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       Michael Weiß

       Liebe, Tod und Pflege

      © 2020 Michael Weiß

      Verlag & Druck: tredition GmbH, Halenreie 40-44, 22359 Hamburg

      ISBN

Paperback:978-3-347-10654-3
Hardcover:978-3-347-10655-0
e-Book:978-3-347-10656-7

      Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

       Liebe Tod und Pflege

      Inhalt

       Vorwort

       Genügsamkeit

       Der Alkohol

       Das Objekt Mensch als Produkt

       Ein leises Piepsen

       Darauf sollten sie achten

       Ich bin viele

       Ein letzter Blick

       Der Pflegeklient und die Politik

       Der Tod

       Die Zungenspitze

       Pflegebeziehungen

       Mein Herz

       Die Pflegekraft und die Politik

       Todesfasten

       Die Pflegekraft und die Gesellschaft

       Herr Covid

       Nachwort:

       Vorwort

      Ich schreibe dieses Buch aus zwei motivatorischen Antriebssträngen heraus. Zum einen ist es mir ein tiefes, inneres Bedürfnis, ein öffentliches, gesamtgesellschaftliches Verständnis als auch eine Sensibilisierung, diesen in meinen Augen viel zu häufig tabuisierten und oder oftmals verdrängten Themen gegenüber mit zu generieren und oder bei der Entstehung dieser fördernd mitzuwirken.

      Zum anderen möchte ich es allen Pflegekräften widmen, welche Tag täglich, viel zu häufig unter viel zu schlechten Bedingungen, gepaart mit viel zu wenig Zeit, versuchen die bestmögliche fachpflegerische als auch psychoemotionale Zuwendung ihren zahllosen Pflegeklienten gegenüber zu generieren. Verliert nicht euren Mut.

      Trotz der Tatsache, dass unser gesellschaftliches und dadurch auch automatisch unser soziokulturelles System in dem wir leben, also die Realität welche wir uns selber erschaffen, sich in meinen Augen überwiegend an falschen, sehr häufig egoistischen, etisch und moralisch mehr als fragwürdigen Normen und Werten orientiert, ist doch ein jeder und jede Einzelne/r von uns in ihrem/seinem täglichen Schaffen ein Teil dieses sozialen Gefüges und hat daher stetig die Wahl, wie er oder sie sich in besagtem Gefüge bewegt, verhält oder interagiert.

      Wir alle schaffen uns unseren eigenen Himmel und auch die eigene Hölle also täglich selber, der Umgang mit unseren Alten, Kranken, Schwachen und Sterbenden, spielt dabei in meinen Augen eine sehr zentrale Rolle und ist in meinen Augen auch ein essentieller und sehr prägnanter Indikator für die soziale und emotionale Qualität einer Gruppe oder einer Gesellschaft. Es liegt also täglich ausschließlich an uns selbst, in jeder Sekunde, und jeder Minute und in jeder Stunde.

