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die in der Mitte des ersten Jahrzehnts zur Jahrtausendwende (Millennium) ihren Höhepunkt erreicht hatte. Von neueren neurowissenschaftlichen Forschungsergebnissen ausgehend, entstand der Anspruch, das Gehirn als alleinige „omnipotente“ Erklärungsebene zur Lösung des Leib-Seele-Problems (Gehirn-Geist-Problem) in Anspruch zu nehmen sowie darüber hinaus Gesundheit und Krankheit auf Hirnprozesse zu reduzieren, was jedoch nicht gelang. Um diese Ansprüche und ihr Scheitern verständlich zu machen, beziehe ich mich auf eine hervorragend gelungene Analyse der Physikerin und Philosophin Frau Brigitte Falkenburg, die historisch, methodologisch und wissenschaftstheoretisch, von den naturwissenschaftlichen Grundlagen der Physik ausgehend, sowie mit Einbezug der Befunde der Hirnforschung, diesen Anspruch und deren Möglichkeiten zurückweist.

      Am Ende dieses gehe ich noch auf eine Konzeption von Thomas Nagel ein, der einen Ausblick gibt, wie eine zukünftige wissenschaftliche Perspektive aussehen könnte (sollte), die zum einen durch den Befunden der letzten ca. 300 Jahren naturwissenschaftlicher Forschung geschuldet und zum andern aufgrund der nicht vorhandenen kausalen Geschlossenheit der (materiellen) Natur (vgl. Falkenburg) gegeben sei.

      Daran anschließend werden mehrere Ansätze, Konzeptionen und deren Befunde vorgestellt, die einerseits einen Beitrag zur Lösung des Leib-Seele-Problems anbieten und andererseits ein ganzheitliches Verständnis von Gesundheit und Krankheit begründen. Diese basieren zum einen auf das erweiterte biopsychosoziale Modell, inclusive der Konzeption von Spinoza und zum anderen auf den Erkenntnissen der Psychoneuroimmunologie und der Psychokardiologie. Auch das in der medizinischen Literatur stets dominante Konzept Stress (HPA Achse) ist hier einzubeziehen, das jedoch wenig in der Praxis zur Anwendung kommt. Darüber hinaus wird das Zusammenwirken von biologischen, psychologischen und (öko-)sozialen Faktoren am Beispiel der Diagnose und Behandlung von Depressionen aufgezeigt. Seltener wird die Bedeutung von Bindungsmustern für die Entstehung von psychischen Störungen (Erkrankungen) thematisiert. Daher habe ich dieses Thema mit aufgenommen und in weiteren Abschnitt mit aufgenommen. Über den Ansatz von Hell hinaus gehend, der die Relevanz von Bindungsmustern ebenfalls thematisiert, gehe ich kurz auf weitere psychotherapeutische Behandlungsansätze zu deren Möglichkeiten einer Veränderung ein. Weiterhin war es für mich bedeutsam die psychotherapeutischen Wirkungen auf das Gehirn zu zeigen und zu belegen.

      Sodann gehe ich zum einen auf die Überbewertung des Materiellen in der Psychiatrie (Brunner) ein und stelle zum anderen eine psychiatrische Perspektive vor, die den Begriff der psychischen Krankheiten eingrenzt. Weiterhin wird für das in der Medizin dominante Konzept Genetik eine neue, kritische bzw. erweiterte Perspektive angeboten.

      Die Begrenzungen naturwissenschaftlicher Forschung (vgl. Nagel, Falkenburg, Finzer) könnte durch eine systemtheoretische Perspektive überwunden werden. Die Variabilität und der Verlauf von Erkrankungen (Finzer) beispielsweise könnten somit wissenschaftlich untersucht werden. Das Konzept der Emergenz gewinnt in diesem Zusammenhang wieder an Bedeutung.

      Um einen praktischen Bezug und einen meiner Bezugspunkte für die Ausarbeitungen in diesem Manuskript herzustellen, gehe ich im Folgenden auf das Thema Gesundheit und Krankheit in der beruflichen Rehabilitation ein. Dabei gehe ich auf ein auf Selbsteinschätzung basierendes standardisiertes Verfahren (AVEM) ein, dass Teilnehmern einer Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben (LTA) regelmäßig zu Beginn vorgelegt wird. Es erfasst überfachliche Kompetenzbereiche, die für die erfolgreiche Aufnahme und Ausübung einer beruflichen Tätigkeit von Bedeutung sind und macht zudem eine Aussage zu den möglichen gesundheitlichen Auswirkungen.

      Danach gehe ich auf die Zunahme von „psychischen Erkrankungen“ am Arbeitsplatz ein.

      Um eine inflationäre Verwendung des Begriffs „psychische Erkrankung“ einzugrenzen, wird auf die Ausführungen des Psychiaters und Direktors der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Charité Berlin, Andreas Heinz, Bezug genommen, der ein Buch zu diesem Thema veröffentlicht hat.

      Daran anschließend entnehme ich der Philosophie des Leibes und Technikphilosophie von Gernot Böhme - Aussagen zum „mündigen Patienten“.

