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      © 2020 Bernhard Nessler

      Umschlag, Buchgestaltung: Antoine Matuttis

      Verlag und Druck: tredition GmbH, Halenreie 40-44, 22359 Hamburg

ISBN
Paperback:978-3-347-03057-2
e-Book:978-3-347-03058-9

      Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

      BERNHARD NESSLER

      ***

      KINDHEITSERINNERUNGEN

      AUS MEERSBURG

      Am Rande der Geschichte

      Dr. phil. Bernhard Nessler,

      geb. 1932 in Meersburg

      Studium der Philosophie, Germanistik und

      Romanistik, Lehrtätigkeit an Gymnasien in

      Deutschland und Frankreich, sowie in der

      Lehrerfortbildung in Ungarn.

      Freier Autor, Veröffentlichungen zur

      Philosophie und Lyrik, Übersetzungen aus

      dem Französischen, lebt in Freiburg i. Br..

      Inhalt

      A. TEXTE:

      1. Indischer Granit

      2. Die Kindheit in der Unterstadt

      I. Das Geburtshaus

      II. Das Unterstadtmilieu

      III. Unterstadtidentität

      IV. Der Verkauf des Elternhauses

      3. Karline Schlosser

      4. Rückkehr in die Unterstadt

      5. 1939 Jahr des Aufbruchs

      6. Die Kirchenrenovierung

      7. Das Seenachtsfest

      I. Das Fest

      II. Die politische Wirklichkeit

      8. Der Kriegsbeginn

      I. Einberufung des Vaters

      II. Besatzer in Polen

      9. Todesfall 22.Oktober 1941

      I. Der Unfall

      II. Aufarbeitung

      10. Freizeitepisode

      11. Wir haben ein Radio

      I. Die Installation

      II. Der Weltempfänger

      12. Ministrant sein

      I. Messdienst

      II. Ministrantenleben

      III. Sternsinger

      13. Die Bodenseeschule

      I. Schulalltag

      II. Das Verhältnis zu den Lehrern

      III. Außerschulische Aktivitäten

      IV. Der Schuldirektor

      14. Die Franzosen kommen

      I. Vorgeschichte

      II. Ängste

      III. Die Invasion

      IV. Die Besatzung

      15. Der Umsturz

      16. Die Entnazifizierung

      17. Der nationale Neuanfang

      18. Der Umsturz in Meersburg

      I. Neuanfang des politischen Lebens

      II. Die beiden Nachkriegsbürgermeister

      19. Der persönliche Umbruch

      20. Die Droste

      I. Schlossführung

      II. Nachruhm der Dichterin

      21. Erinnerung an den Tod der Mutter

      I. Die Todesnachricht

      II. Grabrede

      22. Erinnerungen auf dem Meersburger Friedhof

      I. Das Familiengrab

      II. Ehrengräber

      III. Friedhofsgeschichte

      23. Nachwort: Autobiographisches Sich-erinnern

      B. BILDTEIL

      1. Indischer Granit

      Der kreis zerspringt

      streckt sich zum balken

      aus stein

      wiegt sich

      auf ächzenden klängen

      an den bruchstellen

      dringen sie in die maserung ein

      durchtönen das schwere und

      bringen es in die schwebe

      2. Die Kindheit in der Unterstadt

       I. Das Geburtshaus

      Meine Eltern wohnten ursprünglich in Meersburg in der Unterstadt in der Spitalgasse. Sie hatten ein Haus direkt hinter dem Strandcafé. Es war nur wenige Schritte vom Schiffshafen, von der Seestraße und vom Seeufer entfernt. Es hatte drei Stockwerke. Im Erdgeschoss war der Kuhstall und daneben der Aufgang zum Wohnbereich. Aufgrund der Seenähe und der Höhe des Wasserspiegels gab es keinen Keller. Im 1. Stock befand sich unsere Wohnung. Sie bestand aus der Küche, dem Wohnzimmer und zwei Schlafzimmern. Meine Eltern, mein ältester Bruder Rudolf, meine Schwester Marianne, ich und auch noch mein jüngerer Bruder Siegfried wohnten bis 1936 also da. Im Stockwerk über uns war die Wohnung von Onkel Johann, dem Bruder meines Vaters mit seiner Familie.

      Ich bin in diesem Haus im 1.Stock, im Schlafzimmer der Eltern, am 20.Mai 1932 zur Welt gekommen. Wie ich später herausbekam, war es an einem Freitag in der Woche vor Pfingsten - eine Hausgeburt, wie es damals üblich war. Ich habe in den ersten Lebensjahren im Zimmer mit meinen Geschwistern geschlafen. Ich erinnere mich noch an meine Eisenbettstatt mit dem abklappbaren Seitenteil sowie an die in der Mitte durchgelegene Matratze auf einem wie ein Kettenhemd zusammengehäkelten Metallrost. Und ich erinnere mich an Krankheitstage in diesem Bett, die nicht enden wollten. In Fieberträumen taumelte ich durch Landschaften auf der Zimmertapete: aus dem violetten kleinblumigen Tapetenmuster krochen Hexen, schwebten zur Decke hin und zogen mich aus dem Bett. Klar vor Augen ist mir auch noch unsere Stube mit ihrer dunkelgrünen Tapete und dem Schreibtisch meines Vaters, den er als Güteraufseher des Markgrafen von Baden ja immer schon brauchte, etwa für die monatlichen Taglohnabrechnungen für die Rebarbeiter. Verstärkt durch die dunkelbraunen Möbel, herrschte in diesem Raum eine bedrückend düstere Stimmung. Aus der Gasse, auf die hinaus das Fenster ging, kam niemals Sonne ins Zimmer. Doch man konnte ja mit wenig Schritten zur Seestraße gehen und hatte dort je nach Wetter und Jahreszeit bald ruhig, bald stürmisch bewegt, die Weite des Sees vor Augen bis hinüber in die Schweiz und bis zu den Alpen.

      Besonders interessant war es für mich, als ich schon etwas älter war, an der Schiffslandestelle die Ankunft und die Abfahrt der Schiffe zu beobachten und zu schauen, ob man einen der Ankömmlinge kannte. Es gab schon die „Hohentwiel“ und die „Zähringen“, zwei dickbauchige, einstöckige Raddampfer, die mit ihren roten Schaufelrädern das Wasser aufwühlten und immer mit einer gewissen Schwerfälligkeit an der Hafenmauer anlegten. Als ich erstmals mit der Mutter nach Konstanz durfte, wo sie ihre größeren Einkäufe machte, war für mich die große Sensation auf dem Schiff die Dampfmaschine, die vom Innendeck aus im Bauch des Schiffes frei einsehbar war. Unermüdlich bewegten sich die beiden Kolbenstangen her und zurück und wieder her und zurück und bewegten

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