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      Poseidon (dem das Meerwasser die Beine herunterrinnt)

      Auf der Schlossbrücke, die diesem Museum gegenüberliegt, stehen vier Engel. Vielleicht könntest du die mal fragen.

      Aphrodite (jauchzend und in die Hände klatschend)

      Ja, das ist eine fabelhafte Idee! Das solltest du auf jeden Fall versuchen.

      Zeus (belehrend)

      Das sind keine Engel, ihr Dummerchen. Das sind Statuen unserer Kusine Nike, der Siegesgöttin, von den Römern auch ‚Viktoria’ genannt. Bloß weil sie Flügel hat, ist sie noch lange kein Engel.

       Poseidon

      Aber sie kann dem Herrn hier bestimmt trotzdem weiterhelfen. Immerhin steht sie draußen und kriegt von der Welt der Menschen wesentlich mehr mit als wir.

      Der Professor sieht fragend von einem zum anderen. Er weiß noch immer nicht, ob er träumt oder ob diese wundersame Begegnung Wirklichkeit ist. Dann steht er mühevoll von dem Sockel auf.

       Professor Raat

      Gut. Wenn Sie meinen… Dann werde ich mein Glück versuchen.

      Die Götter winken ihm freundlich hinterher und Aphrodite ruft „Viel Glück, Professorchen“, als er die Rotunde verlässt und sich auf die Suche nach dem Museumsausgang macht.

      2.

      Nachts im Museum

      „… lebensgroße bemalte Büste der Königin, 47 Zentimeter hoch. Mit der oben gerade abgeschnittenen blauen Perücke (die Helmkrone), die auf halber Höhe noch ein umgelegtes Band hat. Farben wie eben aufgelegt. Arbeit ganz hervorragend. Beschreiben nützt nichts, ansehen.“

      So beschreibt der Archäologe Ludwig Borchardt (1863–1938) seinen sensationellen Fund in seinem Tagebuch. Im Herbst 1912 machte eine Expedition der Deutschen Orientgesellschaft Ausgrabungen in Tell-el-Amarna, einem abgelegenen Ort am Ostufer des Nil in Mittelägypten. Am 6. Dezember entdeckte Borchardt die Büste in den Resten eines antiken Hauses.

      ‚Die Schöne ist gekommen’ bedeutet Nofretete aus dem Ägyptischen übersetzt. Aber auf die Berliner Museumsinsel kehrte die Schöne erst 2005 zurück. Wo war sie davor?

      Nach ihrem Fund wurde die Büste 1913 aus Ägypten nach Berlin gebracht und nach kurzem Aufenthalt in der Villa eines Berliner Kunstmäzens dem Ägyptischen Museum geschenkt. Während des Zweiten Weltkriegs bewahrte man sie im Tresor der Reichsbank auf, später dann in einem Flak-Bunker und zum Schluss im Stollen eines thüringischen Salzbergwerks. Nach dem Zweiten Weltkrieg errichteten die amerikanischen Besatzer in Wiesbaden ein zentrales Sammellager für Kunstschätze. Dorthin wurde auch die Büste der Nofretete gebracht. Die Kiste, in der sie transportiert wurde, war mit der Aufschrift Die bunte Königin versehen. Nach einer längeren Ausstellung im Wiesbadener Stadtmuseum kam sie 1956 wieder nach Berlin, zunächst in das Museum Dahlem und elf Jahre später in das Ägyptische Museum in Berlin Charlottenburg. Seit dem 13. August 2005 befand sich die Büste der Nofretete vorübergehend im Alten Museum auf der Museumsinsel. Eine lange Odyssee, die einer alt-ägyptischen Königin durchaus die Orientierung rauben kann…

      Unser Professor hat die Eingangsrotunde des Alten Museums mit der Versammlung der antiken Götterstatuen hinter sich gelassen und schleicht durch das nächtliche Museum. Er brummelt ungehalten vor sich hin.

       Professor Raat

      Kruzifix noch einmal, was für ein undurchdringliches Labyrinth! Wie soll ich hier jemals den Ausgang finden? Oh Jemine! Was habe ich mir da nur wieder eingebrockt… Hoppla! Ich bitte vielmals um Verzeihung, gnädige Frau!

