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gut wie möglich zu unterstützen. Im Fokus steht also eine Medizin, die die »Gleichrangigkeit von ärztlichem Heilungsauftrag und ärztlichem Auftrag zur Hilfe im Sterben« ernst nimmt.32 Ziel ist nicht mehr Lebenserhalt oder Lebensverlängerung. Ziel ist nicht mehr der Kampf gegen den »Todfeind Tod«. Ziel ist vielmehr die Ermöglichung eines friedlichen, eines »guten« Sterbens – so weit das nur irgendwie möglich ist. Und dazu gehört, die Autonomie eines Patienten und seine Selbstbestimmung auch bezüglich seiner Vorstellungen und Wünsche eines »guten« Sterbens absolut zu respektieren.

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      Die Medikalisierung des Sterbens und die Fortschritte der Medizin brachten es mit sich, dass sich im Verlauf eines Sterbeprozesses immer häufiger komplexe Entscheidungssituationen ergaben und dass die Entscheidungsbefugnis faktisch weitgehend in die Hände der Ärzteschaft geriet. Ihr gestand man kraft ihres medizinischen Wissensvorsprungs weithin unhinterfragt zu, darüber zu bestimmen, was im Kampf gegen den Tod medizinisch gemacht werden sollte und wie lange der Kampf fortzusetzen sei. Aus dem unspektakulären, selbstverständlichen Sterben war ein medizinisch kontrolliertes und dominiertes Sterben unter der Oberaufsicht von Ärzten geworden.33

      Die Angst vor medizinischer Übertherapie und die Einforderung des Rechts auf den eigenen Tod

      Diese Situation war durchaus ambivalent: Auf der einen Seite entlastete sie die betroffenen Patientinnen und ihre Angehörigen von medizinisch-fachlich wie existenziell schwierigen Entscheidungen über Leben und Tod. Die Verantwortung konnte nach diesem Modell des ärztlichen Paternalismus an die Experten abgegeben werden. Auf der anderen Seite war damit eine Entmündigung der Betroffenen verbunden; sie sahen sich mitunter ohnmächtig der Eigendynamik einer medizinischen Logik ausgeliefert, die davon ausging, dass im Kampf gegen den Tod alle zur Verfügung stehenden therapeutischen Mittel eingesetzt werden soll ten, denn: Das Leben als höchstes ethisches Gut rechtfertigte zu seinem Schutz einen solchen Einsatz moralisch nicht nur, sondern es verlangte ihn geradezu. Daniel Callahan sieht darin die »moralische Logik des medizinischen Fortschritts«.34 Nach seiner Einschätzung sind »die Forderung nach Kontrolle und die Ablehnung eines Todes, wie er sich ereignet, wenn wir ihn unmanipuliert geschehen lassen, nicht nur stark, sie sind für viele eine Leidenschaft geworden. Das einzige Übel, das größer scheint als der persönliche Tod, wird zunehmend der Verlust der Kontrolle über diesen Tod.«35 Und dank der beeindruckenden Fortschritte in der jüngsten Vergangenheit stehen der Medizin inzwischen sehr viele Instrumente zur Verfügung, um eine solche Kontrolle über den Tod wahrzunehmen beziehungsweise seine Bekämpfung zwecks entsprechender Lebensverlängerung erfolgreich durchzuführen. Darum stellt sich die Medizin, wie die Schweizerische Akademie der Medizinischen Wissenschaften selbstkritisch festhält, in der Regel spontan auf die Seite des Lebens und versucht den Tod zu verhindern.36

      Als Kehrseite dieser Medaille hat sich allerdings in weiten Kreisen eine diffuse Befürchtung ausgebreitet: Wenn man heutzutage mit einer potenziell tödlich verlaufenden Krankheit in die Hände der Medizin gerate, werde man immer weiter therapiert, und als Patient lasse man einen, auch wenn man dies möchte, gar nicht mehr sterben. »Früher war die Situation oft mit Ängsten verbunden, dass am Lebensende zu wenig gemacht wird; heute ist es wohl eher das Gegenteil. Es werden unnötige Leistungen befürchtet.«37 Und solche Befürchtungen sind keineswegs nur aus der Luft gegriffen. Der Lausanner Palliativmediziner Gian Domenico Borasio spricht von einer »allgegenwärtigen Übertherapie« am Ende des Lebens.38 Und der Synthesebericht des Nationalen Forschungsprogramms NFP 67 »Lebensende« weist darauf hin, dass Spitäler grundsätzlich darauf ausgerichtet sind, Patientinnen diagnostisch abzuklären und in kurativer (nicht palliativer!) Absicht zu therapieren. Zudem hält der Bericht fest, dass »ein exklusiver Fokus auf körperliche Störungen und auf deren Abklärung und Behandlung die Wahrscheinlichkeit der Überbehandlung erhöht«.39 Eine solche Überbehandlung gereicht nicht zum Wohl der Patienten, sondern steht vielmehr deren »berechtigtem Interesse (entgegen), am Sterben durch übermäßige Medizin nicht gehindert zu werden«.40