       Genügsamkeit

      Frau Drechsler ist eine überaus liebenswürdige alte Dame. Sie hat schon das stolze Alter von sechsundneunzig Jahren erreicht, doch wenn sie einem sagen würde sie sei erst achtzig, dann würde man es ihr auch ohne weiteres glauben. Sie wohnt bereits seit fünf Jahren bei uns und benötigt bislang keinerlei Hilfsmittel, außer einer Brille, einem Hörgerät rechts und einem Gehstock mit orthopädischem Griff, welchen sie eigentlich nur pro forma in der rechten Hand hält, während sie regelrecht, von A nach B über die Flure saust. Sie lebt noch vollkommen eigenständig bei uns und benötigt weder Hilfe beim an- oder auskleiden, noch bei der Körperpflege. Sogar den Rücken wäscht sie sich noch vollkommen eigenständig. Dies zeigte sie den Pflegekräften immer wieder gerne, wie sie mithilfe eines Handtuches, welches sie als großen Waschlappen umfunktioniert, welches sie sich über den Rücken wirft um sich damit sehr beherzt, besagten Rücken zu schrubben. Sie wüsste, dass man dies eigentlich nicht mache, aber man könne das Stück Baumwollstoff ja über Nacht in der Dusche trocknen lassen, äußert sie immer verschmitzt lächelnd. Ich sage ihr dann immer, dass wenn ich diesen ominösen Mann, der ihr sagen wolle, wie und wofür man Handtücher benutzt und sich daran störe, einmal persönlich treffen sollte, ich um ein wenig mehr Verständnis in ihrem Namen werben werde. Das bringt sie auch regelmäßig zum Lachen. Sie zeigt generell ein sehr großes Maß an Kreativität als auch Improvisationsvermögen, um sich von den körperlichen Einschränkungen des Alters nicht unterkriegen zu lassen und sämtliche Verrichtungen des Alltages selbstständig durch zu führen. Die einzige Hilfestellung, welche sie seit neuestem bereit war von uns anzunehmen, bestand darin, dass das Pflegepersonal ihr morgens die Beine wickeln durfte, da sie durch eine allmählich fortschreitende Venen- und sicherlich auch ein wenig Herzinsuffizienz, zu Ödem Bildung in den Beinen und den Füßen neigt. Abends wickelt sie sich die Kompressionsbinden eigenständig wieder ab und rollte diese sehr lange auch eigenständig wieder auf. Doch da ihre Arthrose in den Fingern, nun, da sie beinahe ein ganzes Jahrhundert auf dieser Erde weilt, langsam aber sicher immer schlimmer wird, nehmen wir ihr auch diese Mühe, gerne zusätzlich ab. Ich bewundere immer wie genügsam und Anspruchslos sie ist. Immerhin hätte sie auch noch sehr lange eigenständig daheim zurechtkommen können. Doch spätestens jetzt ist es natürlich ohne Frage besser, dass sie sich in einer geschützten und fachpflegerisch betreuten Umgebung befindet und dadurch auf eventuelle Unterstützung zurückgreifen kann. Sie war ihr Leben lang eigenständig und auch wenn es ihre eigene Entscheidung war, musste sie sich irgendwann mit der Tatsache auseinandersetzen, das sie dadurch ihren Hausrat, also alles das, was sie sagen wir mal in den letzten 85 Jahren mehr oder weniger bewusst angesammelt und zumindest die letzten fünfzig Jahre, in einer einhundertdreißig Quadratmeter großen Wohnung bis zu ihrem einundneunzigsten Lebensjahr angehäuft und zusammengetragen hatte, insoweit reduzieren, also verschenken oder entsorgen musste, das es in einem circa zwanzig Quadratmeter großen Zimmer unterzubringen und aufzubewahren war. Sie können mir glauben, diese besondere Situation bei und vor dem Heimeinzug ist in meinen Augen eine, für den Menschen, insofern er dies natürlich noch bewusst verarbeiten kann, sehr herausfordernde und sicherlich nicht einfache. Also wenn sie von mir jetzt verlangen würden und für viele kommt der Heimeinzug sehr überraschend nach Unfall, Sturz, Herzinfarkt oder Schlaganfall…., entscheiden zu müssen was ich in eine zwanzig Quadratmeter Wohnung mitnehme würde und der Rest wird an meine Familie verschenkt und oder kommt weg, da würde ich schon ziemlich doof aus der Wäsche gucken, glauben sie mir das. Alleine die Bücher und die Blue-rays und die Bilder. Wo kommt der Fünfunsechzigzoller hin? Doch für sie war das zum Glück kein Problem erzählt sie auch immer gerne, Sie konnte sich ja darauf vorbereiten, betont sie immer und ja, das ist sicherlich eine gute Sache, aber sie sagt auch, fünfundneunzig Prozent von dem was sie besaß hat sie zurückgelassen. Doch dann fügt sie immer noch hinzu, dass sie durch den Krieg schon einmal alles verloren hatte und dadurch auch wisse was wirklich von Bedeutung sei.

      Sie wurde neunzehn hundert sechzehn in Berlin geboren, zu einer Zeit, in der der erste Weltkrieg in vollem Gange war und ihr Vater, ein Jahr nach ihrer Geburt in eben jenem Krieg, an der Französischen

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