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suchte die Gummihandschuhe, die bis zu den Ellbogen reichten und zog sie an. Dann ging er mit einem großen Müllsack vor die Tür und steckte die Katze in den Sack. Sie hatte eine schwarze Zunge. Er trug die Holzscheite von der Hinterseite der Scheune in den Innenhof und schlichtete sie auf einen Haufen. Er packte mit jeder Hand zwei Hühner an den Beinen und schleuderte sie auf den Holzhaufen. Dann warf er die Katze hinauf. Für die Kühe würde er den Traktor brauchen, sie lagen über die ganze Wiese verstreut.

      In dem Moment, als er das Holz anzünden wollte, lief seine Frau aus dem Haus und schrie: Um Himmels willen! Er zögerte. Wenn es brennt, schrie sie.

      Was, fragte er.

      Es, sagte sie leise.

      Er nahm die Schaufel und grub einen breiten Graben um den Holzstoß. Die hellrote Masse lag nur wenige Zentimeter dick auf dem Boden, sie drang nicht ins Erdreich ein. Er grub und grub. Als er aufhörte, musste er über den neuen Graben springen, er hatte ihn von innen her ausgehoben.

      Später, sagte er zu seiner Frau und gab ihr das Feuerzeug. Jetzt warten wir mal ab.

      Schau, die Kühe, sagte seine Frau und deutete auf die aufgeblähten Bäuche auf der Wiese. So was hab ich noch nicht gesehen, sagte der Bauer. Die Frau schüttelte den Kopf. Er wollte den Traktor holen, doch der sprang nicht an.

      Die Wundermaschine, sagte er. Seine Frau sah ihn ratlos an.

      Er holte sein Gefährt, kurbelte den Motor an und legte das längste Stahlseil, das er hatte, auf die Ladefläche. Die Frau ging neben ihm. Sie hatten beide die dicken Arbeitshandschuhe übergezogen und die Schuhe mit den Stahlkappen, mit denen er normalerweise nur ins Holz ging. Am besten dorthin, sagte die Frau und zeigte in die Mitte des Feldes. Er hob den Kopf der ersten Kuh, um das Seil um ihren Hals zu legen. Die Zunge hing rabenschwarz aus ihrem Maul. Beim ersten kräftigen Ruck der Maschine entfuhr der Kuh mit einem hellen Geräusch, fast einem Jaulen, eine hellrote Staubwolke. Der Mann zog die Frau sofort zu sich und hielt seine Jacke vor ihren Mund. Bloß nicht einatmen, sagte er. Bald schwebte eine große Wolke rund zwanzig Meter über dem Feld. Eine Wolke, die sich nicht mehr aufzulösen schien. Die Kühe lagen auf einem Haufen. Der Bauer war verschwitzt. Es dämmerte bereits.

      Lass uns heimgehen, sagte er. Den Rest machen wir morgen. Dann wissen wir sicher mehr.

      Bevor sie ins Bett gingen, drehten sie noch einmal alle Geräte auf. Ich versteh das nicht, sagte er. Wenn die Stromleitungen gestört sind, aber die Satelliten müssten doch funktionieren.

      Ich werde morgen Nudeln machen, sagte die Frau. Weißt du noch, wie die Kinder immer den Nudelteig vom Brett stibitzt und ihn auf den Holzofen gelegt haben, fragte sie. Der Bauer schaute sie an. Sie staunten immer, wie sich der Teig aufblähte und kleine schwarze Flecken bildete. Die Frau begann zu weinen. Paula hat ihn mit Schmalz und Salz besonders gern, sagte sie mit erstickter Stimme. Der Bauer drückte sie an sich.

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      Der Bauer schlief tief und fest. Nichts und niemand bringt mich um meinen Schlaf, sagte er immer. Die Frau hielt es nicht mehr aus im Bett. Sie ging ans Fenster und schaute hinaus aufs Feld. Die Wolke war noch immer da, darunter eine dunkle Masse, zu der die toten Kühe aus dieser Entfernung verschmolzen waren. Die Sonne ging über der rot eingefärbten Landschaft auf. Fünf Uhr in der Früh.

      Die Schwärze hatte sich von der Nase über die Wange ausgeweitet. Der Bauer bemerkte es erst jetzt. Er streichelte ihre Wange. Dann stieß er die Bettdecke weg und betrachtete seine Füße. Die Schwärze kroch langsam das Schienbein hoch.

      Komisch, sagte er. Ich spür’ gar nichts.

      Nein, sagte die Frau. Aber es wird immer größer.

      Wir müssen irgendjemanden fragen, sagte der Bauer.

