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später saß er neben ihm auf dem Mäuerchen und streckte ihm mit beiden Händen äußerst vorsichtig ein Tablett mit randvoll gefüllten Schnapsgläsern entgegen. „Hier, Fredi, trink mal diesen selbst aufgesetzten Rhabarberschnaps. Den hat der Schlömer Karl-Heinz in sein Gartenhäuschen gebrannt. Der nennt sich ‚Saffelener Höllentropfen‘. Der gibt richtig Tinte auf der Füller, wenn du weißt, was ich damit andeuten will.“ Borowka lachte dreckig und hielt ihm das Tablett unter die Nase. Der aufsteigende Geruch war so scharf, dass Fredi für einen kurzen Moment befürchtete, blind zu werden.

      „Baah, nee, hau ab mit das Zeugs“, schob Fredi das Tablett angewidert zur Seite, „da habe ich bei Spargel einen von getrunken, als der sein bestandener Idiotentest gefeiert hat. Danach war ich zwei Tage krank.“

      „Mann oder Memme?“, polterte Borowka und kippte wie zur Bestätigung seiner eigenen Männlichkeit ein Glas auf ex runter. „Meine Fresse“, stieß er anschließend heiser hustend hervor, „das ist echt ein edles Tröpfchen.“

      „Wo ist Rita überhaupt? Die habe ich noch gar nicht gesehen“, fragte Fredi.

      „Hör mich bloß auf. Der ganze Nachmittag hängt Martina schon bei uns rum und ist sich am aus am heulen. Wenn die sich beruhigt hat, wollen die nachkommen.“

      Fredi sah entsetzt auf. „Wer jetzt? Martina will hier hinkommen? Aber die fand der Juppi doch immer doof.“

      Borowka schien an dem Höllentropfen Gefallen gefunden zu haben. Jedenfalls trank er noch einen zweiten, bevor er antwortete: „Was weiß ich denn? Rita meint, die bringt die mit, für dass die mal auf andere Gedanken kommt. Ist doch scheißegal. Wen interessiert denn schon Martina? Das Wichtigste ist, dass wir es heute richtig krachen lassen.“

      Fredi atmete tief durch. Genau, dachte er, er würde sich seine gute Laune nicht schon wieder verderben lassen. Entschlossen nahm er unter dem bewundernden Blick von Borowka in jede Hand ein Schnapsglas und schüttete sich die beiden schnell hintereinander runter. Nachdem er rückwärts auf den Rasen gekippt war, blickte er beseelt in den klaren Abendhimmel.

      Es ging doch nichts über die richtigen Betäubungsmittel.

      7

      Der Wohnwagen wurde nur schwach durch eine von der Decke baumelnde kleine Lampe beleuchtet. Der mit Papieren und Ordnern überladene Schreibtisch, hinter dem Francesco Baldini saß, schien eine minimale Schräglage zu haben, was wahrscheinlich dem unebenen Boden der Hastenrathschen Weide geschuldet war. Neben Baldini hatte einer der Arbeiter, Jakub, Stellung bezogen. Der Pole hielt eine halbautomatische Beretta in der Hand und betrachtete mit finsterem Blick die beiden Besucher, die vor wenigen Minuten das schmucklose Büro des Wanderzirkusses betreten hatten. Die zwei Männer waren unmittelbar neben der Eingangstür stehen geblieben und schauten sich nun gelangweilt im Raum um. Sie sahen sich unglaublich ähnlich, fast wie Zwillinge. Marcello und Matteo, die berüchtigten Bertolini-Brüder, waren aus Sittard, einer grenznahen holländischen Kleinstadt, gekommen. Dort gastierten sie gerade mit dem Zirkus Montebello. Die beiden waren herausragende Trapezartisten, aber auch geschult im Kunstreiten und Messerwerfen, wie es bei kleinen Zirkussen oft üblich war. Diese Fertigkeiten und natürlich ihre Revolver, die lässig aus dem Hosenbund herausschauten, machten sie zu gefährlichen

      Gegnern. Dessen war sich Baldini bewusst, als er langsam den Blick hob, mit dem er sich zuvor noch in seine Unterlagen vertieft hatte. „Was kann ich für euch tun?“, fragte er höflich, aber wachsam.

