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fragte ich verwirrt. »Die Rechnung übernehme ich.«

      Sie wischte meinen Einwand beiseite. »Das brauchst du nicht, aber darum geht es nicht. Hast du einen?«

      Ich verstand zwar noch immer nicht, worauf sie hinaus wollte, zog aber meine Geldbörse aus der Gesäßtasche meiner Shorts. »Bestimmt.« Immerhin bekam ich jeden Tag Trinkgeld, also mangelte es mir nie an Münzen. Ich fischte eine Eineuromünze heraus und legte sie vor Juliana auf den Tisch.

      »Ich habe etwas für dich. Ein Abschiedsgeschenk. Aber damit es ein rechtsgültiger Vertrag ist, musst du dafür bezahlen.« In ihren Augen blitzte der Schalk auf, den ich so an ihr mochte. Dann schob sie mir ein Blatt Papier hin und stellte über eine Ecke den schweren, gläsernen Aschenbecher, damit die Meeresbrise es nicht wegblasen konnte.

      »Kaufvertrag«, las ich vor und sah sie erstaunt an, doch sie tippte nur mit ihrem hellrosa lackierten Fingernagel auf das Papier.

      »Lies es«, befahl sie.

      Je mehr ich davon erfasste, umso schneller klopfte mein Herz. Dann sah ich sie fassungslos an. »Bist du verrückt geworden?«

      Juliana verzog ihren rosa Kussmund zu einem breiten, frechen Grinsen. »Ganz im Gegenteil. Du liebst das Boot doch, oder?«

      Ich nickte. »Ja schon, aber ...«

      Langsam verblasste ihr Lächeln. »Willst du es denn nicht? Ist dir die Erhaltung zu teuer? Die Liegegebühren und alles? Daran habe ich gar nicht gedacht.«

      Rasch griff ich nach ihrer Hand. »Das bekomme ich hin. Aber du kannst mir doch nicht dieses tolle Schiff einfach schenken!«

      »Du bezahlst ja dafür. Einen Euro und eine Unterschrift und es gehört dir. Ich finde es so mies von Papa, dass er mir das Messer ansetzt. Es wird ihn maßlos ärgern und du hast ein Andenken an mich, das dir hoffentlich viel Freude machen wird.« Wieder stiegen ihr die Tränen hoch und diesmal sah ich nicht weg. Mit dem Daumen strich ich vorsichtig unter ihren Augen entlang.

      »Ich hätte lieber dich als das Boot, Juliana, aber es wäre dumm, es nicht anzunehmen. Im Traum hätte ich nicht damit gerechnet.« Ich ließ meine Fingerspitzen über ihre Schulter und den nackten Arm nach unten gleiten und griff nach ihrer Hand. »Wir hatten viel Spaß auf dem Boot und immer, wenn ich damit unterwegs bin, werde ich an dich denken.«

      »Das ist der Sinn des Ganzen.« Sie lächelte unter Tränen, dann suchte sie in ihrer Handtasche nach einem Taschentuch. Ich sah ihr dabei zu, wie sie sich leise und dezent die Nase putzte. Meine Prinzessin. Erst langsam realisierte ich, dass dies unser letzter Abend sein würde, meine letzten Stunden mit Juliana.

      Obwohl ich es hatte kommen sehen, befürchtet hatte, oder was auch immer, überraschte mich das heftige Bedauern, das mich überfiel. Etwas ballte sich schmerzhaft in meiner Brust zusammen. Tat mir tatsächlich das Herz weh? Gab es das wirklich?

      1. Kapitel

      Angelina

      „Vielen Dank für die schöne Feier, Mama.“ Ich lächelte meine Mutter an, bevor ich sie umarmte.

      »Gerne, meine Kleine!«, erwiderte sie und küsste mich auf die Wange.

      Meine beiden jüngeren Brüder hatten sich schon vor einer Weile unter fadenscheinigen Vorwänden aus dem Staub gemacht und ich hatte ihr alleine geholfen aufzuräumen. Manche Dinge änderten sich eben nie. Papa war auf dem Sofa eingeschlafen, während der Fernseher lief. Ein vertrautes Bild, bei dem ich mich unwillkürlich fragte, ob es das war, was ich wollte. Die Antwort war definitiv: Nein!

      Der prüfende Blick meiner Mutter glitt über mein Gesicht und ich ahnte, was kommen würde. »Ich kann es kaum glauben, dass meine Älteste schon fünfunddreißig geworden ist. Kaum bist du aus den Windeln heraus, wird es auch schon höchste Zeit, dass du den Mann fürs Leben findest und für die nächste Generation sorgst.«

      Ich musste lachen. »Na toll! Musst du mich ausgerechnet an meinem Geburtstag an meine tickende biologische Uhr erinnern?« Mein Blick wanderte demonstrativ durch die geöffnete Tür zu meinem Vater, der gerade einen besonders lauten Schnarchlaut ausstieß. »Vielleicht will ich ja gar keinen?«, fragte ich mit einem schiefen Grinsen.