      Abschließend resümiere ich meine Arbeit und ziehe eine Gesamtschlussfolgerung.

      Ein Abbildverzeichnis sowie die Liste weiterführender Literatur runden das Thema ab und geben Gelegenheit sich weiter, eingehender und tiefer mit angesprochenen Themen zu befassen.

      1. Die Begrenzung auf den Körper in der Medizin

      Erfahrbar wird diese Begrenzung vor allem beim Aufsuchen eines Arztes. In den Arztpraxen werden die Ursachen von Erkrankungen auf der körperlichen Ebene liegend gesehen. Der Arzt filtert, aus einem in der Regel sehr kurzen Gespräch, die für eine Diagnosestellung relevanten Informationen heraus, verdichtet diese, und stellt eine Diagnose. Ergänzend erfolgen ggf. Laboruntersuchungen und Bildaufnahmen, wie MRT, CT oder Sonographie. Ist die Diagnose einigermaßen gesichert, werden in der Regel Medikamente, z.T. auch manuelle Therapien oder falls erforderlich Operationen veranlasst, d.h. Diagnostik und Therapie verbleiben in der Regel auf der körperlichen Ebene.

      Da in den Praxen in der Regel Medikamente verschrieben werden, soll darauf aufmerksam gemacht werden, dass diese Nebenwirkungen haben können und je gravierender eine Erkrankung ist, die Liste möglicher Nebenwirkungen zum einen ansteigt und zum anderen drastischer sein dürften. Bereits bei freiverkäuflichen Schmerzmitteln können sehr gravierende Nebenwirkungen auftreten. Deshalb sollten diese nicht öfter als 5x pro Monat eingenommen werden (Gottschling 2017).

      Die Diagnostik und Therapie sollte im Sinne des erweiterten bio-psycho-ökosozialen Verständnisses von Gesundheit und Krankheit (vgl. Egger 2015), stets und gleichzeitig auf diesen Systemebenen erfolgen, da dadurch vielfältigere Möglichkeiten vorhanden sind, Krankheiten zu behandeln und Gesundheit wiederherzustellen bzw. zu erhalten. Diese Systemebenen sind in wechselseitiger Kausalität (Brunner 2017) miteinander verbunden, d.h. Interventionen auf der biologischen, der mentalen, der sozialen Ebene und den Lebensverhältnissen wirken sich jeweils auf die anderen Systemebenen und auf das Gehirn aus.

      Insbesondere Schmerz ist ein bio-psycho-soziales Phänomen, das in der Medizin in dieser Form bereits in den 60-ziger Jahren durch Gorge Engel (vgl. Engel et al. 2011) bekannt gemacht wurde, jedoch in der täglichen Praxis höchst selten zur Anwendung gelangt. Stattdessen werden in biomedizinisch orientierten Behandlungseinrichtungen hochpotente Opioide verschrieben.

      Infolge der Nichtintegration dieser Systemebenen werden mangels vorhandener Konzepte, bereits zu einem frühen Zeitpunkt, im Sinne einer Ausschlussdiagnostik, drastische Erkrankungen (z.B. Alzheimer oder Krebs) angenommen, welche entsprechende diagnostische Abklärungen und dadurch entstehende Kosten zur Folge haben, die jedoch i. d. Regel nicht bestätigt werden. Präventive Untersuchungen, z.B. Mammographie, PSA Tests (z.B. Cochrane.de), sind wegen der Möglichkeit häufiger falsch positiver Diagnosen fragwürdig.

      Literatur:

      Brunner, Jürgen (2017): Psychotherapie und Neurobiologie. – Neurowissenschaftliche Erkenntnisse für die psychotherapeutische Praxis.

      Egger, Josef W. (2015): Integrative Verhaltenstherapie und psychotherapeutische Medizin. - Ein biopsychosoziales Modell.

      Engel, George L., Adler, Rolf H. & Grögler, Andreas (2011): Schmerz umfassend verstehen: Der biopsychosoziale Ansatz zeigt den Weg.

      Gottschling, S. (2017): Schmerz Los werden. - Warum so viele Menschen unnötig leiden und was wirklich hilft.

      1.1 Fallbeispiel

      Ich hatte gesundheitliche Beschwerden, die insbesondere beim Mountainbike fahren auftraten, jedoch zunächst unspezifisch und undeutlich waren.

      Ich testete über mehrere Monate viele verschiedene Hypothesen, die nach jeweiliger Erprobung die Beschwerden nicht schlüssig erklärten. Schließlich fand ich eine Erklärung, die sich, wie sich später herausstellte, als zutreffend erweisen sollte. Es handelte sich bei den Beschwerden um die Symptome einer Angina pectoris und zwar in der belastungsabhängigen Form. Auch ein Ödem in den Sprunggelenken, dass seinerzeit medikamentös bedingt aufgetreten war und sich nach Absetzen des Medikaments nicht vollständig zurückbildet hatte, war ein Grund, eine Herzuntersuchung anzustreben, da Ärzte annehmen, dass dies auch durch eine Herzinsuffizienz (ggf. auch Niere)

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