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dass ich mächtiger werde als sie«. Dann fuhr er fort: »Alle Vorgehensweisen haben Nachteile, und manche sind schlicht unmöglich; jedoch wollte ich meine Ansichten einmal vertraulich niederschreiben.« Dazu gehörte auch diese bemerkenswerte Selbstanalyse:

      »Da die Zeit verfliegt und wir alle sterben müssen, will ich nicht von dieser Welt scheiden, ohne etwas Denkwürdiges zu hinterlassen. Wer heute Zeit vergeudet, bekommt sie morgen nicht wieder, und bislang habe ich nichts vollbracht, was mir zur Ehre gereichte … Nichts soll mich davon abhalten, etwas Bedeutendes zu vollbringen.«51

      Dabei plane er allerdings »auf keinen Fall, irgendein Risiko einzugehen – zumindest nicht ohne einen sehr guten Grund«. Franz sollte ihm jenen »sehr guten Grund« schon bald liefern. Der französische König erklärte hochmütig, er wolle dem Kaiser nicht nur das Herzogtum Mailand, sondern auch das Königreich Neapel entreißen, und entsandte ein mächtiges Expeditionsheer nach Unteritalien. Diese Teilung seiner Armee sollte das militärische Kräfteverhältnis in der Lombardei entscheidend verschieben: Bereits Ende Januar 1525 schien es einem englischen Gesandten im Gefolge des Herzogs von Bourbon, dass das kaiserliche Heer nun »in einer aussichtsreichen Position [sei], etwas Wirkungsvolles gegen ihre Feinde zu unternehmen«, weshalb »man hier stündlich mit dem Beginn der Schlacht rechnet«.52 In Rom bekannte der wichtigste Ratgeber des Papstes am 19. Februar, dass »Seine Heiligkeit sich Tag und Nacht besorgt zeigt« über die »Gefahren, die ein Krieg mit sich bringt«, und fürchte, dass »wegen der geringen Entfernung zwischen den beiden Heerlagern« Franz »womöglich alles riskieren und sein Glück in der Schlacht suchen wird«. Eine Woche später warnte Karls Botschafter seinen Herrn, dass »sich alles hier [in Rom] in einem so ungewissen und bedenklichen Zustand befindet«, dass »Euer Majestät sich darauf gefasst machen muss, eine Niederlage zu akzeptieren, wie Ihr es bei einem Sieg tun würdet«. Er konnte ja nicht ahnen, dass eine Schlacht, die gerade 500 Kilometer weiter nördlich geschlagen worden war, die gesamte militärische und strategische Lage von Grund auf verändert hatte.53

      Obwohl Karl sich bemühte, alle verfügbaren Ressourcen in die Lombardei weiterzuleiten, war die Versorgung seiner dortigen Truppen alles andere als gesichert. »Die Verteidiger von Pavia wollten nicht länger leiden, und das ganze Heer stand kurz vor dem Verhungern. Die Spanier wurden langsam unverschämt, und die Deutschen fingen an, zu desertieren.« Deshalb trafen die kaiserlichen Heerführer die folgenreiche Entscheidung, mit allen Kräften einen Entsatzangriff gegen die französischen Belagerer zu unternehmen, obwohl diese weit in der Überzahl waren. »Wir sahen uns gezwungen, das kleinere Übel zu wählen«, erklärte Lannoy seinem Herrn kurz vor dem Angriff, »und beschlossen daher, uns ganz und gar unserem Gott, unserem Glück sowie dem Wagemut und der Courage unseres Heeres anzuvertrauen«, selbst wenn dadurch »einiges Risiko drohte. In drei oder vier Tagen wird entweder das Heer mit der Garnison von Pavia vereinigt sein oder ich werde tot sein. Ich hoffe jedoch, zu leben und zu siegen.«54 Am 24. Februar, dem Geburtstag des Kaisers, nutzen Karls Heerführer den Schutz der Dunkelheit, um spanische Scharfschützen in die französischen Belagerungswerke einzuschleusen, die den Überraschungsangriff im Morgengrauen unterstützen sollten.

      Franz hatte gerüchteweise gehört, dass seine Feinde in Bewegung seien, nahm jedoch an, es handele sich um einen Rückzug. Vielleicht stachelte ihn ja die Aussicht an, endlich den verhassten Herzog von Bourbon gefangen zu nehmen – jedenfalls befahl Franz seinen Leuten unklugerweise, die schützende Deckung ihrer Befestigungsanlagen zu verlassen und sich ihm und seiner schweren Reiterei, die er persönlich befehligte, zu einer Reihe von Attacken anzuschließen. Zunächst schienen die Ritter zu triumphieren, doch dann eröffneten die spanischen Scharfschützen aus ihren Verstecken heraus das Feuer und mähten die Franzosen der Reihe nach nieder. Dann unternahm die Garnison von Pavia einen Ausfall, durch den Franz von seiner Truppe abgeschnitten wurde. Eine Zeit lang hielt der König sich wacker und tötete sogar noch einige Angreifer, doch als sein Pferd tödlich getroffen wurde, »fiel er zu Boden. Einige Deutsche wollten ihn töten, aber der König rief in Todesangst aus, sie sollten ihn nicht töten, denn er sei der König von Frankreich.« Zwei Gefolgsleute Bourbons – Männer, die Franz erst kürzlich zu Verrätern erklärt hatte – trafen den König »im bloßen Hemd« an und konnten ihn überzeugen, sich zu ergeben. »Alles, was mir nun noch bleibt«, schrieb Franz an jenem Abend voller Sorge, »sind meine Ehre und mein Leben«55 (Abb. 14).

