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dafür sorgte, dass die Scheidungsquote nicht noch weiter hochgeschnellt ist. Jedenfalls solange die Kinder noch klein waren. Also vielleicht sind wir nun etwas spröder, kommen aber endlich zu uns. Ich bin da einer Meinung mit der amerikanischen Talkmasterin Oprah Winfrey: „Ich habe mit vielen Frauen gesprochen, die die Wechseljahre als ein Ende sehen. Ich habe jedoch festgestellt, dass es ein Moment ist, um sich selbst neu zu entdecken, nachdem man sich jahrelang nur um andere gekümmert hat. Es ist die Chance, herauszufinden, was für einen selbst wichtig ist, und dies mit deiner Energie, deiner Zeit und deinem Talent zu verfolgen.“

      Man könnte auch sagen: Testosteron – endlich einmal ein biochemischer Kampfstoff in den richtigen Händen! Und gleich in so vielen. In Deutschland sind heute mehr als acht Millionen Frauen zwischen 45 und 55 Jahre alt. Weltweit befinden sich 500 Millionen Frauen im besten Menopausenalter und bis 2025 werden wir mehr als eine Milliarde sein. Das sind die schlechten Nachrichten für Udo Jürgens. Gute für uns: Wir haben jetzt einen Schnurrbart und wir werden ihn auch benutzen!

      Time-Table

      Wann geht’s los? Ehrlich: Schon ab etwa Mitte 30 können Vorboten den Wechsel ankündigen. Die Zyklen werden schon Jahre vor der letzten Periode (Menopause) unregelmäßiger – kürzer oder auch länger. Manchmal bleibt die Regel schon mal einige Monate aus und die Blutungen können schwach oder auch so stark sein, dass man praktisch tagelang kurz vor einer Ohnmacht steht. Die letzte Blutung haben wir dann etwa zwischen dem 50. und dem 52. Lebensjahr. Das ist der Durchschnitt. Dazwischen ist alles drin: Frauen, die ihre letzte Periode schon mit 45 haben, oder auch solche, die noch bis Ende 50 nicht vom Haken sind. Die hormonelle Umstellung bis dahin nennt man „Prämenopause“. Die Zeit, in der sich der Körper nun endgültig auf die neue Hormonlage einstellt, „Postmenopause“. Addiert man beide Phasen zusammen, hat man die „Wechseljahre“, wissenschaftlich „Klimakterium“.

      2 Ballaststoffe

      Beschäftigt man sich mit der Wechseljahrliteratur, dann müssten wir so lange „Hurra!“ oder „Juchhe!“ schreien, bis sich die Nachbarn beschweren. Überall werden wir aufgefordert, uns ein Loch in den Bauch zu freuen, bloß weil wir „endlich“ über 40 oder 50 oder 60 sind. Klar, an sich ist es schon mal schön, überhaupt älter werden zu dürfen. Ein unglaublich großes Glück, das wahrlich nicht allen vergönnt ist. Schaut man sich so um (und in den Spiegel) und hat gerade keines dieser fiesen Stimmungstiefs, die einem die Wechseljahre bisweilen auch bescheren, können vermutlich 99 Prozent von uns sagen: Ja, gar nicht so übel – mein Leben und ich. Meine Familie. Mein Job. Meine Kinder. Sogar ziemlich super. Wenn man es recht bedenkt. Sollte es hier und da etwas zu korrigieren geben, wäre man ja außerdem noch fit genug, das ein oder andere zu ändern. Auch darüber muss man sehr froh sein.

      Einerseits. Andererseits ist das Leben in der Mitte nun auch wieder nicht so dufte, wie dauernd behauptet wird. Nicht so jedenfalls, als hätte man einen dicken Joint geraucht, noch ein paar Stimmungsaufheller eingeworfen und ein Date mit George Clooney im Kalender stehen. Das Älterwerden, das muss auch gesagt werden, hat ein paar echt üble Begleiter. Das hier soll wahrlich keine Anleitung zu „Depressionen leicht gemacht“ sein. Aber ich dachte, es wäre erstens nicht ehrlich und zweitens nicht fair, die dunklen Seiten dieser Lebensphase auszusparen. Das braucht man den meisten gar nicht erst zu sagen. Jede von uns steckt sowieso schon gerade mit einem oder mit beiden Beinen drin – in einem alterstypischen Schlamassel. Dann will man auch mal traurig sein dürfen und nicht dauernd gesagt bekommen, dass diese Heimsuchung, die man gerade erlebt und für die man Gott am liebsten eine knallen würde, in Wahrheit nur eine echt tolle „Herausforderung“ ist, die man mit Freude annehmen soll. Nein, man muss unbedingt auch mal aus Leibeskräften „ScheißeScheißeScheiße!“ brüllen dürfen, anstatt sich immer anhören zu müssen „Alles wird gut!“. Einfach, weil eben nicht alles gut wird.

      Ein Unglück kommt selten allein

      In der Mitte des Lebens häufen sich ja die Hiobsbotschaften: Man erlebt im Bekanntenkreis oder in der Familie oder selbst die ersten schweren Krankheiten. Der Mann einer Kollegin hat Prostatakrebs, den er vermutlich nicht überleben wird. Eine Freundin hat wegen einer besonders aggressiven Brustkrebserkrankung ein ganzes Jahr Chemo und Bestrahlung hinter sich. Die nächste, elfengleich schmal, hat aus Gründen, die bislang kein Arzt eruieren konnte, den Bluthochdruck eines stark übergewichtigen Rauchers mit Alkoholproblemen. Und dann Helga, die gerade wieder einen üblen Multiple-Sklerose-Schub hatte und seitdem im Rollstuhl sitzt.

