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Münchner Gsindl. Martin Arz
Читать онлайн.Название Münchner Gsindl
Год выпуска 0
isbn 9783940839725
Автор произведения Martin Arz
Жанр Триллеры
Издательство Readbox publishing GmbH
»Halt!«, rief Pfeffer plötzlich. »Mach mal zurück. Nein, noch ein Bild, ja, stopp.« Auf dem Bild sah man einen Garten mit blühenden Bäumen, unter einem der Bäume stand ein junger Mann, der gerade in Richtung Kamera blickte. Zufällig, nicht in Pose.
»Der sieht ja aus wie Hrithik Roshan«, rief die Kollegin aus, die vorhin meinte, dass den jeder kenne. »In jung.«
»Richtig«, bestätigte Pfeffer. »Nur ist das der Garten von Familie Förster, wo Polina als Kindermädchen gearbeitet hat. Das hier müsste also Hamed sein, von dem Mortimer erzählt hat.« Er erklärte kurz die Zusammenhänge.
»Der heimliche Schwarm«, sagte Bella Hemberger. »Was blüht da? Apfel?«
»Zwetschge«, sagte Froggy. »Dieses Jahr war die Baumblüte recht früh wegen des milden Winters, die Fotos sind im März entstanden.«
»Zu diesem Hamed, Bella, findet ihr bitte alles heraus«, sagte Pfeffer. »Ich möchte ihn morgen hier in meinem Büro haben. Danke.«
»Klar, Chef«, sagte Bella und sortierte ihre Unterlagen. »Ich habe übrigens folgende Neuigkeit: Die Kollegen haben doch noch das Objekt gefunden, mit dem Polina im vaginalen Bereich malträtiert wurde. Es ist das abgesägte obere Ende eines Holzstiels, völlig handelsüblich, vierundzwanzig Millimeter Durchmesser, Buchenholz, Rundkopf. So einer, wie er an Besen, Schneeschaufeln, Harken et cetera zu finden ist. Er lag im Gebüsch hinter der kleinen Marienkapelle. Jetzt kommt die schlechte Nachricht: keine verwertbaren Fingerabdrücke. Nichts.«
»Entschuldigung, Kollegin«, mischte sich Froggy ungehalten ein. »Ich war noch nicht fertig.« An seiner rechten Wange pulsierte ein Muskel.
»Ach?« Bella sah ihn provozierend an.
»Ja, ach.« Froggy schenkte Bella Hemberger einen finsteren Blick und blendete dann weitere Fotos ein. Viele Selfies von Polina, ein paar Fotos mit ihren Mitbewohnern Becky und Lucky, teilweise an der Isar, und einige weitere Fotos von Hamed im Förster-Garten. »Wir haben bisher ihr Smartphone nicht gefunden, das dürfte bekannt sein«, erläuterte Froggy. »Wir haben aber ihre Nummer. Und das zuständige Telekommunikationsunternehmen war sehr kooperativ. Wir haben eine Liste mit Anrufen der letzten vier Wochen, eingehend und ausgehend. Außerdem, das seht ihr gerade, ihre Cloud. Sie hat ihre Fotos, oder zumindest einen Teil davon, automatisch in der Cloud gespeichert. Wie wir alle sehen können, ist auch hier dieser Hamed dabei. Außerdem – und jetzt wirds spannend – noch das hier. Die letzten Bilder ihres Lebens.« Das nächste Foto, das der Beamer an die weiße Wand warf, war komplett unscharf und pixelig. Mit viel Fantasie konnte man darauf eine Hütte inmitten von Bäumen bei Dunkelheit erkennen. Unter der Hütte flackerte an zwei Stellen Licht.
»Die Marienklause«, entfuhr es Pfeffer.
»Und das Licht?«, fragte Bella.
»Unterhalb der Klause ist die Grotte mit der Quelle. Da stellen die Leute gerne ewige Lichter rein.« Er deutete auf den untersten Lichtschein. »Und auch in der Klause gibt es ewige Lichter.« Er zeigte auf den etwas höheren Lichtschein. »Polina hat also kurz vor der Begegnung mit dem Mörder …«
»Sorry, dass ich unterbreche, Chef«, sagte Froggy. »Das ist nur ein Standfoto von dem kleinen Video, das sie gemacht hat. Spoiler-Alarm: Es bleibt unscharf und zappenduster.« Er ließ das Video laufen. Man erahnte die Marienklause, auf die sich die Filmende zubewegte. Man hörte sie leise amten. Dann schwenkte die Kamera herum, Polina kam ins Bild. Sie lachte. »Jetzt wirds bald spannend!«, sagte sie und machte noch »Huaah«, als würde sie sich gruseln. »Mal schauen, wie die Geschichte weitergeht.« Sie lachte noch einmal und drehte die Kamera wieder zur Marienklause. Man hörte, wie sie sagte: »Ich kanns irgendwie noch nicht glauben, dass ich echt jetzt hier bin …« und »Ich bin schon soo gespannt. Pops, pops, pops. Pops Twentythree. Das wird echt …« Sie war nun hinter der Klause und brach mitten im Satz ab, als man einen dumpfen Schlag hörte. Das Bild begann zu wackeln, die Kamera fiel zu Boden. Dann wurde alles schwarz.