      Im Dunkeln ist Professor Raat mit einer Frauensperson zusammengestoßen. Artig zieht er seinen Hut.

       Professor Raat

      Verzeihen Sie, gnä’ Frau, ich bin untröstlich. Lassen Sie mich…

      Der Professor zieht seine Streichholzschachtel aus der Tasche und zündet ein Hölzchen an, um sich bei dem anderen Kollisionsopfer gebührend entschuldigen zu können. Doch noch bevor er sehen kann, mit wem er es zu tun hat, bedenkt die erzürnte Dame ihn mit einem Wortschwall rüder Beschimpfungen.

       Nofretete

      Was fällt dir ein, niederer Wurm, dich mir in den Weg zu stellen! Weißt du nicht, wer ich bin? Auf die Knie mit dir und winsle um Gnade, sonst lasse ich dich an der Spitze meiner Pyramide aufhängen!

      In diesem Augenblick wirft das Streichholz Licht auf die Situation. Professor Raat sieht sich einer Dame gegenüber, die ein dünnes Gewand trägt, mit prächtigem Halsschmuck und auffälligem, zylinderförmigen Kopfputz. Doch bevor er sich vorstellen kann, hat ihm die Person mit einem verzierten Stock auf den Kopf geschlagen, so dass er benommen zu Boden sinkt.

       Nofretete

      In den Staub mit dir, Unwürdiger! Du wagst es, dich mir zu widersetzen?

      Doch als Professor Raat auf dem Boden kniet und stöhnend seinen Kopf hält, verwechselt sie sein Wimmern mit Unterwürfigkeit und wird milde gestimmt.

      So, jetzt kannst du wieder aufstehen. Du musst mir nämlich helfen, aus diesem Labyrinth herauszufinden. Ich irre hier schon seit Tagen herum und finde einfach nicht in meine königlichen Gemächer zurück.

      Der geschundene Professor berappelt sich langsam wieder, steht mühsam auf und zündet ein neues Streichholz an, um seine Peinigerin richtig zu betrachten. Der kleine Lichtkegel beleuchtet erneut ihr Gesicht, und mit stolzem, herrischem Blick sieht sie auf ihn herab.

       Professor Raat

      Königliche Gemächer? Vergeben Sie mir meine Unwissenheit, aber befinden wir uns hier nicht… (beißt sich auf die Zunge, um ihren Zorn nicht aufs Neue zu entfachen)

       Nofretete

      Genug geplappert! Komm mit, Sklave! (packt den Professor am Ärmel und zieht ihn mit sich. Und während sie die dunklen Gänge entlanglaufen, gerät die Dame ins Plaudern.) Ich bin ja schon viel gereist, in ferne und fremde Länder, habe in turbulenten Zeiten in Pyramiden-ähnlichen Gewölben Schutz gesucht, aber das ist nun der Gipfel der Unverfrorenheit, dass ich aus meinen eigenen Gemächern ausgeschlossen werde! (bleibt stehen und durchbohrt Professor Raat mit ihrem stechenden Blick) Gestehe, Wurm! Meine Untertanen rebellieren und wollen mich und meinen Gemahl stürzen!

       Professor

      Ich… äh…

       Nofretete

      Ach! Nutzloses Pack, allesamt! (setzt sich wieder in Bewegung und zerrt den Professor weiter mit sich) Meine Untertanen sind schon seit einiger Zeit so aufmüpfig. Nie kommen sie, wenn ich sie rufe, sondern nur, wenn sie Lust dazu haben. Und selbst dann ignorieren sie meine Befehle, glotzen mich nur neugierig an und gehen dann wieder weg. (frustriert) Ach, diese Gänge hier sind verwinkelter als die Cheops-Pyramide. Wer soll sich denn da zurechtfinden!

      Professor Raat (zaghaft)

      Ich suche auch schon seit geraumer Zeit den Ausgang…

      Da biegen die beiden um die Ecke und stoßen mit einer dritten Person zusammen. Der Professor, der inzwischen das zehnte brennende Streichholz in der Hand hält, sieht einen Mann in mittleren Jahren in einem beigefarbenen, leichten Anzug und einem eigentümlich geformten runden Hut auf dem Kopf.

       Ludwig Borchardt

      Königliche

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