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… ein Kopf ist schnell verloren, wenn man bei so etwas erwischt wird.

      Mein kleines Beil würde ich auch brauchen, Papier, um die Päckchen zu packen, die Wachstuchtasche, um alles wegzubringen. Zur Leine. Der Fluss würde den Rest erledigen.

      Ich müsste zuvor probieren, was von ihm schwimmen würde.

      Fleischstücke auf dem Wasser könnten verraten, was hier entsorgt wurde, das ging also nicht.

      Was, wenn ich beim Füttern der Fische beobachtet würde?

      An der Brückmühle zu gefährlich.

      Hinter jedem Fenster Augen, die neugierig Ausschau hielten.

      Morgen.

      Morgen würde ich wiederkommen und austesten, was schwamm und was nicht.

      Für heute war es nun wirklich genug.

      Als ich ging, die Tür sorgfältig hinter mir verschloss, war ich unendlich traurig.

      Meine Schwester, Frau Burschel, fragte mich, warum ich so bleich sei. Etwa wieder krank? Und der seltsame Geruch meiner Kleidung? Woher ich käme? Ob ich mal wieder in Schwierigkeiten steckte? Was ausgefressen hätte? Sie hatte grundsätzlich viele Fragen, wenn ich bei ihr unterschlüpfen wollte.

      Nein, beruhigte ich sie, alles in Ordnung. Ich war beim Schlachter, aber der hatte nicht viel im Angebot. Und blass sei ich ja öfter.

      Die altbekannten Kopfschmerzen eben. Mit Übelkeit.

      Sie nickte nur, drang nicht weiter in mich. Mir schien, sie war froh, dass ich nicht mit ihr sprechen wollte, wandte sich ab und ging summend ihrem Tagwerk nach.

      Ich dagegen stellte mit vor, wie sie reagieren würde, wenn ich nun gesagt hätte, das mit dem blassen Aussehen liegt an dem toten Jungen in meinem Zimmer, der schon stinkt und den ich irgendwie loswerden muss, damit nicht der Henker mich holt. Liegt an dem bedauernswerten Kerl, den ich getötet habe – nicht mit Absicht – aber tot ist er dennoch.

      Mutter hätte mich verstanden. Sie wusste, dass ich nie mit Absicht … und wenn etwas aus Versehen geschah, war man im Grunde nicht schuld, so hat sie mir das erklärt. Gott versteht das auch, dass es da einen Unterschied gibt.

      Dem Jungen war das jetzt natürlich egal.

      Tot ist tot.

      4. Kapitel

      1924 im Juni

      »Ludwig und ich werden eine Radtour machen. An der Leine entlang Richtung Hannover und dann ein Stück weiter, je nachdem, wie viel Zeit dann noch bleibt. Möglich, dass wir weiter kommen, als gedacht und mit dem Zug nach Hause fahren!«, erzählte Theodor begeistert beim Abendessen.

      »Aber Junge! Du hast doch gar kein Rad!«, meinte die Mutter und schlug die Hände vor dem Gesicht zusammen. »Wie soll das dann gehen?«

      »Ich habe mir einen alten Drahtesel von Caroline geliehen. Sie braucht ihn nicht und hat mir erlaubt, ihn aufzumöbeln. Den Rost putze ich mit einer scharfen Bürste ab, ein bisschen Öl – und schon sieht das Rad gut aus und läuft ohne Schwierigkeiten. Und ein Zelt hat mir Jakob gegeben. Gehört seinem Onkel. Armeezelt. Da passen Ludwig und ich gemeinsam rein, so viel Platz!«

      »Im Zelt?« Die Mutter war entgeistert. »Und wenn es regnet? Dann werdet ihr schnell keinen trockenen Faden mehr am Leib haben. Und die Sachen zum Wechseln sind dann auch nass. Den Tod werdet ihr euch holen!« Sie räumte laut klappernd das Geschirr in den Spülstein, wandte dem Sohn demonstrativ den Rücken zu. Sollte er ruhig sehen, wie übel sie ihm diese Planung nahm. Als der Junge schwieg, setzte sie weinerlich hinzu: »Und wovon wollt ihr leben? Es ist nicht einfach, sich Nahrungsmittel zu besorgen, wenn man fremd in der Gegend ist und nicht weiß, wo man sie bekommen kann«, ergänzte sie ihre Bedenken.

      »Wir dachten, wir nehmen einen Grundvorrat mit und finden dann vor Ort heraus, wo wir was einkaufen können.«

      »Richtung Hannover, ja?«, fragte der Vater grantig nach.

