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und durch die Spalten seines Gefängnisses späht und einen Ausgang zu erlauern trachtet.

      »Die weißen Krieger«, rief er plötzlich mit freudefunkelnden Augen, »sind gegangen. Hört mein Sohn das Kochen des feuerspeienden Kanus? Tokeah will nun gehen zu erfüllen, was ihm der große Geist hat zuflüstern lassen. Diese Nacht«, sprach er zu Rosa, »werden die roten Männer die Wigwams der Weißen verlassen; zu lange sind sie schon von ihnen im Käfig gefangen gehalten worden.«

      »So laß uns eilen«, rief Rosa.

      »Nein, meine Tochter kann nicht mitgehen,« erwiderte er; »der Pfad ist rauh, der Miko muß eilen, damit er erfülle, was ihm geboten worden. Die Füße meiner Tochter sind zart.«

      »Nicht mitgehen? Der Miko will seine Tochter verlassen?« rief das Mädchen entsetzt.

      Der alte Mann schüttelte das Haupt. »Die weiße Rosa ist Tokeah sehr lieb; aber sie ist vom Rosse getragen worden auf dem Pfade, der zwischen dem Natchez und dem endlosen Flusse liegt. Die Dornen des Weges, den ihr Vater nun geht, würden ihre Füße verwunden.«

      »Sie werden stark werden«; versicherte sie ihn.

      »Rosa, meine Schwester, muß bleiben, bis der Miko und sein Sohn zurückgekommen. Die Brüder El Sols, die Häuptlinge der Cumanchees, werden ihre Schritte bewachen und sie schützend umstehen.«

      »Und Tokeah und El Sol wollen wirklich gehen, ohne Rosa mitzunehmen?« sprach sie, beinahe unwillig. »Vater,« bat sie, sich an den Hals des alten Miko werfend, »nimm Rosa, deine Rosa, mit dir.«

      »El-kotah«, sprach dieser, »wird dem Miko sein Mahl bereiten. Aber Rosa muß bei den Weißen bleiben, bis er zurückkommt. Tokeah weiß,« fuhr er fort, »daß ihre Herzen nicht schlagen, wie die der roten Männer; sie klappern, weil nur Dollars darinnen sind; sie zählen die Bissen, die meine Tochter in ihren Mund steckt; aber Rosa mag beim Händler mit Feuerwasser bleiben. Tokeah wird mit Dollars bezahlen. Ocht-it-lan hat ihrer viele für sie, und das gelbe Metall –«

      Es klopfte an die Türe, und der Wirt trat ein und sprach mit Rosen, die mit ihm die Stube verließ.

      Sie erschien ungemein ernst und bewegt nach einigen Minuten wieder.

      »Also muß Rosa bleiben?« fragte sie nochmals.

      »Meine Tochter weiß, wie teuer sie dem Miko ist. Sie ist die einzige Weiße, die seinem Herzen teuer ist. Aber Rosa kann nicht auf dem Pfade gehen, den er nun wandelt.«

      »So will Rosa wieder zu den Weißen. Sie darf nicht beim Händler mit Feuerwasser bleiben, wo bloß Männer sind. Es geziemt der Jungfrau nicht, unter diesen zu sein. Die Weißen sind kalt; aber sie sind auch klug, sie wissen, was geziemt.«

      »Meine Tochter ist weise,« sprach der alte Mann in demselben gelassenen Tone, »der große Geist der Weißen ist in ihr; sie wird seiner Stimme folgen und tun, was er ihr heißt, und ihr Herz ihrem Vater bewahren.«

      »Möge der große Geist dich begleiten, Vater!« lispelte sie ihm zu. »Du bist Rosen teuer. Das einzige, was ihr von Canondah übrig ist. Rosa wird den großen Geist bitten, daß er die Dornen von deinem Pfade tilge.«

      Sie fiel ihm bewegt um den Hals, und der alte Mann legte seine Stirne auf die ihrige; dann erhob er sich, und beide Hände auf ihrem Haupt faltend, sprach er im tiefsten Gefühle: »Der große Geist bewahre dich, meine Tochter!«

      Der junge Häuptling stand in ehrfurchtsvollem Schweigen. Als der Miko seinen Segen ausgesprochen hatte, faßte er ihre Hände und, sie an sein Herz drückend, sah er ihr eine Weile in die Augen und wandte sich dann rasch weg.

      Rosa schaute ihn verwundert an und verließ dann gedankenvoll die Stube.

      Fünfunddreißigstes Kapitel

       Inhaltsverzeichnis

      Am folgenden Morgen nahm die Oberstin Rosa bei der Hand, und sie forschend anblickend, sprach sie mit einer milden, aber eindringenden Stimme:

      »Liebe Miß Rosa! Sie haben gestern etwas getan, das uns alle sehr geschmerzt hat.«

      »Rosa etwas getan, das Schmerzen verursacht hat?« versetzte das Mädchen, ihre Hände faltend.