      So langsam bekommt man eine Ahnung davon, wie unfassbar böse das Schicksal sein kann und wie schnell es mit einem Leben, in dem bislang die größte Sorge darin bestand, ob man zu dick sei, zu Ende gehen kann.

      Dazu müssen wir uns jetzt nicht nur mit der eigenen Hinfälligkeit auseinandersetzen, sondern auch und vor allem mit der unserer Eltern. Da hat das Leben ein wirklich mieses Timing: wenn die Mutter plötzlich eine aussichtslose Krebsdiagnose erhält. Wenn sich die ersten Anzeichen einer Demenz zeigen oder wenn einfach ein Oberschenkelhalsbruch die Lebenskoordinaten nicht nur der Eltern komplett durcheinanderbringt. Es ist hart zu erleben, wie einstmals unangefochtene Autoritäten nun hilfsbedürftig werden – obwohl sie selbst das meist entschieden anders sehen. Ausgerechnet jetzt, wo man endlich durchatmen und einmal nur an sich denken könnte, sollen wir schon wieder Verantwortung übernehmen. Bisweilen für Menschen, zu denen man lieber auf Abstand geblieben wäre.

      So wie Marianne. „Meine Mutter und ich hatten immer ein schwieriges Verhältnis. Sie ist unglaublich ichbezogen. Immer nur mit den eigenen Problemen beschäftigt. Als mein Vater noch lebte, war das okay. Er hat sie mit Freuden auf Händen getragen und ihren Narzissmus bedient. Seit er vor zwei Jahren gestorben ist, erwartet meine Mutter nun von mir, dass ich das übernehme. Dass ich rund um die Uhr nur für sie zur Verfügung stehe. Für all die Banalitäten, die sie so umtreiben und die selbstverständlich immer vor allem anderen kommen. Ich hatte letztes Jahr eine schwere Zeit im Job und wusste eine Weile nicht, ob ich meine Stelle behalten würde. Hat sie nicht interessiert. Ich weiß nicht, was ich tun würde, wenn sie ein echter Pflegefall würde. Die Vorstellung, sie zu mir zu nehmen, ist der Horror. Aber ich könnte es auch nicht übers Herz bringen, sie in ein Pflegeheim zu geben. Ehrlich, ich hoffe, dass meine Mutter eines Tages einfach tot umfällt.“

      Eltern allein zu Haus

      Lutz, ein Nachbar, erzählt, wie sein Vater ihm ganz andere Probleme macht: „Er kapselt sich ab, seit meine Mutter gestorben ist. Hockt den ganzen Tag vor dem Fernseher, trinkt Bier und raucht. Manchmal finde ich ihn sturzbetrunken in seiner total eingesauten Wohnung. Ausgerechnet dieser früher so wahnsinnig korrekte Mann, der ausgerastet ist, wenn er heimkam und es war nicht alles tipptopp ordentlich. Ich kann kaum arbeiten, weil ich mir solche Sorgen mache, dass er irgendwo eine Zigarette fallen lässt und in seiner Bude verbrennt. Am liebsten würde ich ihn in einem Seniorenwohnheim unterbringen. Aber er flippt total aus, wenn ich ihn darauf anspreche.“

      Jeder hat nun sein eigenes Eltern-Päckchen zu tragen. Da ist der 86-jährige Vater eines Kollegen, der meist ziemlich durcheinander ist und trotzdem immer noch mit seinem Wagen über die Autobahn 100 Kilometer weit zu einem alten Schulfreund fährt. „Er will partout nicht seinen Führerschein abgeben. Ich würde ihn am liebsten entmündigen lassen. Am besten noch bevor er ein paar Unschuldige unter die Erde gebracht hat“, sagt sein Sohn und tut es natürlich doch nicht. Wir haben schließlich Respekt vor unseren Eltern und dann doch wieder nicht. Einfach weil sie sich manchmal bockig wie ein Dreijähriger benehmen. Was Christine erzählt, ist typisch: „Die Küche meiner Mutter ist voller verschimmelter Lebensmittel. Alles ist klebrig, staubig. Sie sieht einfach nicht mehr so gut und es fällt ihr zunehmend schwer, alles in Ordnung zu halten. Aber sie will auf keinen Fall, dass ich in ihrem Haushalt mithelfe. Sie sagt: ‚Noch bin ich kein Pflegefall!‘ “ Es ist auch dieser ganz normale schleichende Abschied, der einen als sehr teilnehmenden Beobachter fertigmacht. Wenn man merkt, dass den Eltern der Haushalt über die ergrauten Köpfe wächst, wenn sie plötzlich nicht mehr wissen, was sie eben gesagt haben, wenn sie misstrauisch werden oder aggressiv oder ängstlich. Wenn sie nur noch vor dem Fernseher hocken. Wenn sie ihre ganze Rente auf Kaffeefahrten in nutzlose und überteuerte Dinge stecken.

      Obwohl sicher immer mehr Männer ihre Eltern versorgen, gehört „Elternkümmern“ hauptsächlich

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