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bi?« Wenn er so an die Blicke dachte, die sie gelegentlich getauscht hatten, war Toby gar nicht überrascht. Und er sollte sich wirklich, wirklich nicht darüber freuen, als würde ihm das Wissen persönlich etwas nützen. Trotz seiner Vorliebe für zwanglose Begegnungen war er niemand, der sozusagen auf dem Land der Firma jagte – er flirtete vielleicht, aber letztendlich gab er sich doch Mühe, professionell zu bleiben. Allerdings musste er an sich halten, um ein Grinsen zu unterdrücken, denn verdammt, Reuben forderte all diese Prinzipien heraus.

      »Als ich jünger war, dachte ich, ich wäre vielleicht schwul, habe mich aber nie geoutet und bin gelegentlich mit Frauen ausgegangen. Dann habe ich Natalie kennengelernt. Anfangs waren wir richtig gute Freunde und hatten danach ein paar glückliche gemeinsame Jahre. Als wir uns getrennt hatten, habe ich zum ersten Mal begonnen, mich offen mit Männern zu treffen. Und ich plappere schon wieder vor mich hin. Tut mir leid. Wie auch immer, ich schätze, bisexuell ist das beste Etikett für mich, obwohl ich mich die meiste Zeit von Männern angezogen fühle.«

      »Scheiß auf Etiketten, Mann. Egal, ob gut oder nicht. Die Leute sind nicht dazu bestimmt, in Kategorien gedrängt zu werden. Ich passe bestimmt in keine. Aber ich bin das Gegenteil von dir.« Ups. Toby hatte sich wieder vergessen und mehr geteilt als geplant.

      »Ich war vor allem mit Frauen zusammen, hatte aber ab und zu Geschichten mit Kerlen und auch mit nichtbinären Personen.« Da er bereits so viel gesagt hatte, konnte er ebenso gut weitermachen. »Wenn Leute fragen, sage ich normalerweise bi, aber im Ernst, diese Labels sind beschissen.«

      Er fügte nicht hinzu, dass die Frage nicht besonders oft aufkam. Seine Familie und engsten Freunde wussten davon. Wenn er an jemandem interessiert war, ging er normalerweise auch auf die Person zu, aber da die meisten seiner Begegnungen so locker waren, musste er nicht unbedingt tiefer über seine sexuelle Identität nachdenken.

      »Ist es schwierig, hier draußen offen damit zu sein?«

      »Ich weiß nicht.« Jetzt war Toby derjenige, der wegsah. Verdammt. Das war der Grund, warum er sein Privatleben normalerweise für sich behielt. Derart tiefgehende Selbstbetrachtung war etwas, das er nicht besonders oft tat. Und er war nicht ganz sicher, ob es ihm gefiel, wie leicht es war, sich Reuben zu öffnen und ihm mitzuteilen. »Ich kann nicht für andere sprechen. Aber ich bin einfach kein guter Lügner, war es noch nie. Wenn Leute ein Problem damit haben, dass ich mich von allen Geschlechtern angezogen fühle, dann können sie sich ins Knie ficken.«

      »Amen.«

      »Ich meine, klar, ich habe über die Jahre hinweg einige ignorante Kommentare zu hören bekommen und meine Familie hat eher gemischt reagiert, was die Akzeptanz betrifft, aber ich habe gesehen, wie es an jemandem nagt, sich nicht frei ausleben zu können. Ich habe die Entscheidung getroffen, mich nicht dafür zu entschuldigen, wer ich bin oder wen ich ficke, und bisher hat das für mich funktioniert.«

      »Das respektiere ich.« Reuben nickte. »Ich wünschte, ich wäre in deinem Alter so mutig gewesen…«

      »Hör auf, so zu tun, als wärst du uralt. Schon klar, du bist älter als ich, aber du musst doch wissen, dass du diese Silberbär-Ausstrahlung hast.« Das eisige Wasser musste in seine Wathose gesickert sein und seine Gehirnzellen eingefroren haben, sonst hätte er Silberbär niemals laut ausgesprochen.

      »Ich habe was?« Reuben wirbelte herum und schlug damit Wellen um sie. Fuck. Toby würde das wirklich erklären müssen.

      »Du weißt schon. Viele Männer in deinem Alter werden als Silberfüchse bezeichnet. Aber du bist irgendwie größer und breiter als ein Fuchs…« Konnte er sich eine noch tiefere Grube graben? »Aber… äh… trotzdem heiß. Verstehst du?«

      »Aha.« In Reubens Stimme lag ein Ernst, der Toby innerlich beben ließ. »Wenn ich Zeit für Dating-Apps hätte – was ich nicht habe –, sollte ich das in mein Profil schreiben. Silberbär. Wie ein Fuchs, aber größer und heißer. Glaubst du, dafür würde ich Klicks bekommen?«

      »Weiß nicht. Vielleicht, wenn du eine Aufnahme davon hochlädst, wie du Weinnamen aussprichst.« Tobys Zunge schien ein Eigenleben entwickelt zu haben.