      Matteo grinste schief. „Du weißt genau, weswegen wir hier sind. Du hast etwas, das uns gehört, und wir würden es jetzt gerne mitnehmen.“

      Baldini erhob sich und öffnete eine Schublade. Sofort zogen die Bertolinis ihre Waffen und richteten sie auf ihn. Doch der holte nur eine Zigarre hervor, die er sich in aller Ruhe von Jakub anzünden ließ. Die Bertolinis entspannten sich ein wenig und ließen die Revolver sinken. Ihr durchdringender Blick jedoch wurde nur umso entschlossener.

      Baldini paffte zweimal kurz an der Zigarre und sagte bedächtig: „Ich weiß nicht, wovon ihr redet.“

      Matteo machte einen Schritt auf ihn zu und funkelte ihn aus dunklen, sizilianischen Augen an. „Mach keinen Fehler, du lächerlicher Clown. Sonst werde ich hier mit deinem Gehirn die Wände tapezieren. Wir werden jetzt gleich Fatima mitnehmen und alle sind zufrieden.“

      Baldini versuchte, die Ruhe zu bewahren, doch er bemerkte, wie seine Stirn feucht wurde. „Hör zu, die Sache ist nicht so einfach. Fatima ist meine einzige Nichte und …“

      „Oh doch“, Matteos Stimme donnerte durch den kleinen Wohnwagen, „die Sache ist ganz einfach. Fatima wird ab sofort für uns tanzen. Sonst …“

      In diesem Augenblick öffnete sich die Tür und Fatima trat ein. „Was ist denn hier los Onkel Frances…“ Ihre Stimme erstarb, als sie in die Mündung von Marcellos Revolver sah.

      Mit einem schnellen Handgriff packte dieser die Tänzerin und hielt ihr die Waffe an den Kopf. Sie wand sich unter seinem festen Griff, konnte sich aber nicht befreien. Baldinis Herz krampfte sich zusammen und, ohne nachzudenken, sprang er mit einem gewaltigen Satz über den Tisch, um sich auf Matteo zu werfen. Der war zu überrascht, um seine Waffe hochzureißen und schlug hart mit dem Rücken auf dem Boden auf. Marcello zielte mit ausgestrecktem Arm auf den heranstürmenden Jakub, doch noch ehe er abdrücken konnte, hatte Fatima ihren Kopf befreit und ihm mit aller Kraft in die Hand gebissen. Marcello schrie schmerzerfüllt auf und ließ die Pistole fallen. Fatima riss sich los und versteckte sich mit einer eleganten Bodenrolle unter dem Schreibtisch. Von dort aus beobachtete sie voller Entsetzen, wie Matteos Faust ihren Onkel Francesco knapp über dem Auge traf. Bevor er jedoch ein zweites Mal zuschlagen konnte, wurde er von Jakub hochgerissen, der ihm mehrere Schläge in den Magen verpasste. Dank seiner Körperbeherrschung konnte Matteo sich jedoch schnell befreien und den Polen von sich schubsen.

      Als in derselben Sekunde in den umliegenden Wohnwagen die Lichter angingen und Stimmengewirr einsetzte, entschlossen sich die beiden Brüder zum schnellen Rückzug. An der Tür angekommen, schrie Matteo voller Hass: „Pezzo di merda! Wir kommen wieder. Verlass dich drauf. Das wirst du bitter bereuen, Stronzo!“ Dann verschwanden sie in der Nacht.

      Jakub half seinem leicht benommenen Chef noch auf die Beine, bevor er nach draußen lief, um sich zu vergewissern, dass die Bertolinis auch wirklich verschwunden waren. Fatima kroch zitternd aus ihrem Versteck und schloss ihren Onkel in die Arme. Jetzt, nachdem sich der erste Schock gelegt hatte, musste sie hemmungslos weinen. Baldini ignorierte den pochenden Schmerz hinter seinem linken Auge und besann sich wieder auf seine Hauptaufgabe als Familienoberhaupt. Sanft streichelte er Fatima mit seiner großen Hand über den Kopf: „Ganz ruhig, meine Kleine. Es ist alles wieder gut.“

      Die zierliche Tänzerin schluchzte so laut, dass man ihre Worte kaum verstehen konnte. „Bitte, Onkel Francesco, lass nicht zu, dass das schon wieder passiert.“

      „Natürlich nicht. Ich pass auf dich auf. Das verspreche ich dir“, flüsterte er und hielt sie fest umschlungen. Doch seine Augen verrieten weit weniger Zuversicht als seine Worte.

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