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Fenstergittern und schmutzigen Fassaden.

      Die beiden Frauen steigen eine schmale, düstere Treppe hinauf und bleiben vor einem verschlossenen Eisengitter stehen. Eine kleine Terrasse mit zerbrochenen Kübeln und verwahrlosten Pflanzen, ist alles was Harriette sehen kann. Alles macht einen lieblosen Eindruck auf sie. Warum kümmern sich die Menschen hier so wenig um das, was sie unmittelbar umgibt?, fragt sie sich. Es ist ihr unverständlich.

      “Subhash! … Subhash! Öffne die Tür! Ich bin’s, Dotty!”, ruft Dorothy und kurz darauf erscheint Subhash, ein kleiner, untersetzter Inder in weiter Hose, die ihm fast bis zu den Achselhöhlen reicht. Gemächlich schlurfend nähert er sich dem Terrassengitter, schließt auf und bittet beide hinein. Harriette fällt seine sanfte Stimme auf - ein erster Pluspunkt. Der zweite folgt zugleich, denn er spricht Deutsch, und nicht irgendein gewöhnliches Deutsch, nein, fließendes ‘Schwizerdütsch’! Subhash führt die beiden in sein Wohnzimmer. Auf einer schäbigen Bank mit zerschlissenem Bezugsstoff nehmen sie Platz. Subhash muss ein belesener Mann sein, denn überall liegen Bücher herum: Bücher auf Regalen, auf Tischen und auf dem Boden.

      Subhash lässt Tee bringen. Zuckersüßen Tee mit Zimt und sogleich erzählt er Harriette, dass er seinen Bachelor in der Schweiz abgelegt und viele Jahre dort gelebt hat. Seine Eltern lebten damals in Mombasa und letztendlich kehrte er nach Kenia zurück, um sich um seine Eltern zu kümmern. Nach dem Tod seiner Eltern blieb er. Seine Kinder leben in England, über seine Frau schweigt er.

      Sie kommen zum Geschäftlichen. Subhash ist bereit, zwei Verträge vorzubereiten. Eine Kaufabsichtserklärung und den eigentlichen Kaufvertrag. Letzterer muss durch einen Notar beglaubigt werden. Er wisse schon, wer das machen könnte, ein Freund in Mombasa. Wichtig ist, dass die Kaufabsichtserklärung von Harriette unterzeichnet wird, bevor Harriette wieder nach Deutschland zurückfliegt. Er wird dafür sorgen, dass sie ihn morgen unterzeichnen kann. Morgen!

      “Kommen Sie morgen um 10:00 Uhr, okay?”, sagt Subhash. Danach will er sich um das Katasteramt kümmern. Sie verabreden, dass er den Kaufvertrag nach Deutschland schicken wird. Im Juli muss Harriette dann nach Kenia zurückkommen, um den Vertrag vor einem Notar zu unterzeichnen. Harriette ist einverstanden. Unterwegs zu ‘Dotty’s House’ warnt Dorothy:

      “Subhash ist ein Mann, der Sie stundenlang mit seinen Geschichten festnageln kann. Wenn Sie ihn zufällig in der Stadt treffen, dann rechnen Sie damit, dass Sie die kommenden dreißig Minuten in ein Gespräch verwickelt sind, dem Sie einfach nicht entkommen können. So lieb der Mann auch ist, er ist sehr eigensinnig und kauzig, und vor allem sehr weit ausholend mit allem was er sagt. Er kann kein Ende finden. Von Hinz zu Kunz und wieder zurück, das ist Subhash. Er kennt jeden hier in Malindi und er weiß alles. Das wiederum kann sehr hilfreich sein”.

      Sie erreichen Casuarina, den Ortsteil von Malindi, in dem sich ‘Dotty’s House’ befindet. Mosi, Dorothys Houseboy, öffnet das Tor. Achmed und sein Kumpel sind bereits weg. Dorothy lässt Tee und ein paar Sandwiches machen. Mosi schaut Harriette etwas verlegen an. Er scheint zu wissen, was sich hier tut. Dann beginnt Dorothy mit einem Thema, das ihr auf dem Herzen liegt:

      “Was mache ich mit Molly, Tom, Dick und Harry? Und ach ja – da ist auch noch Percy, die Katze. Wissen Sie, die Katze gehört mir gar nicht, aber eines Tages war sie da und blieb einfach. Ich habe sie gefüttert und nun gehört sie zum Inventar! Ich sagte Ihnen ja schon, dass ich meine Hündchen nicht mitnehmen kann”.

      “Mrs. Carmel, was mich betrifft, können alle einfach bleiben. Ich werde mich um sie kümmern. Wichtig für mich ist, dass wir die Übergabe von Haus und Hof gemeinsam gut regeln. Ich werde in Kürze wieder nach Deutschland fliegen, um dort meine Ausreise vorzubereiten. Wenn alles nach Plan verläuft, bin ich im Juli wieder in Malindi, dann fahren wir gemeinsam nach Mombasa, um den Vertrag zu unterzeichnen. Ich werde dann wieder nach Deutschland zurückkehren, meine Wohnung auflösen und den Umzug nach Kenia vorbereiten. Anfang Oktober werde ich dann hier sein. Bis dahin, so hoffe ich, werden Sie bleiben, um Haus und Hunde zu versorgen. Ist das für Sie akzeptabel?”. Dorothy schaut Harriette mit gütigen Augen an, sie lächelt und nimmt sie in ihre Arme.

