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Clans von Cavallon (2). Der Fluch des Ozeans. Kim Forester
Читать онлайн.Название Clans von Cavallon (2). Der Fluch des Ozeans
Год выпуска 0
isbn 9783401808444
Автор произведения Kim Forester
Жанр Природа и животные
Серия Clans von Cavallon
Издательство Readbox publishing GmbH
»Ihr habt die Wachen weiterhin im Griff, Ripius, oder?«, erkundigte sie sich beiläufig, während sie die erste Phiole nahm und deren Inhalt mit geübten Handgriffen auf ein Seidentuch träufelte.
»Sie sind für ihr Schweigen fürstlich entlohnt worden. Solange unser junger Freund Lysander hier nichts ausplaudert, ist alles in bester Ordnung.« Ratsherr Ripius zwinkerte Lysander zu und gab ihm einen Klaps auf die Schulter.
Lysander rang sich ein Lächeln ab.
»Könntet Ihr freundlicherweise das Licht etwas höher halten?«, fragte die Rätin. Ripius hielt die Petroleumlampe über König Orsinos Gesicht und Hillira beugte sich vor und tupfte die Wangen und Stirn des Königs mit dem Tuch ab. Lysander unterdrückte mühsam einen Brechreiz, als sich eine frische Wolke des säuerlichen Gestanks im Raum ausbreitete.
Hillira und Rupius schien der Geruch nichts auszumachen. Sie diskutierten gut gelaunt, wie viel von der übel riechenden Flüssigkeit sie auf König Orsinos Gesicht, Hals und hinter seinen Ohren auftragen sollten. Dann griff Hillira zur nächsten Phiole, mit deren Inhalt sie Orsinos glänzendes schwarzes Fell auffrischte. Zu guter Letzt verteilte sie ein nach ranziger Butter stinkendes Öl in seinen Haaren, seinem Bart und seinem Schweif.
Das soll ihn konservieren, begriff Lysander. Als wäre er ein Salzhering oder ein Korb Erdbeeren.
Aber warum taten sie das? Warum gaben sie den Tod des Königs nicht bekannt?
»Lysander?«, fragte Ripius. »Hast du gehört, Junge?«
Lysander schrak hoch. Was hatte er gerade gesagt?
Ripius deutete mit einem Kopfnicken auf die Leinwand. »Dein Vater muss wirklich stolz auf dich sein.«
Vater … Lysander schauderte. Früher oder später würde Cassio herausfinden, dass er hier gewesen war, natürlich würde er das! Was habe ich mir nur dabei gedacht? Wenn die Wachen ihn nicht verpfiffen, dann würden Hillira und Ripius es tun.
»Ja sehr«, antwortete Lysander zerstreut. Hastig schraubte er seine Farbtöpfe zu und packte die Pinsel in die Mappe, dann baute er die Staffelei ab und legte die noch feuchte Leinwand in den Sandelholzkoffer. »Ich … brauche mehr Terpentin. Bin gleich wieder zurück«, log er. Die Wachen nickten ihm bloß zu und die beiden Ratsmitglieder waren zu sehr damit beschäftigt, König Orsinos Bart zu kämmen, um ihm Beachtung zu schenken. Eiligen Schrittes lief Lysander aus dem Zimmer.
Er schaffte es, sich zusammenzureißen, bis er das andere Ende des Korridors erreicht hatte, bevor er in Galopp verfiel. Er stürmte die Rampen hinab und durch die Gärten, die bei seiner Ankunft so luftig und angenehm gewesen waren. Nun aber stand die Sonne hoch am Himmel und spiegelte sich grell im weißen Marmor der Säulen. Im gleißenden Licht wirkten die bunten Mosaike schrill und kitschig. Die zurückhaltende Eleganz des Palastes kam ihm plötzlich wie eine Lüge vor.
Als Lysander das Erdgeschoss erreicht hatte und auf die Seitentür zulief, öffnete sich diese und ein groß gewachsener Zentaur in einer langen orangefarbenen Weste trat ein. Sein kurzer schwarzer Bart war penibel gestutzt, sein graues Fell schimmerte elegant und seine Miene war ernst und streng.
Es war sein Vater.
Lysander kam schlitternd zum Stehen. Verzweifelt sah er sich nach einem anderen Ausgang oder wenigstens einem Versteck um, doch in der weitläufigen Marmorhalle gab es nichts dergleichen. Er war seinem Vater schutzlos ausgeliefert.
Cassio Diomedes hielt ebenfalls inne und runzelte die Stirn. An seinem Hals zuckte ein Muskel.