      Du musst alleine ins Dorf fahren, sagte die Frau. Ich kann so nicht mitkommen.

      Und wenn die Flut wiederkommt, fragte der Bauer.

      Was soll noch passieren, fragte sie.

      Wenn die Flut wiederkommt, gehst du diesmal auf den Dachboden, sagte der Bauer. Das musst du mir versprechen.

      Der Bauer zog sich an und setzte sich ins Auto. Der Wagen sprang nicht an. Dachte ich mir schon, sagte der Bauer zur Frau. Am Boden im Wageninneren lag überall der rote Dreck.

      Der Bauer stieg auf die Wundermaschine, kurbelte den Dieselmotor an und grinste.

      Gut, gut, gut, sagte er und fuhr los.

      Bring Wasser mit, rief ihm die Frau noch nach.

      In der Allee hingen tote Vögel in den Ästen, am Straßenrand lag ein toter Hund, die verendeten Eichkätzchen und Hasen hörte er bald auf zu zählen.

      Auf dem Dorfplatz endlich Menschen. Er starrte einen Mann an, der eine Sturmmütze über dem Kopf trug – nein, seine Haut war bis unter den Haaransatz rabenschwarz. Er machte ihm mit der Hand ein Zeichen. Seine Zähne blinkten gelb, die Augen waren rot unterlaufen.

      Hans, sagte der Bauer.

      Da schaust, sagte der Mann mit dem schwarzen Gesicht. Wer fürchtet sich vorm Schwarzen Mann.

      Deinen Humor möchte ich haben, sagte der Bauer. Und zog seine Hose an den Beinen hoch.

      Sauber, sagte der Mann anerkennend.

      Was weiß man denn, fragte der Bauer.

      Nichts, sagte der Mann mit dem schwarzen Gesicht. Niemand weiß nichts.

      Und eure Viecher, fragte der Bauer.

      Alle hin, sagte Hans.

      Beide starrten auf eine Gruppe von Soldaten, die Atemmasken trugen und kleine Plastiksäcke mit Schlamm zu einem Militärzelt am Ende des Dorfplatzes brachten. Dort saßen mehrere Soldaten und beschrifteten die Schlammproben. Alle Dorfbewohner schaufelten den Schlamm aus den Kellern, sie schoben den Dreck mit Besen durch die Gänge und türmten ihn vor den Häusern auf. Die Mülltonnen quollen über. Die Dorfstraßen waren rot. Mit jedem Schritt, den ein Dorfbewohner tat, breitete sich der Schlamm noch mehr aus.

      Ich komm mir vor wie in einem Katastrophenfilm, sagte Hans. Auf den Hügel zur Kirche sind sie alle gerannt, wie es losgegangen ist. Drüben im Graben sind zwei Familien ertrunken. Fünf Tote, sagen sie. Die konnten sie gar nicht mehr warnen. Das war eine richtige Springflut. Werden sicher noch mehr Tote sein. Und stell dir vor: Der Vizebürgermeister ist in Ohnmacht gefallen. Und der Gemeindesekretär hat sich übergeben. Und solche sollen das jetzt alles managen.

      Wahrscheinlich werden sie am Vortag zu lang gefeiert haben, sagte der Bauer.

      Der Bauer ging zu den Soldaten und fragte, was das für eine Masse sei.

      Ein Soldat mit Atemmaske und einem weißen, verschmierten Schutzanzug deutete zu einem anderen vermummten Mann, um den schon mehrere Männer aus dem Dorf standen.

      Wir wissen es nicht, schrie der Soldat durch seine Maske. Wir nehmen doch gerade erst die Proben. Wichtig ist, jetzt Ruhe zu bewahren.

      Ruhe bewahren, schrie ein Mann, den der Bauer nicht erkannte. Seid ihr alle verrückt, wie soll es denn jetzt weitergehen mit dem ganzen Gift? Ruhe bewahren, ihr bringt alles um, und wir sollen Ruhe bewahren!

      Beruhigen Sie sich, sonst muss ich Sie abführen lassen, schrie der Soldat.

      Du spinnst doch, sagte der Mann, den der Bauer nicht erkannte, und ging schnell davon.

      Der Bauer ging zurück zu Hans.

      Geht das Telefon bei dir, fragte der Bauer.

      Nix, sagte Hans. Gar nix geht.

      Die Wolke muss ein elektrostatisches Feld erzeugt haben, murmelte der Bauer.

      Was für eine Wolke, fragte Hans.

      Der Bauer bemerkte den Arzt und ging zu ihm hin.

      Ein paar Männer standen um den Arzt herum. Der Arzt war ein ruhiger, besonnener Mann, der zwar zum Stammtisch kam, aber

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