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erhalten hat und weggefahren ist …«

      Und Van Malderen antwortete:

      »Du Glücklicher!«

      Ihm wäre der anonyme Brief zuzutrauen gewesen! Kuperus hätte ihn aufbewahren sollen. Er hatte ihn in winzige Schnipsel zerrissen, die er dann verbrannte. Ja, Van Malderen war dazu fähig, allein um sich selber zu amüsieren. Und in diesem Fall würde er den Mund nicht aufmachen. Er wäre zufrieden, wenn er seine Überlegenheit genießen und dabei vielleicht ein paar zweideutige Sätze loswerden könnte wie vorhin sein ›Du Glücklicher!‹.

      Die Tür ging auf, und die Männer sahen sich auf eine eigentümliche Weise an, denn eine junge Frau kam herein, nahm hinten im Saal Platz, ohne sich an dem Rauch zu stören, der um die Lampen zog, und bestellte einen Likör.

      »Kann man hier essen?«, fragte sie.

      Jef bejahte, doch fast bedauernd. Die junge Frau war blond, blondiert, und sie war angezogen, wie sich keine Frau in Sneek jemals angezogen hätte. Ihre Lippen waren geschminkt. Ihre Absätze waren so hoch, dass man sich fragte, wie sie damit überhaupt gehen konnte. Der Gipfel war, dass sie ein goldenes Etui aus ihrer Handtasche herauszog und sich eine Zigarette anzündete.

      Dass sie aus Amsterdam kam, war offensichtlich. Belustigt und ohne die geringste Scheu schaute sie sich in dem Café um, in dem alles für Männer hergerichtet war, genauer gesagt, für echte Sneeker Bürger.

      »Sagen Sie, garçon …«

      Mit der Serviette über dem Arm eilte Jef herbei.

      »Wissen Sie, wo der Graf de Schutter wohnt?«

      »Der Graf?«, stotterte Jef. »Sie meinen bestimmt Frau Cornelius de Schutter?«

      »Ja, so heißt er.«

      Alle hörten hin. Nur noch das Bullern des Ofens war zu vernehmen.

      »Er wohnt hundert Meter von hier neben dem Rathaus.«

      »Kann man ihn anrufen?«

      »Zu Fuß sind Sie schneller.«

      »Danach habe ich Sie nicht gefragt. Ich frage, ob er Telefon hat.«

      »Sicher … Die Hundertdreiunddreißig …«

      »Wo ist die Kabine?«

      »Links vom Waschraum …«

      Sie stand auf, klopfte die Asche von ihrer Zigarette und durchquerte das Café, ohne sich um die lauernden Blicke zu kümmern, die ihr folgten. Nachdem sich die Tür der Kabine geschlossen hatte, hörte man es leise klingeln und dann klicken, dann waren unverständliche Silben zu vernehmen.

      Die Männer sahen sich an. Van Malderen gab Jef einen Wink, neue Getränke zu bringen.

      »Noch so eine!«, seufzte Loos.

      Und Van Malderen flüsterte:

      »Vielleicht ist er vorsichtshalber weggefahren, weil er wusste, dass sie ihm nachsteigen würde …«

      Die junge Frau kam aus der Kabine und wandte sich wieder an Jef.

      »Haben Sie Zimmer?«

      »Nein, gnädige Frau. Das hier ist kein Hotel. Ich kann Ihnen aber ein Zimmer im Hôtel de la Gare reservieren lassen … Es ist sehr gut … Mit fließend Wasser …«

      »Bringen Sie mir noch einen Cherry-Brandy …«

      Sie war bekümmert. Drei junge Männer traten ein, um Billard zu spielen, aber sie gehörten nicht zum Zirkel. Es waren Angestellte, der Älteste von ihnen keine fünfundzwanzig Jahre alt, und sie konnten es nicht lassen, die ganze Zeit zu reden und zu lachen.

       »Garçon!«

      »Ja, gnädige Frau …«

      »Kommt der Graf de Schutter oft hierher?«

      »Jeden Tag, gnädige Frau.«

      »Hat er niemandem gesagt, dass er verreisen wollte?«

      »Nein, gnädige Frau.«

      Loos stand auf, weil er meinte, es sei Sache des Patrons persönlich, hier die Antworten zu geben.