      »Ja. Immer an der Leine lang. Und irgendwann machen wir kehrt und fahren zurück. Ich werde schon pünktlich wieder vor der Tür stehen!«

      »Ja, das bezweifle ich ja auch gar nicht. Aber deine Tante hat mir vor ein paar Tagen einen Brief geschickt – und dort steht, man habe an der Leine schon mehrere Totenschädel gefunden. Die Polizei rätselt noch, wie die wohl in den Fluss gelangen konnten.«

      »Ach Junge!« Die Mutter weinte leise, wischte dann hastig die Tränen mit dem Zipfel der Schürze fort. »Es ist gefährlich da draußen.«

      »Aber Mutter, ich bin ja nicht allein! Der Ludwig ist doch mit mir! Und wir sind schnell wieder zurück. Sie werden kaum bemerken, dass ich fort bin.« Theo spürte Ärger in sich aufsteigen. »Ich bin ja kein kleines Kind mehr! Und wenn wir nur den Frühsommer genießen, was soll uns da schon passieren?«

      Zu seinem Vater gewandt ergänzte er: »Schädel in der Leine! Du liebe Güte! Die können ja von Selbstmördern stammen! Warum sollen wir uns fürchten, wenn sich jemand seiner Schwierigkeiten wegen im Fluss ertränkt?«

      »Ich verstehe dich, aber die Leute in Hannover machen sich schon länger Sorgen. Es verschwinden so viele Menschen, tauchen nie mehr auf, man hört kein Wort von ihnen. Und tatsächlich gibt es Gerüchte darüber, dass sie nicht verschwunden, sondern ermordet worden sind. Sollte es finstere Gestalten in der Stadt geben, die wahllos töten, so betrifft es Ludwig und dich eben doch!«, gab der Vater aggressiv zurück.

      Theo wusste, wann er solche Gespräche besser beendete.

      Er stand auf und ging.

      Auch Ludwig stieß bei seinen Eltern nicht nur auf schiere Begeisterung.

      »Ach Ludwig. Was, wenn ihr euch verletzt? Krank werdet?«

      »Dann nehmen wir den nächsten Zug nach Hause und lassen uns vom Vater kurieren«, lachte der unbeschwerte junge Mann. »Was soll uns schon krankmachen? Wir sind jung und widerstandsfähig. Keine Sorge, es wird nichts geschehen.«

      »Aber mit dem Rad. Da ist man schnell gestürzt. Und wenn es regnet, werdet ihr nass. Erkältungen kann man nur mit Ruhe und Wärme vertreiben – beides wird euch bei einer Fahrt mit dem Rad abgehen.«

      Ludwig zeigte sich unbeeindruckt. »Wir wollten nicht bis Afrika kommen! Nur bis Göttingen vielleicht oder ein kleines Stück weiter. Wenn das Wetter gut ist, fahren wir etwa zehn oder zwölf Tage lang, schaffen es bis Hannover und nehmen den Zug für den Rückweg. Das haben Theo und ich schon besprochen.«

      5. Kapitel

      1918 Anfang Oktober / Fritz Haarmann

      Damit er nicht bei dem zusehen musste, was ich nun seinem toten Körper antun würde, legte ich ein Tuch über seine inzwischen milchig trüben Augen.

      Ehrlich gesagt, auch wegen des Gewürms, das sich schon munter tummelte.

      Aus der Küche holte ich ein weiteres Tuch, damit ich das Blut aufnehmen konnte, überprüfte auch die Schärfe der Messer und des Beils, um eine unnötige Unterbrechung der Arbeit ausschließen zu können.

      Die Sache duldete nun keinen Aufschub mehr, wollte ich vermeiden, dass jedermann ihn riechen konnte.

      Der Tote womöglich aufkam.

      Die Jungs hinter dem Café »Kröpke« erzählten gestern, ein Mann habe sich nach dem Verbleib seines Sohnes erkundigt. Friedel heiße der, und der Vater zeigte sogar ein Foto herum. Die Jungs sind bei diesen Nachfragen von Natur aus immer wortkarg, sind doch viele von ihnen entlaufene Fürsorgezöglinge – und man wusste ja nie, wer da tatsächlich fragte. Konnte ja jeder behaupten, er sei der Vater.

      Eile war also geboten.

      Aufschieben ging nicht mehr.

      Ich begann mit den Beinen.

      Schnell gelang es mir, die Unterschenkel aus den Kniegelenken zu lösen.

      Ich legte sie zur Seite.

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