      Ein englischer Diplomat, der dabei gewesen war, bezeichnete Pavia als »den größten Triumph, den man seit vielen Jahren gesehen hat«, aber das war noch untertrieben: Seit der Schlacht von Agincourt im Jahr 1415 waren nicht mehr so viele französische Adlige an einem einzigen Tag gefallen. Unter den Gefangenen befand sich nicht nur Franz, sondern auch der König von Navarra, der den Krieg vier Jahre zuvor mit herbeigeführt hatte, dazu viele weitere Würdenträger. Wie der venezianische Botschafter in Rom mitteilte, »zitterte der Papst vor Angst und sagte, dass er selbst und die Signoria nun schnellstens mit dem Kaiser übereinkommen müssten«.56 Lope de Soria, ein altgedienter Diplomat, der aus Genua berichtete, pflichtete dem bei:

      »Lasst uns Gott ewig preisen und ihm ohne Ende danken, ihm und dem glorreichen Sankt Matthias, da Gott uns an seinem Festtag nicht nur die Geburt Seiner kaiserlichen Hoheit beschert, sondern uns an demselben Tag auch diesen wunderbaren Sieg gewährt hat, der Eurer Majestät größere Machtvollkommenheit gebracht hat, um die Angelegenheit der Christenheit ins Reine zu bringen und Recht und Gesetz für die ganze Welt niederzulegen (poner ley).«57

      Das europäische Machtgefüge hatte sich entscheidend verschoben: Nicht mehr Franz, sondern Karl war nun der mächtigste Herrscher der christlichen Welt – und zugleich der am meisten gefürchtete.

      7Ein ungenutzter Sieg (1525–1528)

      Wehe den Besiegten!

      »Gegen Mittag« des 10. März 1525 kam »ein Bote aus Italien, der durch Frankreich gereist war«, atemlos im Alcázar von Madrid an, wo Karl sich gerade aufhielt, »krank und missvergnügt, von seinen Pflichten schwer bedrückt«. Der Bote

      »wurde vor Seine Majestät gebracht, die sich gerade mit zweien oder dreien ihrer Ratgeber über die Lage in Italien unterhielt. Da sagte der Bote dem Kaiser: ›Sire, vor Pavia ist es zur Schlacht gekommen. Der König von Frankreich ist als Gefangener in Eurer Majestät Gewalt und sein gesamtes Heer wurde vernichtend geschlagen.‹ Kaum hatte [Karl] diese wenigen Worte gehört, da stand er wie versteinert und wiederholte: ›Der König von Frankreich ist mein Gefangener und wir haben die Schlacht gewonnen?‹ Dann zog er sich, ohne auch nur ein weiteres Wort zu sagen oder mehr erfahren zu wollen, allein in ein anderes Gemach zurück und fiel vor einem Bild der heiligen Jungfrau auf die Knie, das er am Kopfende seines Bettes aufbewahrte.«

      Karl »verbrachte eine gute halbe Stunde derart zurückgezogen, lobte und pries Gott«, bevor er wieder zurückkam, um von dem Boten einen Brief entgegenzunehmen, den ihm Charles de Lannoy, der siegreiche Anführer der kaiserlichen Truppen, geschrieben hatte.1 Lannoy hatte Karl und vor ihm bereits Maximilian lange und treu gedient; deshalb konnte er es sich erlauben, in seinem Brief auch eine ernste Mahnung auszusprechen: »Sire, Ihr werdet Euch bestimmt noch an das erinnern, was Monsieur de Beersel [der Obersthofmeister aus Karls Kindertagen] zu sagen pflegte: dass nämlich Gott jedem Menschen einmal im Leben eine gute Ernte beschert (en leur vie ung bon aoust) und dass man, fährt man diese Ernte nicht rechtzeitig ein, Gefahr läuft, nie wieder solche Frucht zu sehen. Ich schreibe Euch dies nicht«, fuhr Lannoy fort, »weil ich glaube, dass Euer Majestät die Gelegenheit verstreichen ließe«, sondern vielmehr »weil Ihr, ganz egal, wie Ihr Euch entscheidet, nun rasch handeln müsst«.2

      Die Nachricht von dem Sieg verbreitete sich wie ein Lauffeuer, und die auswärtigen Botschafter strömten in das Schloss, wo der Kaiser sie huldvoll empfing, einen nach dem anderen, so lange, bis schließlich die Nacht hereinbrach. (Eine Ausnahme stellte der venezianische Botschafter Contarini dar: Da die Republik Venedig mittlerweile mit Frankreich verbündet war, bestrafte Karl den Botschafter für diesen Treuebruch, indem er ihn nicht seine Hand küssen ließ.) Die Anwesenden nahmen mit Bewunderung zur Kenntnis, dass »man an Seiner Majestät keinerlei Veränderung feststellen konnte, weder in seiner Miene noch

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