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war schlicht nicht zu halten: Den größten Teil seiner eigenen Truppen hatte er nach Hause geschickt, und die Heere seiner Hauptverbündeten – Frankreich, England, Venedig – waren weit entfernt. Der Herzog von Bourbon dagegen ließ nun seine schwerfällige Belagerungsartillerie zurück und stieß mit seinen Männern nach Süden vor, wobei er auf römischen Straßen ein atemberaubendes Marschtempo von dreißig Kilometern am Tag erreichte.66 Im Morgengrauen des 6. Mai unternahm das kaiserliche Heer, verstärkt durch Freiwillige, die sich fette Beute erhofften, einen Überraschungsangriff auf Rom. Zum großen Unglück der Stadtbevölkerung wurde der Herzog von Bourbon gleich zu Beginn des Sturmangriffs tödlich verwundet, und kein anderer verfügte über die nötige Autorität, seine siegreichen Truppen zu disziplinieren. Zehn Tage dauerte die Plünderung an, die als Sacco di Roma traurige Berühmtheit erlangen sollte. Bis zu 8000 Römer ließen ihr Leben. Die von Karls Truppen verübten Gräueltaten waren, wie ein Augenzeuge berichtete, »so zahlreich, dass es gar nicht genug Papier und Tinte – oder Erinnerungsvermögen – gibt, um sie alle festzuhalten«. Tatsächlich sollte »das Ausmaß der Zerstörung bedeuten, dass Rom zu unseren Lebzeiten, ja auf zweihundert Jahre, nicht wieder Rom sein wird!«67 Clemens und einige Kardinäle konnten sich in die Engelsburg retten, mussten nach einem Monat jedoch aufgeben, da keine Hoffnung auf Entsatz mehr blieb, und wurden von den kaiserlichen Truppen gefangen genommen. In der Zwischenzeit waren die Verwandten des Medici-Papstes aus Florenz geflohen und ihre Gegner hatten in der Stadt am Arno abermals die Republik ausgerufen.

      Zum zweiten Mal hatten der Herzog von Bourbon und sein Heer »den Kaiser zum absoluten Herrscher über Italien gemacht«, und Lope de Soria jubelte: »Ganz offenbar hält Gott selbst die Sache Eurer Majestät in Seinen Händen, wo Er sie doch auf solch wunderbare Weise geleitet und befördert hat«, sodass alle »Fürsten der Christenheit nun wissen, dass Er sie durch die Hand Eurer Majestät bestrafen will«. Auch Ferdinand beglückwünschte seinen Bruder zu der »guten Nachricht von der Einnahme Roms« und äußerte die Hoffnung, dass Karl den Papst – »da er sich ja gerade in Eurer Hand befindet oder zumindest in einer Situation, in der Ihr mit ihm tun und lassen könnt, was Euch beliebt« – nicht wieder freigeben werde, »bevor nicht die allgemeinen Angelegenheiten der Christenheit geregelt sind«.68

      Über seine nächsten Schritte musste der Kaiser ohne den Beistand Gattinaras entscheiden. Der Kanzler war verärgert darüber, dass man seinen Rat zur weiteren Verhandlungsführung mit dem französischen König nicht beherzigt hatte, weshalb er den kaiserlichen Hof verließ und nach Italien reiste, um sich dort um seine eigenen Angelegenheiten zu kümmern. In seiner Abwesenheit rief Karl die auswärtigen Botschafter selbst zusammen, um ihnen persönlich darzulegen, was in Rom geschehen war. Wie ein englischer Diplomat spöttisch bemerkte, brachte er »seine Ausflucht vor und beteuerte – wobei er immer wieder die Hand an die Brust legte –, dass jene Dinge nicht nur ohne jeglichen Befehl von seiner Seite geschehen waren, sondern sogar entgegen seinem ausdrücklichen Willen und dass sie ihm tiefsten Verdruss und Kummer bereitet hatten«.69 Die Botschafter glaubten dem Kaiser kein Wort – und damit hatten sie ganz recht. Schon als am 31. Mai 1527 die ersten Gerüchte von der blutigen Eroberung Roms und der Flucht des Papstes den Kaiserhof erreichten, meldete der Florentiner Botschafter, dass jene Nachrichten, »anstatt beim Kaiser Gottesfurcht und Mitgefühl zu erregen, am Hof vielmehr eine übergroße Freude ausgelöst haben, ja es herrscht hier ein solches Unmaß an Begeisterung, dass er [Karl] ganz entgegen seinem üblichen Verhalten so viel lachte und scherzte, während er mit seinem Gefolge sprach, dass er kaum die Zeit zum Essen fand«. Der Botschafter hegte den Verdacht, dass »Seine kaiserliche Majestät bereits begonnen hat, sich selbst als einen absoluten Herrscher zu betrachten, dessen Entscheidung jedermann hinnehmen muss«.70 Eine Woche später, am 7. Juni, sollte Karl diese Befürchtungen selbst bestätigen. Da er von Bourbons Tod noch nicht wusste, schrieb er dem Herzog einen Brief, der erkennen lässt, dass die Einnahme der Stadt und die Gefangensetzung des Papstes Teil eines umfassenderen Planes waren, in dessen Details der Kaiser Bourbon schon früher eingeweiht hatte. Da nun, wie er behauptete, »ein guter Friede das ist, was ich am meisten ersehne«,

