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insofern einen Eindruck, als dass es den 71-jährigen Peeters auch daran gemahnte, seine umfangreiche internationale Konzertätigkeit doch etwas zu reduzieren und sich in Zukunft auf Europa zu beschränken, was ihm nicht leicht fiel.27 Die letzten zehn Jahre seines Lebens waren begleitet von fortschreitender Osteoporose und heftigen Rückenschmerzen, was wohl auch auf seine lange und intensiv betriebene Organistenkarriere zurückzuführen ist. Die Haltung und Gewichtsverteilung beim Orgelspiel mit dem frei beweglichen Spiel der Beine beim Pedalspiel ist für den Rücken stets eine große Belastung. Folglich musste Flor Peeters seine Konzerttätigkeit ab Ende der 70er Jahre deutlich einschränken. Seine Auftritte beschränkten sich fortan auf kurze Orgelmatineen im Anschluss an das sonntägliche Hochamt in der Mechelner Kathedrale, die aber gleichwohl zahlreiche Zuhörer aus dem In- und Ausland anzogen. Sein letztes Konzert im Ausland spielte Flor Peeters am 28. Juli 1980 im Dom zu Graz (Österreich).28

      Besonderer Erwähnung bedarf die Tatsache, dass im Jahr 1967 das Flandern Festival unter tatkräftiger Mitwirkung von Flor Peeters gegründet wurde und er in diesem Rahmen viele Konzerte gab.

      Schon diese wenigen Episoden und Schlaglichter auf die außergewöhnliche Konzertlaufbahn von Flor Peeters mögen genügen, um eine Ahnung von seiner herausgehobenen Bedeutung als weltweit konzertierender Organist und Künstler zu erhalten.

      Die Basis seiner Virtuosität war ein tägliches Übe-Pensum von sechs Stunden, das nicht nur an der Orgel, sondern auch am Klavier mit Fingerübungen und Etüden, z. B. von Chopin und Czerny, absolviert wurde. Bei seinem Übe-Programm, wie auch in seinen sonstigen musikalischen Aktivitäten ging er absolut methodisch, geplant und reflektiert vor. So wurden z. B. neu einzustudierende Werke erst nur mit den Händen, dann nur die Pedalstimme, dann in verschiedenen Kombinationen und erst am Schluss zusammengespielt. Merkmale seines Orgelspiels waren eine hohe Phrasierungskunst, eine sehr gute Pedaltechnik, rhythmisch energisches Spiel, Detailgenauigkeit, Frische, Musizierfreude und Brillianz, hohes Klanggefühl und Registrierkunst. Oft konnte er sein Konzertprogramm auswendig darbieten, was noch heute bei Organisten eher die Ausnahme darstellt. Seine vollkommen souveräne und dabei entspannte Spieltechnik stellte er stets in den Dienst des jeweiligen Werkes und legte besonderen Wert auf eine geistig-intellektuelle wie auch emotionale Durchdringung der Komposition. Flor Peeters bot in seinen Konzerten die Literatur aller Epochen und Länder dar. Sein Repertoire war umfassend und kannte keine Beschränkungen. Seine intelligenten und reflektierten Programm-Zusammenstellungen beachteten stets die gegebenen Bezüge zum jeweiligen Raum und dessen Akustik, zum Publikum und zum jeweiligen Instrument. Gerne stellte er in seinen Programmen auch Verbindungen von Komponisten, Epochen oder musikalisch-thematische Bezüge her (z. B. Buxtehude-Bach-Mendelssohn, Franck-Tournemire-Peeters, alte norddeutsche Meister, alte niederländische Meister, Passacaglia etc.). Neben Werken von Johann Sebastian Bach und eigenen Kompositionen bildeten die Werke von César Franck, Charles Tournemire und altniederländische Meister einen gewissen Repertoire-Schwerpunkt. Seine Konzertprogramme enthielten aber auch Werke von Jan Pieterszoon Sweelinck, Dieterich Buxtehude, François Couperin, Louis-Nicolas Clérambault, Johann Pachelbel, Robert Schumann, Franz Liszt, Johannes Brahms, Josef Gabriel Rheinberger, Max Reger (Fantasie und Fuge über B-A-C-H), Sigfrid Karg-Elert, Charles-Marie Widor (Symphonien), Louis Vierne (Symphonien), Léon Boëllmann, Joseph Jongen, Marcel Dupré (viele belgische Erstaufführungen wie »Variations sur un Noël« 1927 und »Symphonie-Passion« 1929) und Messiaen. Im Alter konzentrierte sich Peeters vor allem auf die Wiedergabe der Werke Bachs, Francks und eigener Werke.