      »Das ist also heiß? Syrah, Malbec, Aligote, Vranec, Aidani…« Reuben klang nicht übermäßig flirtend, aber auch nicht komplett distanziert. Sie hatten definitiv neues Territorium betreten, abseits von dem abstrakteren Gespräch über sexuelle Identität und hin zu etwas, das persönlicher war. Und gefährlicher, aber verdammt, Toby konnte nicht aufhören. Dieses viel zu persönliche Gespräch fühlte sich viel besser an, als es sollte.

      »Angeber. Aber im Ernst? Du hast noch nie eine Dating-App benutzt?«

      »Ich habe Besseres zu tun, als zu entscheiden, ob ich nach rechts wischen will oder nicht. Außerdem bin ich eher für serielle Monogamie. Ich mag Beziehungen. Ich bin zwar lausig darin, aber One-Night-Stands haben mich nie besonders gereizt.«

      »Wirklich? Auch da bin ich das genaue Gegenteil. Beziehungen sind nichts für mich.« Besser, wenn er das gleich klarstellte. Wenn er schon ehrlich aus seinem Leben erzählte, dann konnte er genauso gut auch diesen Teil zugeben. Und es war ja nicht so, als hätte Reuben ihn gebeten, etwas anzufangen, oder als wollte er auch nur etwas anfangen, und Toby sollte es absolut besser wissen als das. Trotzdem fand er, dass er es ihnen beiden schuldig war, klar und deutlich darzulegen, was für ein Mensch er nicht war.

      »Das ist zu schade. Wetten, du änderst irgendwann deine Meinung.« Reubens Lächeln war warm und sein Ton freundlich, fast flirtend, aber etwas daran reizte Toby.

      »Wetten, ich tue das nicht.« Und weil es immer eine schlechte Idee war, einen Kunden anzufahren, fügte er dann etwas fröhlicher hinzu: »Bereit für einen Snack? Es gibt noch eine Küche, die ich nachher mit dir ausprobieren will, die dir bestimmt gefallen wird.«

      Sie sollten besser auf trockenen Boden und zu sicheren Gesprächsthemen zurückkehren, bevor Toby das Verlangen bekam, sich noch mehr mitzuteilen. Er hatte schon viele Kunden gehabt, die er in unterschiedlicher Hinsicht gemocht hatte, daher war er nicht sicher, was Reuben an sich hatte, das ihm gründlich unter die Haut ging. Aber er tat es eindeutig und das konnte wohl kaum etwas Gutes bedeuten.

      Kapitel 4

      Während er versuchte, sich an seinen Vorsatz zu erinnern, hier Spaß zu haben, beäugte Reuben das Flugzeug. Toby bereitete gerade alles für den Nachmittagsflug nach Brooks Falls vor, einen Ort innerhalb des Katmai-Nationalparks, der offenbar für seine Bärensichtungen bekannt war. Da es lediglich ein zwanzigminütiger Flug sein würde, gab es keinen Grund, genauso nervös zu werden wie gestern.

      »Wenn dir das Angeln gefallen hat, dann wirst du das lieben«, versicherte Toby ihm, während er die Luke öffnete. »Es ist nicht ungewöhnlich für uns, ein Dutzend oder noch mehr Bären zu sehen, vor allem im Juli. Da es erst Juni ist, gibt es vielleicht nicht ganz so viele, aber ich wette, wir sehen ein paar. Und der Weg zur Aussichtsplattform ist leicht und kurz. Rein mit dir.«

      »Das Angeln war nicht schlecht«, stimmte Reuben zu, während er ins Flugzeug kletterte. Das war sogar noch untertrieben. Ein paar Urlaubssaisons vor dieser hatten Craig und Leticia ihm eine Massage in einer lokal gerühmten Therme geschenkt. Reuben hatte sich verpflichtet gefühlt, den Gutschein einzulösen, und die Erfahrung war angenehm gewesen. Als er jedoch an diesem Morgen draußen in der Sonne gestanden hatte, während eisiges Wasser gegen ihre Wathosen geplätschert war und sie Forellen gefangen und wieder freigelassen hatten, hatte er sich weit entspannter und friedlicher gefühlt, als es selbst die kompetente Masseurin von damals geschafft hatte.

      Und er hatte Amelia wirklich vermisst und das auf eine Art, die er lange nicht erlebt hatte. Er hatte das kleine Mädchen vermisst, das so gerne Dinge mit ihm unternommen hatte, dessen abenteuerlustige, neugierige Seite noch nicht von der mürrischen Verwandlung der letzten Jahre vertrieben worden war. Dieses Mädchen, an das er sich erinnerte, wäre vor dem Abflug auf der Stelle gehüpft, um die Bären zu sehen, hätte es geliebt zu angeln, hätte über seine Fehler gelacht und seine Erfolge bejubelt. Er hatte nicht gelogen – er war kein Typ, der viele Fotos schoss, aber er hatte zu seinem eigenen Erstaunen gemerkt, dass er die Erfahrung teilen wollte.

      Auch

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