»Ende«, sagte Froggy. »Der Täter muss bemerkt haben, dass sie filmte, und hat das Telefon sofort zerstört, vermutlich zertreten.«
»Sie scheint keine Angst zu haben«, sagte Pfeffer. »Es wirkt so, als freute sie sich auf ein Zusammentreffen mit wem auch immer. Wer oder was ist ›Pops Twentythree‹? Okay, Leute, Kollege Erdal Zafer ist für alle der Ansprechpartner, was mit Social Media und so weiter zu tun hat. Froggy, du sammelst das alles. Bitte checken, welche Follower Polina hatte, vor allem auch, wen sie geblockt hatte und wer sie geblockt hatte. Vielleicht kommen wir so weiter. Gut. Was ist mit den Eltern?«
»Die sind momentan im Heimaturlaub in Kasachstan«, sagte Bella Hemberger, »in Nursultan, dem einen oder anderen noch unter einem der alten Namen Astana oder auch Zelinograd oder Aqmola bekannt, die benennen ihre Hauptstadt alle naselang um. Die Kollegen dort versuchen, sie aufzutreiben. Bislang nicht gelungen.«
Pfeffer blätterte in den Unterlagen und zog den Bericht über den silbernen Armreif hervor, den er bei der Ermordeten gefunden hatte. »Bevor ich alles lese …«, sagte er und ließ den Satz offen stehen.
Ein Kollege von der Spurensicherung fühlte sich sofort angesprochen. »Der Armreif ist eine klassische Silberlegierung aus 925er Silber, also Sterlingsilber. Ist auch so punziert. Die anderen Punzen sind aus Syrien. Der Reif ist die Replik eines antiken Armreifs, versiegelt mit einem normalen Zweikomponentenlack, ein haltbarer Anlaufschutz. In der Innenseite befindet sich eine Gravur auf Arabisch. Es ist ein Name: Elvedin. Ein Männername. Interessant sind die beiden Widderköpfe an den Enden. Der eine lässt sich nämlich abschrauben. Darin haben wir das gefunden. Einen zusammengerollten Zettel, auf dem ›Pops23‹ steht.« Er strahlte, als er eine Klarsichttüte mit dem Zettel über den Tisch schob. »Das, was die Ermordete kurz vor ihrem Tod sagte. Es ist übrigens nicht die Handschrift der Ermordeten. Fingerabdrücke? Ja. Von unserer Toten und noch einige Fragmente, die leider zu spärlich sind, um sie zuweisen zu können. Und dann haben wir noch einen guten Abdruck von Elvedin selbst. Einen auf dem Reif und einen auf dem Papier. Dieser Elvedin ist offenbar der Eigentümer des Armreifs. Er heißt Elvedin Saqqaf. Den haben wir in der Datenbank gefunden. Er ist vor drei Jahren erfasst worden, als er in Deutschland den Asylantrag gestellt hat. Müsste in einer der Münchner Asylunterkünfte zu finden sein. Bayernkaserne oder so.«
»Könnte der identisch mit unserem Hamed sein?«, fragte Bella Hemberger.
»Nein«, der Kollege schüttelte den Kopf. »In der Datenbank sind auch Fotos von Elvedin Saqqaf, der sieht diesem Hamed und dem indischen Schönling nicht mal ansatzweise ähnlich.«
»Gut, das checkst du, Froggy«, sagte Pfeffer. »Noch was?«
»Ja, wir haben Spuren von Erde am Reif gefunden. Marginal, aber dennoch. Es ist also davon auszugehen, dass der Armreif zumindest mal auf dem Erdboden gelegen hat.«
»Also kann Polina ihn irgendwo beim Spazierengehen gefunden und aufgehoben haben«, sagte Pfeffer. »Trotzdem, warum versteckt sie ihn? Das wird immer seltsamer hier, oder? Was hat ein kasachisches Kindermädchen, das auf einen bollywoodesken Schönling namens Hamed steht, mit dem Schmuck eines syrischen Asylbewerbers zu tun?«
»Und das in unserem schönen München«, fügte Bella sarkastisch hinzu.
Die Morgenbesprechung brachte noch ein paar weitere Erkenntnisse: Mehrere Zeugen hatten Polina Komarowa in Clubs an der Sonnenstraße gesehen. Zuletzt der Barmann vom Harry Klein um kurz nach drei Uhr früh. Es habe getanzt, das Mädchen mit den langen Haaren. Alleine, soweit er das beurteilen konnte. Die Durchsuchung von Papierkörben, Kanalschächten, kleinen Gehölzen, Altkleidercontainern und so weiter hatte bislang