihm Sándor eine Hand auf den Arm.

      »Laß es, Ivo«, riet er ihm. »Du bist doch sowieso schon blau.«

      »Bin ich nicht«, widersprach Ivo heftig. »Laß mich bloß in Ruhe!«

      Sándor nahm die Hand weg und winkte dem jungen Besitzer des Bistro, der hier an der Theke selbst bediente. Er verlangte die Rechnung für Ivo, dann bezahlte er, nahm seinen Freund kurzerhand mit festem Griff am Arm und zog ihn aus dem Lokal.

      Ivo schwankte gefährlich, was sich in der frischen Luft auch noch verstärkte.

      »Was soll das, Sándor?« maulte er. »Wo bringst du mich überhaupt hin?«

      »Nach Hause ins Bett«, antwortete Sándor bestimmt und verfrachtete seinen Freund kurzerhand ins Auto, dann setzte er sich ans Steuer.

      »Nach Hause.« Ivos Worte kamen voller Bitterkeit. »Wie lange werde ich denn noch ein Zuhause haben?«

      Sándor warf ihm einen kurzen, prüfenden Blick zu. »War das der Grund für dein privates Gelage?«

      »Geht dich nichts an«, grummelte Ivo unwirsch.

      Sándor hielt den Wagen am Straßenrand an, dann wandte er sich seinem Freund zu. »Anstatt dich zu betrinken, wäre es besser gewesen, du wärst zu mir gekommen und hättest dir den Kummer von der Seele geredet.«

      Ivo schwieg. Er sah Sándor nicht eimal an. Mit einem tiefen Seufzer ließ der junge Mann den Motor wieder an und fuhr los. Er würde Ivo mit zu sich nach Hause nehmen, auch wenn seine Wohnung nur klein war.

      Ivo erkannte natürlich sofort, wohin sein Freund ihn gebracht hatte.

      »Was soll ich denn hier?« fragte er unwillig und blieb bockig vor der Haustür stehen.

      »Hör zu, du Dickkopf«, entgegnete Sándor streng. »Du wirst jetzt mit in meine Wohnung kommen, dich ins Bett legen und deinen Rausch ausschlafen. Morgen, wenn du wieder nüchtern bist, werde wir uns ausführlich unterhalten.« Er ließ Ivo gar keine Zeit für eine Erwiderung, sondern nahm ihn mit festem Griff am Arm und zog ihn die Treppe hinauf.

      Zehn Minuten später lag Ivo dann tatsächlich im Bett und Sándor atmete erleichtert auf. Das war ja wirklich ein hartes Stück Arbeit gewesen.

      »Da sieht man mal wieder, was Alkohol aus einem Menschen machen kann«, murmelte er. So störrisch, wie er sich heute gegeben hatte, war Ivo doch normalerweise gar nicht.

      Er seufzte noch einmal tief auf, dann streckte er sich auf dem Sofa aus und war kurz darauf eingeschlafen. Gegen drei Uhr morgens wachte er jedoch auf, ohne zu wissen, was ihn geweckt haben könnte. Gerade wollte er sich auf die andere Seite drehen, als ihm die offene Schlafzimmertür auffiel. Rasch richtete er sich auf, erhob sich und warf einen Blick in den Raum. Das Bett war leer, und Ivos Kleidung, die er über den Stuhl gehängt hatte, war weg.

      »Das ist doch…«, knurrte Sándor wütend. Er warf einen Blick auf die Uhr. In vier Stunden würde sein Dienst in der Waldsee-Klinik beginnen… eine ziemlich harte Arbeit, für die er eigentlich hätte ausgeschlafen sein sollen. Andererseits konnte er seinen Freund in diesem desolaten Zustand nicht einfach sich selbst überlassen.

      Sándor zog sich in Windeseile an, verließ die Wohnung und stieg in sein Auto. Wo sollte er nun anfangen zu suchen? Das Bistro, wo er Ivo heute nur durch Zufall getroffen hatte, war um diese Zeit längst geschlossen. Sándor fuhr also zuerst zu dem Haus, in dem Ivo seine kleine Wohnung hatte, doch hier war alles dunkel. Möglicherweise war sein Freund einfach heimgefahren und lag nun friedlich in seinem Bett, doch daran glaubte Sándor nicht. Ivo hatte am vergangenen Abend eine Menge Kummer ertränken wollen, und Sándor hatte ihn davon abgehalten. Die Vermutung, daß er das Versäumte nachholen wollte, lag also ziemlich nahe.