      »Und Sie fragen, Miß?« erwiderte die Dame, »nachdem Sie bei Nacht, ohne etwas zu sagen, aus dem Hause entwichen, zu den Wilden entwichen«, sprach sie mit stärkerer Betonung.

      »Teure Mutter, ich bitte dich, heiße sie nicht Wilde. Es sind edle Menschen. Ihr habt ihnen viel Böses zugefügt.«

      »Miß Rosa,« sprach die Dame, »darüber können Sie jetzt nicht urteilen. Sie werden es einst können. Bis dahin verschieben Sie Ihr Urteil und glauben Sie einstweilen meiner Versicherung, daß das Los, das diese Wilden niederdrückt, nicht unverdient ist. Jeder Mensch hat sein Schicksal in den Händen. Auch Sie, Rosa, haben es. Und darum bitte ich Sie, nie zu vergessen, daß Sie eine junge Dame sind, die sich nie etwas vergeben, am wenigsten aber den Anstand so sehr verletzen darf, um Wilde zur Nachtzeit zu besuchen.«

      »Aber sie kamen, um Rosa abzuholen, und Rosa mußte zum Miko, ihrem Vater, gehen.«

      »Vater«, rief die Dame unwillig. »Miß, wie können Sie den wilden, garstigen Indianer Ihren Vater nennen?«

      »Rosa wird ihn nie anders nennen. Er ist Canondahs Vater. Sie wird ihn nie verlassen«; sprach sie mit leiser, demütiger, aber auch entschlossener Stimme.

      »Wie, Sie wollen zu den Wilden gehen?« rief die Oberstin mit einem Abscheu, so unverhohlen, als wenn eine ihrer eigenen Töchter ihr diesen seltsamen Entschluß verkündet hätte. »Zu den Wilden?« rief sie nach einer langen Pause abermals, und mit gesteigertem Unwillen. »Unser Haus, die zivilisierteste Gesellschaft, wollten Sie verlassen? Wäre es möglich?« Sie warf einen langen, forschenden, beinahe mißtrauischen Blick auf das Mädchen. Nach diesem zu urteilen, schien sie nicht abgeneigt, diesen seltsamen Entschluß einer minder lautern Quelle zuzuschreiben, als die war, der er seinen Ursprung verdankte.

      »Miß Rosa!« sprach sie mit einer feierlichen Stimme, »das edelste Geschöpf, das aus der Hand der Natur hervorging, ist das Weib. Sie duldet, sie leidet, wo der Mann nur genießt. Selbst ihre Freuden sind an Schmerzen geknüpft. Aber in ihrer Hand liegt das Schicksal des Geschlechtes, und ein tugendhaftes Mädchen, das sich pflichtbewußt zur Gattin bildet, ist eine achtunggebietende Erscheinung. Aber die tiefste Erniedrigung, Rosa, ist es, wenn ein weißes, freigeborenes Mädchen sich freiwillig einem – weniger als Barbaren – einem Wilden zu überliefern niedrig genug denkt. – Es ist tierische Erniedrigung,« sprach sie mit Abscheu, »weil bloß tierische Leidenschaft –« sie hielt inne; denn das Mädchen schrak sichtlich zusammen.

      »Rosa«, sprach sie, »ist sehr unglücklich. Du sagst, es sei die tiefste Erniedrigung, sich den Wilden hinzugeben; wohin soll Rosa gehen? Bei euch«, seufzte sie, »ist sie nichts wert. Sie hat kein Gold. Sie ist arm. Ihr bietet sie, wie der Zwischenhändler sein Feuerwasser, dem öffentlichen Mitleiden an.«

      Die Oberstin sah das Mädchen, dessen richtiger Blick so tief das Unzarte des Zeitungsartikels aufgefaßt und noch immer fühlte, betroffen an. »Es ist gefehlt worden,« sprach sie; »aber diese Unzartheit war gut gemeint, meine Tochter. Wir müssen manches dulden, was uns hart scheint, weil wir den Grund davon nicht einsehen.«

      »Mutter!« sprach das Mädchen, »in meinem Herzen spricht eine Stimme, die mich nie irregeführt hat. Sie gebot mir, dem Miko zu folgen. Sie wird mir sagen, was ich zu tun habe. Aber bei euch würde die arme Rosa verlassen sein. Als der Miko«, fuhr sie mit leiser Stimme fort, »sich entschlossen hatte, in die Niederlassungen der Weißen zu gehen, da ward es in meiner Seele plötzlich helle. Ich verlangte mitzugehen. Rosa ist gegangen. Ach!« seufzte sie, »sie ist fremd unter euch. Als sie in der Hütte des Zwischenhändlers war, da gab man ihr Speise, weil der Miko Felle gab. Sie war fremd damals. Sie ist es wieder. Beim Miko war sie Tochter. Mutter!« rief sie überwältigt von ihren Gefühlen, »sei nicht grausam, entreiße der armen Rosa nicht das

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