      Der wohl häufigsten Situation der Überbehandlung begegnen wir bei fortgeschrittenen Krebserkrankungen. Dem Patienten wird eine weitere Chemotherapie empfohlen, obwohl sein Lebensende absehbar ist. Statistisch kann bestenfalls eine Verlängerung seines Lebens um einige Wochen erwartet werden, die Lebensqualität in diesen Wochen bleibt aber tief und wird unter Umständen noch zusätzlich beeinträchtigt durch die Nebenwirkungen der Therapie. Auch im Endstadium einer schweren Herz- oder Lungenkrankheit kann eine Behandlung auf der Intensivstation zwar den Tod hinauszögern, für die Betroffenen und die Angehörigen wird dadurch aber die Zeit des bewussten Abschiednehmens weitgehend der Abhängigkeit von Medizintechnik geopfert.

      Im Gegenzug zu der Tendenz eines extensiven Kampfes gegen den Tod entwickelte sich international in vielfältigen Gesellschaftsfeldern die Forderung nach dem »Recht auf den eigenen Tod« oder nach einem »selbstbestimmten Sterben«. Auf dem Hintergrund von sich durchsetzenden Autonomieansprüchen ging es grundsätzlich darum, dass jede Person selbst über Zeitpunkt und Art ihres Sterbens entscheiden können sollte.41 Faktisch fokussierte das hinter diesem Ruf stehende Anliegen aber hauptsächlich auf den assistierten Suizid,42 nicht jedoch auf andere Formen selbstbestimmten Sterbens.

      Ein breiter und fundamentaler Gegenakzent dazu ergab sich erst durch das Aufkommen der Palliative-Care-Bewegung und durch die neuere medizinethische Diskussion um die Bedeutung der Patientenautonomie und das Prinzip der informierten Zustimmung, des sog. »Informed Consent«, von Patienten als Grundvoraussetzung für die moralische Legitimität und juristische Legalität medizinischer Interventionen. In diesem Kontext ist das Einfordern eines »Rechts auf einen eigenen Tod« und der Ruf nach »selbstbestimmtem Sterben« eine wichtige Herausforderung an die Medizin, ihr Handeln und ihr Selbstverständnis kritisch zu reflektieren.

      Medizinische Lebensende-Entscheidungen

      Eine selbstkritische Sensibilität ist unter anderem deswegen geboten, weil sich als Folge der rasanten medizinischen Fortschritte der letzten Jahrzehnte rund um den potenziellen Sterbeprozess immer mehr Situationen ergeben, die die Akteure vor grundsätzliche Entscheidungen stellen. Die Rede ist von Lebensende-Entscheidungen – »medical end-of-life decisions«.43 Krankheiten, an denen man früher starb, sind durch neue Therapie möglichkeiten entweder heilbar geworden oder man kann sie inzwischen so weit in den Griff bekommen, dass man an ihnen nicht mehr einfach stirbt, sondern man kann mit verschiedenen Krankheiten weiterleben (Multimorbidität). Angesichts dieser Vielfalt an Interventionsmöglichkeiten stellt sich immer wieder die Frage: Soll man in fortgeschrittenem Alter bei einer potenziell tödlich verlaufenden Erkrankung durch lebensverlängernde therapeutische Maßnahmen intervenieren? Oder soll man dem Sterben seinen Lauf lassen und den Sterbeprozess einfach durch die breite Palette palliativer, also lindernder Maßnahmen unterstützen? Und wenn lebensverlängernde Maßnahmen erfolgen sollen, welche sollen gewählt werden? Welches Risiko, mit etwaigen daraus resultierenden körperlichen Schädigungen und biopsychosozialen Beeinträchtigungen weiterzuleben, ist eine Patientin bereit einzugehen? Dies sind in vielen Fällen nicht einfach rein fachlichmedizinische Fragen. Es sind Fragen danach, welche Behandlungsziele sich eine Patientin setzt oder welche Maßnahmen ein Patient präferiert beziehungsweise welche er allenfalls ablehnt. »Das Lebensende gilt heute als nicht nur therapeutisch behandelbare, sondern als individuell und sozial gestaltbare und dabei verhandelbare Sache.«44 Angesichts der Vielzahl heutiger Interventionsmöglichkeiten sprechen der Soziologe Reimer Gronemeyer und der Theologe Andreas Heller von einem »Multioptionsdilemma«, das sich in heutigen Sterbeprozessen stellt.45

      Ein typisches Multioptionsdilemma besteht zum Beispiel bei Patientinnen und Patienten mit einer Demenz erkrankung im frühen Stadium. Leidet die Patientin an einer ernsthaften Erkrankung der Herzkranzgefäße, bestehen zwei Möglichkeiten. Durch einen Eingriff an den Herzkranzgefäßen, durch das Einlegen eines sogenannten Stents zur Offenhaltung der Durchblutung des Herzmuskels, kann ein Herzinfarkt und damit ein plötzlicher Herztod verhindert werden. Das bedeutet aber auch, dass die Patientin mit großer Wahrscheinlichkeit das Fortschreiten der Demenz bis ins Endstadium erleben wird und vielleicht

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