      Abschließend sei stellvertretend für viele andere Zeitzeugen Heinrich Lemacher zitiert, der in fast hymnischer Manier den Organisten Flor Peeters und seine Wirkung auf die Zuhörer beschreibt: »Und Flor Peeters an der Orgel! Wer Stunden seines faszinierenden Orgelspiels und nicht zuletzt seiner suggestiven Improvisationskunst miterlebt hat, wird sie als beglückendes und bewundernswertes Erlebnis in lebendiger Erinnerung behalten: Hier spricht durch ein überlegenes Können im Schöpferischen und Technischen der Überschwang und die Überlegenheit eines blutvollen und geistig disziplinierten Menschentums.«29

       Flor Peeters

      16 Vgl. Peeters, Schroyens, Allegro energico, S. 11.

      17 Vgl. ebd., S. 165.

      18 Hofmann, Flor Peeters, S. 52.

      19 Ebd.

      20 Vgl. Peeters, Schroyens, Allegro energico, S. 12.

      21 Vgl. Hofmann, Flor Peeters, S. 70–71.

      22 Peeters, Schroyens, Allegro energico, S. 250.

      23 Ebd., S. 280.

      24 Peeters, Schroyens, Allegro energico, S. 282.

      25 Ebd., S. 329.

      26 Ebd., S. 295, 297.

      27 Vgl. Peeters, Schroyens, Allegro energico, S. 411.

      28 Vgl. ebd., S. 432.

      29 Heinrich Lemacher, »Flor Peeters«, in: Musica Sacra 77, Nr. 5 (1957), S. 151.

       Charles Tournemire

      Unter allen Freundschaften, welche Flor Peeters zu anderen Musikerkollegen, wie z. B. Marcel Dupré (1886–1971) oder Hendrik Andriessen (1892–1981) pflegte, ragt doch in besonderer Weise die enge, auch geistige, Verbindung und Freundschaft zu Charles Tournemire (1870–1939) heraus. Beide waren zunächst in Brieffreundschaft verbunden gewesen, bevor sie sich dann 1935 erstmals in Paris begegneten. Sie besuchten sich oft und pflegten regen Austausch miteinander. Der letzte Brief, den Tournemire kurz vor seinem Tode schrieb, galt Flor Peeters. Die Freundschaft der beiden wird durch die gegenseitige Widmung von Stücken dokumentiert. Flor Peeters widmete »Toccata, fugue et hymne sur ›Ave Maris Stella‹« op. 28 Tournemire, während dieser wiederum Peeters seine Suite Nr. 24 zum Sonntag in der Oktav nach Christi Himmelfahrt aus seinem Zyklus »LʼOrgue Mystique« widmete (»sympathiquement à mon confrère distingue Flor Peeters«). Die Einweihung der Hausorgel im Studio von Flor Peeters 1938 mit einem gemeinsamen Konzert der beiden befreundeten Orgelvirtuosen kann man getrost als ein herausragendes Gipfeltreffen zweier Meister der Orgel bezeichnen. Die Disposition und Beschaffenheit dieser seiner Hausorgel der Firma Stevens geben durchaus Einblicke in die Peetersʼsche Ansicht zu Orgelbau und Orgelspiel. Die Freundschaft von Tournemire und Peeters gipfelte sicher in der Tatsache, dass der ehemalige Orgelspieltisch von Sainte-Clotilde in Paris, an dem César Franck lange gewirkt hatte, in den Privatbesitz von Flor Peeters überging. Beide Organisten verband eine große Verehrung für Franck. Als die Cavaillé-Coll-Orgel von Sainte-Clotilde 1933 vergrößert wurde, musste dieser Spieltisch weichen und gelangte zunächst in den Besitz des Titular-Organisten und Franck-Schülers Tournemire, welcher den Spieltisch dann nach seinem Tode 1939 an Flor Peeters testamentarisch weitervererbte. Seit 1946 war dieser Spieltisch dann tatsächlich im Besitz von Flor Peeters, der ihm einen ehrenvollen Platz in seinem Musikstudio sicherte. Dieser Umstand wurde in der Pariser Orgelwelt nicht gerade freudig aufgenommen. Heute steht dieser Cavaillé-Coll-Spieltisch im Museum Vleeshuis in Antwerpen.

       Cesar Frank

       Charles Tournemire und Flor Peeters

       Studio Adagio

       Spieltisch der Cavaillé-Coll Orgel von Sainte-Clotilde

      

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