      “Sie schickt der Himmel. Wie schön, dass die Hunde und Percy bleiben dürfen. Ich bin ganz sicher, dass sie es bei Ihnen gut haben werden. Ich werde mit einem ruhigen Gefühl das Land verlassen können. Das wird nicht leicht werden, ich habe sogar Angst vor diesem Abschied, aber ich kann nicht mehr hier bleiben, ich möchte zu meiner Tochter. Ich bin müde. Aber ich werde hierbleiben, bis Sie wieder hier sind. Oh, und noch etwas: ich habe drei Angestellte: Jengo, mein Gärtner, Furaha, das Hausmädchen, und Mosi, mein Koch. Jengo hat gerade eine Woche Urlaub, und Furaha ist krank, Mosi ist also heute ‘Mädchen für alles’. Ich habe die drei seit vielen Jahren und bin zufrieden mit ihnen. Furaha kann leider nicht gut bügeln, sie hat keine Ahnung, welche Temperatur für welches Material einzustellen ist. Aber ansonsten macht sie ihre Sache gut. Sie putzt das Haus. Jengo sorgt für Garten und Swimmingpool und hält ein wach-sames Auge auf den Wassertank”.

      Dorothy redet über ihre Angestellten genauso, so wie sie sie unterge-bracht hat, denkt Harriette irritiert, versucht sich aber weiter auf Dorothys Instruktionen zu konzentrieren. “Wenn der nur noch bis zu einem Viertel gefüllt ist, müssen Sie Wasser bestellen. Die kommen dann mit einem Tankwagen und liefern Wasser. Passen Sie auf, dass sie Ihnen nicht mehr in Rechnung stellen als mir! Ich werde Ihnen alle Quittungen geben. Mosi ist ein lausiger Koch, aber er gibt sich Mühe. Als er hier anfing, hatte er gar keine Ahnung und mittlerweile kann er doch schon so das ein oder andere kochen. Erwarten Sie keine ‘haute cuisine’! Es wäre schön, wenn sie alle bleiben dürften. Stellen Sie aber Ihre eigenen Regeln auf und besprechen Sie das ganz deutlich mit ihnen. Mosi wohnt weit weg von hier, deshalb übernachtet er hier und geht am Wochenende nach Hause; Jengo und Furha gehen jeden Abend um 17:00 Uhr nach Hause und kom-men morgens um 8:00. Mittags haben alle eine Stunde Pause. Sie können sich dann hinter der Küche ihr Essen kochen. Ich habe dort eine kleine Feuerstelle für sie. Von mir bekommen sie Ugali, Gemüse bringen sie selber mit. Sie wissen, was Ugali ist? Es ist Maismehl und es gibt keinen einzigen Kenianer, der kein Ugali ißt! So wie wir Brot essen, wird hier Ugali gegessen. Man nennt es auch Sima. Die drei dürfen morgens um 9:30 eine halbe Stunde Tee trinken. Den Tee stelle ich immer zur Verfügung”. Harriette spürt eine innere Irritation. Sicherlich meint sie es nicht so … aber sie redet über ihre Angestellten, als seien sie ihr Eigentum. Dieses koloniale Getue … .

      Dorothy zeigt Harriette einen Ordner mit den Zahlungen für ihre Angestellten. Nach europäischen Verhältnissen sind die Gehälter eine Bagatelle. Dorothy zeigt noch mehr Ordner, als ob die Hausübergabe an diesem Tag geschehen müsste: Wasserquittungen, monatliche Strom- und Telefonrechnungen etc.

      “Hier in Kenia bezahlt man auch für nichtgelieferten Strom!”, sagt sie, als sei das ganz normal. “Sporadisch kommt mal jemand zum Strom Ablesen, aber anhand der Rechnung ist nicht nachzuvollziehen, wie die Summe zustande kommt. Ich habe es im Laufe der Jahre aufgegeben. Sinnloses Unterfangen. Einfach bezahlen. Wenn Sie nicht bezahlen, wird der Strom innerhalb einer Woche nach Ablauf der Frist abgestellt!”

      “Sie machen mir Mut!”, sagt Harriette, und ein leichtes Unbehagen macht sich in ihr breit.

      Am nächsten Morgen, pünktlich um zehn Uhr, steht Harriette vor Subhashs Verandagitter und ruft ihn.

      “Ja, ich dachte es mir schon, dass Sie pünktlich sein würden, das war in der Schweiz auch immer so”, sagt Subhash, der wieder schlurfend zum Gitter kommt. “Ich bin noch nicht fertig. Wir hatten hier gestern Nachmittag keinen Strom, also muss ich das jetzt gleich noch vorbereiten und dann fahre ich in die Stadt zum Kopieren. Können Sie heute Nachmittag nochmal ?”.

      “Ja, das kann ich. Ich möchte morgen nach Lamu und muss noch einen Flug regeln, danach kann ich hierherkommen”, erwidert sie.

      Harriette schlendert durch den alten Stadtteil von Malindi. Wie viele Moscheen hat dieser Ort wohl? Sie sind überall!. Sie wird belästigt von einigen jungen Männern, die - egal wie - eine Unterhaltung mit ihr anfangen wollen.

      “Ciao bella, ciao mzungu!”, Harriette reagiert nicht und läuft weiter. Sie erreicht den touristischen Teil von Malindi, rund um ‘Uhuru Garden’ mit seinen zahlreichen

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