      Sándor fuhr schließlich doch zu dem neuen Bistro und hatte dort auch tatsächlich Glück. Mit einer Flasche in der Hand lehnte Ivo an der Hausmauer. Neben ihm am Boden lag ein Fahrrad, das Sándor als sein eigenes erkannte.

      »Sag mal, bist du vielleicht noch zu retten?« fragte er, als er aus dem Auto stieg und auf Ivo zuging.

      Mühsam rappelte sich der junge Mann auf.

      »Laß mich in Ruhe!« verlangte er mit verwaschener Stimme, ergriff die Lenkstange des Rades und wollte es hochziehen, was aufgrund des ungewohnten Alkoholgenusses gar nicht so einfach war.

      »Ivo, mach keinen Blödsinn«, erklärte Sándor energisch. »Du kannst in diesem Zustand nicht Rad fahren.« Er wollte seinen Freund festhalten, doch Ivo war schneller, als er gedacht hatte. Er schwang sich auf das Rad und bog hinter dem Bistro in den schmalen Feldweg, wo Sándor ihm mit dem Auto nicht folgen konnte. Dabei schlingerte das Rad so gefährlich, daß Sándor jeden Augenblick mit einem schweren Sturz seines Freundes rechnete.

      »Meine Güte, was ist denn nur in ihn gefahren?« schimpfte Sándor vor sich hin und war schon drauf und dran, nach Hause zu fahren. Ivo hatte ja offensichtlich kein Interesse daran, daß ihm geholfen wurde. Vielleicht wäre es also wirklich besser, ihn sich selbst zu überlassen, doch das widerstrebte Sándor.

      Er kehrte zu seinem Auto zurück und fuhr zu der Stelle, wo der Feldweg wieder auf die Straße führte. Hier stieg er aus und ging schon ein Stück den Feldweg entlang. Nahezu im

      gleichen Augenblick hörte er das Gepolter, das offensichtlich von einem schweren Sturz herrührte.

      »Ivo!« rief er, doch nur schmerzliches Stöhnen antwortete ihm.

      Es dauerte nicht lange, bis Sándor seinen verunglückten Freund gefunden hatte.

      »So«, meinte er. »War es das nun wert?«

      »Hau doch ab«, knurrte Ivo. »Wenn du nur dumm daherredest, dann brauche ich dich nicht.«

      »Verprügeln sollte man dich«, entgegnete Sándor ärgerlich, dann griff er nach Ivos Arm, legte ihn sich über die Schulter und hielt sein Handgelenk fest, während er mit der anderen Hand unter Ivos Achsel griff und den Mann auf diese Weise hochzog.

      Ivo stöhnte schmerzhaft, als er seinen rechten Fuß belasten wollte. Er war heilfroh, als sie zusammen Sándors Auto erreichten und er auf dem Beifahrersitz Platz nehmen konnte. Sándor schaltete die Innenbeleuchtung ein und betrachtete in diesem schwachen Schein die Verletzungen, die sich Ivo zugezogen hatte. Es waren überwiegend Schürfwunden, nur die Verletzung am rechten Bein sah schlimmer aus.

      Sándor holte seinen Verbandskasten aus dem Kofferraum. Es war ein beinahe antiquarisches Modell, das statt eines normalen Wunddesinfektionsmittels nur Jod enthielt. Sándor zögerte. Konnte er Ivo das antun? Das Jod würde in der offenen Wunde wie Feuer brennen.

      »Ich bringe dich in die Klinik«, beschloß Sándor und wollte sich aufrichten.

      »Wozu in die Klinik?« beschloß Sándor und wollte sich aufrichten.

      »Wozu in die Klinik?« begehrte Ivo auf. »Ich bin vom Rad gefallen – na und? Daran werde ich doch nicht sterben!«

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