Lysander packte seinen Sandelholzkoffer so fest, dass der Griff in seine Finger schnitt. »Ich kann das erklären …«
»Nur zu«, erwiderte Cassio. Seine Augen funkelten wie schwarzes Eis. »Erklär mir doch bitte, wieso ich meinen Sohn in den Gemächern des Königs antreffe?«
Lysanders Wangen glühten. »Ich war … auf der Suche nach dir …«
»Nein, warst du nicht«, entgegnete Cassio. »Die Liste deines heutigen Fehlverhaltens ist schon lang genug, auch ohne dass du lügst. Du hast ein Porträt des Königs gemalt. Zu welchem Zweck?«
Lysander schüttelte den Kopf. »Ich … ich wollte ihn einfach sehen.«
Cassio kam ihm so nahe, dass Lysander den Duft von Zitronen in seinem Atem riechen konnte. »Wolltest du ihm etwa von der Königswahrheit erzählen? Das will ich wirklich nicht hoffen. Schließlich ist das ein Geheimnis, das zu hüten du geschworen hast. Nicht wahr?«
»Ja, Vater.«
»Ist dir eigentlich klar, dass du mich beinahe vor meinen Kollegen bloßgestellt hättest?« Wieder zuckte der Muskel an Cassios Hals. »Rätin Petra hat mir zu meiner Idee gratuliert, dich Orsinos Porträt malen zu lassen, und ich hatte keine Ahnung, was sie meinte.«
»Es tut mir leid, Vater«, murmelte Lysander.
Cassio straffte die Schultern. »Es wird dir noch viel mehr leidtun, sollte so etwas erneut passieren. Du kannst dich glücklich schätzen, dass ich Petra und die anderen in dem Glauben gelassen habe, dass es tatsächlich meine Idee war. Nun geh und erfülle deine Pflicht als mein Sohn und Bewahrer der Königswahrheit.«
Lysander trat von einem Bein aufs andere. »Ich verstehe nicht ganz …«
»Geh wieder nach oben und vollende das Porträt.«
Lysander starrte ihn sprachlos an.
»Nun mach schon!«, blaffte Cassio. »Bring das Bild in mein Büro, wenn du fertig bist.« Er drehte den Kopf und rief: »Davion!«
Ein großer, dünner Wächter mit schwarz-weiß geflecktem Fell kam herein. »Ja, Sir?«
»Sorgt dafür, dass mein Sohn alles hat, was er braucht, um das Porträt des Königs fertigzustellen, und dass er von niemandem gestört wird, bis er es vollendet hat.«
Davion salutierte gehorsam. Cassio rauschte durch den Flur davon und Lysander folgte Davion die Rampe hinauf nach oben. Das Einzige, was er empfand, war eine Mischung aus Schock und Erleichterung. Ansonsten fühlte er sich vollkommen leer.
*
Im Turm der Chronisten war es dunkel. Nur im Büro seines Vaters im obersten Stock brannte noch Licht. Lysander stieg die Rampen hinauf, wobei er sorgfältig darauf achtete, dass das noch feuchte Porträt nicht mit seiner Kleidung in Berührung kam. Müde stellte er fest, dass seine beste Weste über und über mit Farbe bespritzt war.
Als Lysander das Obergeschoss erreichte, stand Fabian, der Assistent seines Vaters, noch hinter seinem Schreibtisch und starrte missmutig auf einen Stapel Papiere. Wenn der Oberste Chronist Überstunden machte, musste sein Assistent offenbar ebenfalls länger bleiben. Rund um die marmorne Brüstung flackerten Petroleumlampen.
Lysander rechnete beinahe damit, dass Fabian ihn wie sonst mit den Worten abwimmeln würde, sein Vater sei zu beschäftigt, um ihn zu empfangen, doch diesmal kam der Assistent hinter seinem Schreibtisch hervor und sagte: »Warte, ich mach dir auf, Lysander. Der Oberste Chronist erwartet dich bereits.«
Lysander betrat das stille, von Bücherregalen gesäumte Büro. Cassio Diomedes stand hinter seinem großen schwarzen Schreibtisch und arbeitete. Alles im Raum war penibel im rechten Winkel zueinander angeordnet: die sauber gestapelten Dokumente auf der Tischplatte, die nur darauf warteten, dass der Oberste Chronist ihnen seine Aufmerksamkeit schenkte, die seiden- und edelsteinverzierten Bücher, die, wie mit dem Lineal gezogen, in Reih und Glied im Regal standen, und sogar die beiden Porträts, die hinter dem Schreibtisch an der Wand hingen. Das kleinere der beiden zeigte Lysanders Mutter, die verschwunden war,