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Pinguine vergingen. Einige der Leichen waren sogar über ein Jahr alt. Levick war über diese, wie er meinte, „abartigen“ Entdeckungen dermaßen entsetzt, dass er über die sexuellen Eskapaden der vermeintlich so netten Pinguine zunächst nur einen Bericht in altgriechischer Sprache verfasste. So hatte nur der „gebildete Gentleman“ Zugang zu diesen Erkenntnissen.

      „Die Verbrechen, die diese Vögel begingen, sind von einer Art, wie sie in diesem Buch keinen Raum finden soll. Doch ist es tatsächlich interessant zu bemerken, dass, wo die Natur ihnen Beschäftigung zudenkt, diese Vögel wie Menschen durch Faulheit degenerieren“, konstatierte Levick völlig geschockt über die Lieblinge aller Kinder in den Zoos dieser Welt. Und er fügte entsetzt noch hinzu, dass selbst der berüchtigte Marquis de Sade von den Pinguinen noch etwas hätte lernen können. Folgerichtig hat er später nur ganz wenige Exemplare dieses Berichts, als eine Art Geheimdossier mit dem Namen „Sexual Habits of the Adélie Penguin“, handverlesenen Kollegen zukommen lassen.

      Genau 100 Jahre später, nämlich 2012, wurde eines der wenigen existierenden Exemplare von „Sexual Habits of the Adélie Penguin“ im Natural History Museum von London wiederentdeckt und nicht nur im Fachmagazin „Polar Record“ publiziert, sondern auch der geneigten Öffentlichkeit im Rahmen einer Ausstellung zugänglich gemacht.

      Erstaunlicherweise versuchen Pinguinweibchen, die keinen Geschlechtspartner gefunden haben, sprich Junggesellinnen, oder Weibchen, die ihr Küken verloren haben, immer wieder, die Küken von anderen Pinguindamen zu kidnappen. Diese setzen sich natürlich gegen die Kidnapperin zur Wehr. Und das so heftig, dass es oft bei den kämpfenden Weibchen zu blutigen Verletzungen kommt. Leider werden bei diesen Kämpfen aber auch öfter die noch sehr verletzlichen Küken vom Gewicht der sich balgenden Mütter erstickt oder auch regelrecht zu Tode getrampelt. Sind die Küken einmal erfolgreich entführt worden, erweist sich die Kidnapperin jedoch relativ rasch als Stiefmutter im wahrsten Sinne des Wortes: Die Entführerin verliert bald jegliches Interesse am gekidnappten Kind und das wandert dann verzweifelt durch die Pinguinkolonie, um bei anderen Schutz und Nahrung zu erhalten. Die verwaisten kleinen Pinguine versuchen oft sogar in ihrer Verzweiflung, andere Küken aus der Bauchfalte ihrer Eltern zu verdrängen. Diese Versuche scheitern jedoch meist kläglich, sodass die verwaisten kleinen Pinguine in der Regel sehr schnell verhungern oder erfrieren müssen. Französische Wissenschaftler haben vor einigen Jahren herausgefunden, dass für dieses, aus menschlicher Sicht so sinnlose Kidnapping sehr wahrscheinlich ein außergewöhnlich hoher Spiegel des sogenannten „Elternhormons“ Prolaktin verantwortlich ist. Eines Hormons, das für das Brutpflegeverhalten im Tierreich verantwortlich ist. Als die Wissenschaftler mithilfe von Medikamenten den Prolaktinspiegel der „Entführer“ künstlich senkten, ging die Anzahl der Kidnappings deutlich zurück. Nach Ansicht der Forscher soll der hohe Prolaktinspiegel im Regelfall dafür sorgen, dass die jeweiligen Elternvögel nach der durch die Futtersuche bedingten langen Trennung auch wieder zuverlässig zu ihrem Küken zurückkehren.

      Kehrt das Männchen vollgefuttert und mit einer gewaltigen Extraportion Fisch für das Küken im Magen wieder zurück, zieht das Weibchen erneut los, um den gewaltigen Hunger des Kükens zu stillen. Nach rund 50 Tagen ist der kleine Pinguin dann bereits so wohlgenährt, dass er unter keine Bauchfalte mehr passt. Wenn die Küken etwa zwei Monate alt sind, ziehen beide Elternteile gleichzeitig los, um Nahrung für den Jungpinguin zu beschaffen. Die Wege zum offenen Meer und damit zu den Futtertrögen sind jetzt, dank wärmerer Temperaturen und schmelzendem Eis, deutlich kürzer geworden. Die Küken schließen sich in der Zwischenzeit, während sie auf Eltern und Fisch warten, zu einer sogenannten „Creche“, einer Art Pinguinkindergarten, zusammen. Im Alter von etwa sechs Monaten nach der ersten Mauser, wenn sie ihr Erwachsenenfederkleid verloren haben, verlassen die jungen Pinguine die Kolonie und kehren erst im Alter von etwa drei bis fünf Jahren zurück, um dann selbst zu brüten.

