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sich ein Auto zu kaufen, genau wie es eine Entscheidung war, hier eine Autobahn zu bauen oder dort eine Schnellstraße. Und dort keinen Bus fahren zu lassen, keinen Radweg zu planen, keine Eisenbahnschienen verlegen zu lassen. All das sind Entscheidungen, die irgendwann gefallen sind. Das Schöne an solchen Entscheidungen ist: Man kann sie, wenn man will, auch rückgängig machen. Sie sind nicht unveränderlich.

      Doch wir Menschen haben eine Tendenz: wenn etwas lange funktioniert hat, einfach genau so weiterzumachen. Gut ist das nicht, aber leicht zu erklären – es ist schließlich bequem.

      So heißt die Standardformel, die man auch abgeleitet als „Das weiß man doch“ kennt. In der Politik gibt es dazu noch das „TINA-Prinzip“. TINA stammt aus der Zeit, als Margaret Thatcher Premierministerin von Großbritannien war. Ist lange her, das war von 1979 bis 1990, aber das TINA-Prinzip hat sich leider seitdem gehalten. TINA ist eine Abkürzung für den von ihr oft verwendeten Satz: There is no alternative – es gibt keine Alternative. Im Kern heißt das, dass es nur eine Lösung gibt, dass die Politik nur noch unser System verwaltet, alles ist mehr oder weniger vorherbestimmt. Oft wurde der Satz auch gebraucht, um zu große soziale oder ökologische Verbesserungen abzuwehren. Im Kern bedeutet er aber auch: Wir können die Welt nicht verändern.

      Das waren noch einmal „Die Ärzte“. Wenn das tatsächlich so wäre, wenn man nichts verändern könnte, wäre das für die Demokratie natürlich fürchterlich. Denn das hieße ja, dass man die Demokratie nicht braucht, dass man nicht darüber streiten kann und muss, wie sich eine Gesellschaft entwickeln soll. Und was man dafür tun kann. Das ist giftig, antipolitisch und stellt uns Menschen als bloße Herde dar, die von wenigen anderen, die es angeblich aus irgendwelchen Gründen besser wissen, regiert werden müssen. Die einfach über uns bestimmen.

      Dass man die Welt verändern kann, ist keine neumodische Erfindung. Durch alle Jahrhunderte gab es Menschen, die sich gegen Unrecht aufgelehnt haben. Schaut mal im Internet nach den üblichen Verdächtigen: Spartacus, der die Sklaven im alten Rom bei ihrem Aufstand anführte, Thomas Müntzer, Bauernführer in der Reformationszeit, Georg Büchner, Schriftsteller im 19. Jahrhundert. Und wenn ihr euch dafür interessiert: Es finden sich noch unzählige Weitere, die mehr oder weniger bekannt sind.

      Dabei ist eines wichtig: Der deutsche Philosoph Immanuel Kant hat 1784 einen Satz des römischen Dichters Horaz übersetzt. „Sapere aude“ hieß der, und Kant übertrug ihn so:

      Kant läutete damit die Aufklärung ein, das Zeitalter, in dem man begann, wieder mehr auf die Kraft der Vernunft zu setzen. Mit Vernunft wollte man damals Vorurteile überwinden und Bildung, Bürgerrechte oder allgemeine Menschenrechte durchsetzen.

      Ein bisschen Philosophie kann nicht schaden - auch wenn es sich vielleicht etwas schwierig liest.

      Immanuel Kant (1724-1804) war einer der wichtigsten deutschen Philosophen der Neuzeit. Aus seinem Aufsatz „Was ist Aufklärung“ vom Dezember 1784 stammt die Übersetzung des „Sapere aude“. Hier der Textzusammenhang: „Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Selbst verschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht am Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung und des Muthes liegt, sich seiner ohne Leitung eines anderen zu bedienen.“ „Sapere aude! – Habe Muth, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!“ ist also der Wahlspruch der Aufklärung.