      »Gestern um drei Uhr war er noch hier …«, sagte er. »Ich bin sehr verwundert, ihn heute nicht zu sehen, und sein Butler macht sich auch schon Sorgen …«

      Kuperus war ganz steif. Seine Schuhe stießen an den Ofen. Er hatte eine Zigarre angezündet, die ihm der Tabakhändler gegeben hatte. Er kniff die Augen zusammen, um sich diese extravagante Frau näher anzusehen.

      Dabei stellte er fest, dass sie in ihm keinerlei Verlangen weckte. Und dennoch war sie schön. War das nicht merkwürdig? Die schlechtgekleidete, schlechtfrisierte Neel mit ihrer plumpen Figur trieb ihm die Hitze in die Backen. Gerade jetzt dachte er wieder an sie. Wegen ihr gab es sogar ein Problem.

      Sollte er es wagen, sie auch diese Nacht in seinem Bett schlafen zu lassen? Das war nicht so einfach, wie es aussah! Denn im Grunde hatte er immer noch seine Frau zu erwarten. Er musste den Eindruck erwecken, als warte er auf sie. Er musste sich Sorgen machen. Vielleicht fing er etwas spät damit an?

      »Jef! Sieh im Telefonbuch nach, ob Frau Costens in Leeuwarden einen Anschluss hat.«

      Frau Costens war die berühmte kranke Tante. Logischerweise musste er sie anrufen.

      Er hatte sie nur zweimal gesehen. Es war eine dicke, ziemlich ordinäre Frau, die Alice nicht gerne erwähnte, denn sie besaß ein Fischgeschäft.

      In einem Fischgeschäft gab es selbstverständlich Telefon! Jef blätterte in dem dicken Buch. Kuperus zog an seiner Zigarre, dachte an seine Frau und schaute dabei die fremde Blonde an.

      Zwischen ihnen gab es eine Verbindung: Schutter! In welcher Geistesverwirrung hatte Schutter ein Auge auf Alice Kuperus geworfen? Fand er sie aufregend?

      Und sie, wie hatte vor allem sie es fertiggebracht, sich in ein Abenteuer zu stürzen? Wenn man darüber nachdachte, verstand man überhaupt nichts mehr. Es entsprach dieser Frau überhaupt nicht, derart aus der Reihe zu tanzen.

      Sie ähnelte einem Bonbon. Sie roch nach Zucker. Sie ernährte sich von Patisserie, und ihre Haut war rosig wie Marzipan. Sie war imstande, eine Woche lang mit Mustern zu spielen, um schließlich einen kleinen Tischläufer zu kaufen!

      Und eine bestimmte Schokoladenmarke aß sie nur deshalb, weil jede Packung Bildchen enthielt, einfache Farbabbildungen aller Blumen der Welt, die sie in ein Album klebte!

      »Ist es die Fischhandlung?«, fragte Jef. »Soll ich sie verlangen?«

      »Ja!«

      Die jungen Leute machten zu viel Lärm. Van Malderen seufzte auf, während er die fremde Frau betrachtete.

      »Als Junggeselle muss man sich wunderbar fühlen … Ich bin nie einer gewesen …«

      »Außer vor deiner Hochzeit …«

      »Entschuldigung! Meine Mutter war eine fromme Frau, und sie hatte sich in den Kopf gesetzt, mich für meine künftige Gattin rein zu erhalten …«

      »Ist es ihr gelungen?«

      »Zu drei Vierteln …«

      »Frau Costens ist am Apparat!«

      Einen Augenblick später sagte er:

      »Sind Sie es, Tante? Geht es Ihnen besser? Was sagen Sie? Meine Frau ist nicht bei Ihnen?«

      Nur für sich spielte er Theater, denn er war allein in der ausgepolsterten Kabine. Er simulierte Erstaunen und Furcht. Als er die Kabine verließ, hatte er die Augen weit aufgerissen.

      »Meine Freunde … Jef! Bring mir ein Glas Genever …«

      »Was hast du denn?«

      »Meine Freunde … Was mir passieren muss …«

      Er senkte die Stimme.

      »Meine Frau

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