      Wenn man einmal auf die nackten Zahlen blickt, sind die Strapazen, die ein Kaiserpinguinpaar während der Brutzeit auf sich nimmt, gewaltig: Insgesamt 16-mal, so haben Wissenschaftler errechnet, pendeln die Pinguineltern zwischen Ozean und Brutkolonie hin und her und legen dabei unglaubliche 2000 Kilometer zurück. Für eine Vogelart, die weder fliegen kann noch „gut zu Fuß“ ist, eine unglaubliche Leistung. Im Meer, wo die Pinguineltern bei ihren Beutezügen nach Fisch für sich und ihr Junges suchen, dürfte die zurückgelegte Strecke sogar fast viermal so groß sein. Apropos Beute: Im Schnitt transportieren Kaiserpinguineltern pro Brutsaison bis zu 45 Kilogramm Fisch über diese riesigen Entfernungen, um ihren Sprössling ausreichend mit Nahrung zu versorgen.

      Allerdings sieht es um die Zukunft der größten Pinguine der Welt, folgt man aktuellen Forschungsergebnissen, nicht gerade rosig aus. Es sind die Folgen des Klimawandels, genauer gesagt die Erhöhung der Meerestemperatur und die damit verbundene Eisschmelze, die den Kaiserpinguinen zu schaffen machen. Ein amerikanisch-französisches Forscherteam um Stephanie Jenouvrier, von der Woods Hole Oceanographic Institution in Massachusetts, hat 2017 mithilfe aktueller Messdaten eine Computersimulation erstellt, um die künftigen Überlebenschancen der Kaiserpinguine zu errechnen. Das Ergebnis dieser Simulation war verheerend: Zwar werden, so die Wissenschaftler, die Bestände der Kaiserpinguine in den nächsten zwei Jahrzehnten relativ stabil bleiben. Allerdings wird sich etwa ab dem Jahr 2050 der Lebensraum der Kaiserpinguine derart verschlechtern, dass die Forscher davon ausgehen, dass der Kaiserpinguin bis zum Jahr 2100 in freier Wildbahn ausgestorben sein wird.

      Die Sache mit der Treue

      „Kein Zweifel, der Hund ist treu. Aber sollen wir uns deshalb ein Beispiel an ihm nehmen? Er ist doch nur dem Menschen treu und nicht dem Hund.“ Recht hat er, der begnadete österreichische Satiriker und Publizist Karl Kraus. Mit der Treue haben es Tiere nicht so. Der weitaus größte Teil der Tiere lebt polygam, hat also Sex mit mehreren Partnern. Einige wenige treue Tiere finden wir beispielsweise bei den Vögeln: Großpinguine, Schwäne und Albatrosse. Bei den Säugetieren sieht es noch schlechter aus als bei den Vögeln, hier lebt gerade mal ein Prozent monogam. Bei den Nagetieren ist das zum Beispiel der Biber, bei den hundeartigen Raubtieren sind das Fuchs und Schakal und bei den Affen die Krallenaffen und die Gibbons. Und ausgerechnet unsere nächste Verwandtschaft im Tierreich, die berühmt berüchtigten Bonobos, die sogenannten Zwergschimpansen aus Zentralafrika, die rein genetisch gesehen mit uns zu fast 99 Prozent übereinstimmen, sind geradezu wild polygam und auch sexuell gesehen sehr experimentierfreudig.

      Allerdings ist, wo Treue draufsteht, nicht immer auch Treue drin. So war sich die Wissenschaft lange Zeit ziemlich sicher, dass sich Herr und Frau Seepferdchen ein Leben lang treu sind. Zurückzuführen ist diese, für einen Fisch doch ziemlich bemerkenswerte Tatsache auf eine Studie aus dem Jahr 1992, in der australische Wissenschaftler eine einzige Seepferdchenart, das „Whites Seepferdchen“, in Sachen Treue einmal etwas genauer unter die Lupe nahmen. Und siehe da, die kleinen Fische blieben sich auch dann treu, wenn andere möglicherweise attraktivere Partner zur Verfügung standen. Ein Resultat, das von den Medien begeistert aufgegriffen und schnell für alle Seepferdchen verallgemeinert wurde. Und fortan schrieben Journalisten nur allzu gerne von der unverbrüchlichen Liebe der niedlichen kleinen Tiere mit dem Pferdekopf. Aber bald tauchten erste Meldungen von Aquarien und auch von privaten Seepferdchenhaltern auf, die das Bild von der ewigen Seepferdchentreue gewaltig ins Wanken brachten. Nicht nur, dass einige Seepferdchenarten anscheinend alles andere als monogam waren oder sich, wie das Dickbauchseepferdchen, noch nicht einmal zu Paaren zusammenfanden, sondern bekennende Singles waren.

      Diese ersten Beobachtungen wurden durch eine Studie an Westaustralischen Seepferdchen aus dem Jahr 2000 bestätigt, nach der mindestens die Hälfte der Tiere ihre Partner nach jedem Brutvorgang wechseln. Eine Untersuchung aus dem Jahr 2004 an australischen Kurzkopfseepferdchen zeigte, dass diese Seepferdchenart in Gruppen lebt, wobei sich die Gruppenmitglieder, egal ob Männchen oder Weibchen, mit jedem gerade verfügbaren Partner paaren. Ähnliches gilt für europäische Seepferdchenarten. Dort kommt es offensichtlich auf die Größe an. Als man im Versuch einem Seepferdmann der Art „Langschnäuziges Seepferdchen“, das in einer scheinbar festen Beziehung mit einem Weibchen lebte, ein größeres Weibchen präsentierte,

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