      »hoffe ich sehr, dass Ihr Euch nicht täuschen lasst, sondern vielmehr feste Garantien dafür beibringt, dass der besagte Friede auch gehalten wird; und dass Ihr zudem, wenn es sich auf sichere Weise bewerkstelligen lässt, dafür Sorge tragt, dass der Papst hierher kommt, um alle Vorkehrungen für einen allgemeinen Friedensschluss zu treffen … [denn] wie Ihr wohl wisst, könnte dies vielfältige Auswirkungen haben, die der Sache Gottes und der ganzen Christenheit sowie der Beförderung meiner eigenen Interessen günstig wären – und den Euren ebenfalls.«

      Mit anderen Worten hatte Karl seinen Stellvertreter bereits instruiert, den Papst nicht nur gefangen zu nehmen, sondern als Gefangenen nach Spanien zu verbringen, wo er gezwungen werden sollte, einem für Karl günstigen Friedensabkommen zuzustimmen – genau so, wie der Kaiser es zwei Jahre zuvor mit dem französischen König getan hatte. In seinem Brief an Bourbon fuhr Karl fort: »Ich weiß freilich nicht mit Sicherheit, was Ihr mit dem Papst getan haben werdet, nachdem Ihr erst einmal in Rom eingezogen seid« – ein weiterer Hinweis darauf, dass er dem Herzog schon früher Anweisungen in dieser Sache gegeben hatte –, »aber wie ich ja bereits in meinen letzten Briefen an Euch geschrieben habe: Die Hauptsache ist, dass Ihr mit dem Papst zu einem guten Frieden oder einer anderen Vereinbarung kommt und dann versucht, mit meinem Heer auf venezianisches Gebiet vorzudringen, um sie [die Venezianer] dazu zu zwingen, den Sold zu zahlen und ebenfalls ein Abkommen zu schließen.«71

      Nachdem er von Bourbons Tod und der Gefangennahme des Papstes durch die kaiserlichen Truppen erfahren hatte, gab Karl Lannoy die Vollmacht, selbst über Krieg und Frieden zu bestimmen, »wie es Euch für unsere Reputation am ratsamsten erscheint; denn wir vertrauen Euch voll und ganz«. Einem anderen Vertrauten, dem Diplomaten Philibert de Veyré, teilte der Kaiser mit, da »es Gott gefallen hat, uns diesen Sieg in Rom zu schenken«, und weil »die Ergreifung des Papstes mir tatsächlich ein Werk Gottes zu sein scheint, mit Seiner gnädigen Erlaubnis vollbracht, auf dass der Weg zu einem guten Frieden für die Christenheit eröffnet und geebnet werde, zu ihrem Heil und ihrer Beruhigung«, sei die Zeit nun reif, um »ein Konzil [einzuberufen] zu einer Reformation der Kirche, die ja von allen Seiten ersehnt und so dringend benötigt wird, aber auch, um die Irrlehre Luthers und seiner Anhänger auszumerzen«. Veyré müsse daher nach Rom reisen und den gefangenen Papst zu größeren Zugeständnissen überreden, dieweil Lannoy den diplomatischen und militärischen Druck aufrechterhielt.72

      Schach dem Kaiser

      »Die Dinge hierzulande stehen nun ganz anders, als Eure Majestät zur Zeit meiner Abreise glauben mochte«, ließ Veyré kläglich verlauten, nachdem er im September 1527 in Italien eingetroffen war. Tatsächlich standen sie »so schlimm, dass sie schlimmer nicht sein könnten«: Die meuternden Truppen in Rom (darunter viele deutsche Lutheraner) drohten, den Papst zu töten oder zu entführen; in der Lombardei war eine frische französische Expeditionsarmee unter dem Befehl des erfahrenen Heerführers Odet de Foix, Seigneur de Lautrec, eingetroffen; und der plötzliche Tod Lannoys hatte ein neues Machtvakuum aufgerissen. »Um des Himmels willen, Sire, erwägt doch einen Frieden mit den Franzosen, ganz gleich zu welchen Bedingungen«, flehte Veyré. Und nachdem er sich schon einmal vorsorglich dafür entschuldigt hatte, »sollte ich Euer Majestät in Verzweiflung gestürzt haben«, wiederholte er seinen dringenden Ratschlag: »Ich flehe Euch an, Herr: Schließt Frieden mit Frankreich, denn das wäre weniger schändlich und außerdem hättet Ihr die Freiheit gewonnen, Euch an all jenen zu rächen (vous vengier), die Euch [in Italien] schaden wollen«.73

      Aber es war zu spät: Seine Demütigung hatte Clemens’ VII. internationale Sympathie und Unterstützung eingetragen. Im August 1527 unterzeichnete Heinrich VIII. ein Bündnis mit Franz I., in dem er dem zweiten Sohn des französischen Königs seine Tochter Mary zur Frau versprach und zudem sein Versprechen wiederholte, so lange Druck auf den Kaiser auszuüben, bis dieser die französischen Prinzen gegen Zahlung eines Lösegeldes freigäbe. Außerdem versprach Heinrich, allen Aufrufen zu einem allgemeinen Konzil entgegenzutreten, solange der Papst in Gefangenschaft war, sowie Truppen und Subsidien zur Verstärkung der französischen Kräfte in Italien bereitzustellen – wohl weil er hoffte, auf diese Weise Clemens’ Einwilligung in die geplante

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