      Mama lachte, dann schüttelte sie den Kopf. »Erzähl das jemand anderem, ich glaube dir das nämlich nicht. Allerdings ist es besser alleine, als mit dem Falschen zusammen zu sein.«

      Einen Moment fragte ich mich, ob das eine allgemeine Bemerkung war, oder ob sie darauf anspielte, wie oft ich schon danebengegriffen hatte. Spontan stellte ich ihr eine Frage, über die ich schon öfter nachgedacht hatte. »Bist du glücklich, Mama?«

      Sie hob erstaunt die Augenbrauen, dann nickte sie. »Ja, das bin ich, meistens jedenfalls. Dein Papa ist ein guter Mann, auch wenn er in den letzten Jahren für meinen Geschmack zu viel auf dem Sofa rumhängt.« Erneut wanderten unsere Blicke zu ihm. »Ich denke, wenn er dann im Ruhestand ist, wird es wieder besser. Darauf freue ich mich schon.«

      Ich hatte daran meine Zweifel, aber ich behielt sie für mich. Mein Vater war Schlosser und liebte seine Arbeit, den Kontakt mit den Kunden und das befriedigende Gefühl, wenn er einen Auftrag zu deren Zufriedenheit abgeschlossen hatte. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass er das alles freiwillig gegen ausgedehnte Spaziergänge mit meiner Mutter und ihrem Dackelmischling Santos eintauschen würde.

      Bald darauf verabschiedete ich mich und schlenderte am Hafen entlang nach Hause. Es dämmerte bereits. Leise plätschernd schlugen die Wellen an die Mauer, zwei Möwen stießen ihre charakteristischen Schreie aus und es klang, als unterhielten sie sich miteinander, während sie über meinem Kopf dahinsegelten. Ich liebte diese vertrauten Geräusche, die mich schon mein Leben lang begleiteten.

      Einem Impuls folgend stieg ich eine kleine Treppe hinunter, die ins Wasser führte und setzte mich. Obwohl es bereits Ende Oktober war, strich die Luft lau und angenehm über mein Gesicht. Der Beton der Mauer und Stufen hatte den ganzen Tag Sonne gespeichert und gab die Wärme nun ab, sodass sie angenehm durch meine Jeans drang. Ich blickte über das Wasser, beobachtete das leichte Schaukeln der Boote und atmete tief durch. Meine Mutter hatte da etwas in mir berührt, das mir tatsächlich auf der Seele lastete. Meine letzte Beziehung war vor mehr als einem halben Jahr in die Brüche gegangen, nachdem ich nicht mehr ignorieren konnte, dass mein Freund es mit der Treue alles andere als ernst nahm.

      Langsam lief mir wirklich die Zeit davon. Oder sollte ich mich mit dem Gedanken anfreunden, die kinderlose Tante zu bleiben, und das Kinderkriegen meinen jüngeren Brüdern überlassen? Unbewusst seufzte ich tief auf. Eine männliche Stimme hinter mir holte mich aus meinen Gedanken.

      »Angelina? Alles in Ordnung mit dir?«

      Ich wandte mich um und sah hoch. Lorenzo stand hinter mir und beäugte mich besorgt. Wir kannten uns schon ewig, hatten aber nie besonders viel Kontakt gehabt. Erst seit Kurzem war ich ein Teil seines engeren Freundeskreises. Er trug eine schwarze Hose und ein ebensolches Hemd. Die Ärmel waren hochgekrempelt und betonten seine kräftigen, sehnigen Unterarme mit dem dunklen Flaum.

      »Ja, klar. Kommst du von der Arbeit?«, fragte ich ihn angesichts seiner Kleidung. »Es ist doch noch gar nicht so spät?«

      »Für heute ist Schluss. Es war wenig los, also hat mich mein Chef heimgeschickt.«

      Die Treppe war zu schmal, um nebeneinanderzusitzen. Stattdessen machte er Anstalten, sich auf die Stufe oberhalb von mir zu setzen. Er streckte die langen Beine rechts und links von mir aus. Dabei ließ er einen tiefen Seufzer hören. »Puh, die Saison steckt mir in den Knochen. Ich bin froh, dass sie beinahe zu Ende ist. Ein paar Tage noch.« Für ein, zwei Minuten waren wir beide still und sahen einer Llaüt zu, die an uns vorbei fuhr und dann der Hafenausfahrt zustrebte. Ich mochte diese alten, traditionellen Fischerboote. Sie waren ein Teil unserer Kultur.

      »Ich freue mich schon darauf, endlich mal wieder mit meinen Boot rauszufahren«, stellte Lorenzo sehnsüchtig fest. »Den ganzen Sommer waren nur meine Freunde damit unterwegs.«

      Ich wandte mich lächelnd zu

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