      Und noch ein bisschen Philosophie: Der ökologische Imperativ

      Viele Philosophen haben sich mit Kant und dessen Ideen beschäftigt. Einer war Hans Jonas (1903-1993), der 1979 sein Buch „Das Prinzip Verantwortung“ veröffentlichte – ein immer noch hochaktuelles Werk. In ihm entwickelt er den ökologischen Imperativ: „Handle so, daß die Wirkungen deiner Handlung verträglich sind mit der Permanenz echten menschlichen Lebens auf Erden.“ Sprich: „Tu nichts, was das Leben der Menschen auf der Erde gefährdet.“

      Aber warum braucht man Mut, um seinen Verstand zu nutzen? Warum ist das eigene Denken ein Wagnis? Na ja, da kann dann einiges passieren: weil man vielleicht erkennt, dass das, was man bisher gemacht hat, nicht so richtig toll ist. Oder man sieht, dass Menschen, die man respektiert und liebt, einem etwas beigebracht haben, was nicht wirklich gut ist. Weil vielleicht das eigene Weltbild erschüttert wird. Weil sich herausstellt, dass es Alternativen gibt, weil man merkt, dass der Satz „Das haben wir schon immer so gemacht“ keine gute Richtschnur fürs Handeln ist.

      Weil man schließlich nicht unbedingt anders denkt als vorher, sich aber vielleicht irgendwann dazu entschließt, anders zu handeln. Statt also das zu tun, was bequem ist, das zu tun, was richtig ist. Sich engagieren, etwas ins Rollen bringen.

      Durch Nachdenken überprüft man also sein eigenes Verhalten und erkennt vielleicht, dass man etwas ändern muss. Was nicht immer einfach ist. Denn was soll man machen, wenn man zwar weiß, dass Autofahren schlecht ist, es aber regnet und es zwei Kilometer bis zum Sportplatz oder Reitverein sind? Die berühmte Ausnahme zulassen und sich fahren lassen? Oder sich doch aufs Rad setzen? Das wäre einfacher, wüsste man bloß nicht über die Klimakrise Bescheid. Wenn man zum Beispiel die Folgen einer Handlung nicht voraussehen kann. Man ist dann unschuldiger und kann sich bequem fahren lassen oder ohne nachzudenken in den Urlaub fliegen.

      Der amerikanische Schriftsteller Jonathan Safran Foer zitiert in seinem Buch „Wir sind das Klima“ eine Rede des damaligen Präsidenten Franklin D. Roosevelt während des Zweiten Weltkriegs: Der sagte, dass man, um die Truppen, die in Europa für die Freiheit der Welt kämpften, zu unterstützen, auf vieles verzichten müsse. Nicht nur auf Luxus, sondern auch auf viele kleinere Annehmlichkeiten. Doch das sei kein „Opfer“:

      Die Regierung erhöhte radikal die Steuern, die Preise für Fahrräder, Schuhe, Feuerholz und anderes wurden staatlich festgelegt, Benzin wurde streng reguliert und die Höchstgeschwindigkeit auf 35 Meilen (56 Stundenkilometer auch auf Autobahnen) festgelegt, um Treibstoff und Gummi zu sparen. All das funktionierte, weil man sich einig in der Erreichung eines großen Ziels war.

      Wir sind zwar nicht der Meinung, dass man, wenn man sich gegen den Klimawandel engagiert, nie, nie, nie, nie mehr fliegen, Auto fahren oder Plastiktüten benutzen darf. Wir möchten Leuten nichts verbieten oder ihnen ihr Handeln vorschreiben – es geht darum, die Konsequenzen abzuwägen. Zu verstehen, ob sich das Wochenende auf Mallorca lohnt, wenn man dafür Massen an CO² ausstößt. Vielleicht fliegt man ein erstes Mal und auch ein zweites Mal, vielleicht lernt man dann aber etwas. Wir hätten gern, dass sich die Kosten für die Umweltschäden beispielsweise im Preis eines Flugtickets niederschlagen – also vielleicht mit 180 Euro je Tonne CO², wie Fridays for Future fordert. Das würde den Hin- und Rückflug von Berlin nach Palma de Mallorca um 128 Euro verteuern. Und vielleicht würden viele Menschen dann nicht mehr so gedankenlos durch die Gegend fliegen.

      Die Gedankenlosigkeit ist vielleicht ein Grund, warum viele Menschen den Klimawandel oder Umweltfragen oder andere politische Probleme nicht ernst genug nehmen.

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