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Fassaden, die nach einigen Metern aus dem rechten Bildrand hinauslaufen. Der Häuserzeile entlang verläuft ein schmaler Gehsteig.

      Eine ähnliche Ansicht bietet die gegenüberliegende Häuserzeile. Statt eines Schauraums richten die Blaumänner im Eckhaus ein kleines Straßencafé ein: Runde Bistrotische mit einzelnen Blumen in improvisierten Gefäßen und gemütliche Korbstühle sorgen für ein beschauliches Ambiente und laden mich zum Verweilen ein.

      Ich setze mich und beobachte weiterhin das emsige Treiben.

      Gerade bepflastert der Bautrupp die Fahrbahn und beschildert das Straßeneck mit dem rot-weiß-roten Einbahnrund. Sehr zu meiner Freude ist auch das sichtstörende Parken in dieser schaubaren Gasse verboten. Ich kann also ungestörten Blicks den Mann in der Auslage auf der gegenüberliegenden Straßenseite beobachten.

      Der Alte überprüft mit seinem Lineal den rechten Winkel dieser Gasse mit der im Bild links nur kurz angedeuteten zweispurigen Querstraße.

      Ich bestelle bei der freundlichen Bedienung einen Kaffee, überprüfe, ob ich noch genug Geld eingesteckt habe, denn eigentlich wollte ich vor dem Markt noch welches abheben, und als ich beruhigt wieder hochschaue, überprüft der Bauleiter gerade die Sicherheit der Baustelle, die im Bild am Straßeneck links neben dem Schauraum eingebaut wurde und mit ihrem einem mal einem Meter die rechtwinklig angelegten Gehsteigkanten säumt.

      An der Baustelle blinkt weiterhin das Licht. Drumherum sammelt sich langsam der Trupp und trippelt schließlich geschlossen unter der Führung des Bauleiters die Querstraße hinauf aus meinem Blickfeld.

      Der Alte betrachtet zufrieden sein Werk und freut sich, hier, an dieser Stelle, den Anstoß gegeben zu haben. Mit einem Blick auf das Licht versichert er sich dessen Zustimmung. Dann geht er mitsamt seinem Wissenschaftskoffer die Gasse hinunter und verschwindet bald aus dem Bild.

      Eingerahmt und ausgestellt schaut der Mann nun durch das Schaufenster des Schauraums in die Gasse hinaus, zu mir herüber ins Café.

      Ich winke ihm freundlich, doch er zeigt mir nur die kalte Schulter und versucht, es sich erneut in seinem Liegestuhl gemütlich zu machen.

      BILDSTÖRUNG

      Es beschleicht mich das Gefühl, dass der Mann im Liegestuhl das bisherige Geschehen für keine gute Idee hält. Aber er wird schon sehen. Deshalb ist er schließlich hier.

      Ich auch.

      Also.

      7. BILD

      Ich beschließe, die Wartezeit auf den Kaffee zu nutzen und mir die Auslage aus der Nähe anzusehen. Ich überquere die Straße und bleibe vor dem Schaufenster stehen. In der Auslage liegt der Mann im Liegestuhl.

      „Entschuldigung“, vernehme ich eine Stimme von links. Reflexartig trete ich einen Schritt zurück und gebe so den Weg für ein Mannequin frei, das regungslos zwischen mir und dem Schaufenster vorüberschwebt. Ich traue meinen Augen nicht und meinem Mund entflieht ein erstaunter Laut, ein unentschiedenes „Ah“ oder „Oh“.

      Jedenfalls macht meine Lautbildung den Mann im Liegestuhl auf das Mannequin aufmerksam und sein darauffolgender perplexer Laut versetzt wiederum das Mannequin in hörbares Erstaunen.

      Jetzt sind wir alle drei überrascht, niemand traut den eigenen Augen, und das Mannequin verleiht dem allgemeinen Erstaunen als Erste Ausdruck:

      „Das ist mein Platz. Warum nehmen Sie meinen Platz ein? Das ist mein Platz. Wissen Sie das denn nicht? Wie kommen Sie dazu, meinen Platz einzunehmen? Das ist mein Platz. Glauben Sie denn, Sie könnten meinen Platz einnehmen? Das ist mein Platz.“

      Unbehaglich trete ich einen weiteren Schritt zurück und verstecke mein Gesicht hinter den Handflächen, etwas Besseres fällt mir in der Sekunde leider nicht ein.

      „Das ist mein Platz. Warum nehmen Sie meinen Platz ein? Das ist mein Platz. Wissen Sie das denn nicht? Wie kommen Sie dazu, meinen Platz einzunehmen? Das ist mein Platz. Glauben Sie denn, Sie könnten meinen Platz einnehmen? Das ist mein Platz.“

      Der Mann hat sich mittlerweile aus seinem Liegestuhl erhoben und ist näher an die Glasscheibe getreten.

      Das Mannequin blickt ihm direkt ins Gesicht, völlig aufgebracht meint es wirklich ihn. Da bin ich kurz ein wenig erleichtert.

      „Das ist mein Platz. Warum nehmen Sie meinen Platz ein? Das ist mein Platz. Wissen Sie das denn nicht? Wie kommen Sie dazu, meinen Platz einzunehmen? Das ist mein Platz. Glauben Sie denn, Sie könnten meinen Platz einnehmen? Das ist mein Platz.“

      Das Mannequin meint eindeutig ihn. Es kann ihn dort hinter dem Schaufenster sehen und findet das, was es sieht, nicht gut. Dabei hat sich der Mann nach seiner letzten Erfahrung, nicht von allen gesehen zu werden, gerade mit dem Gedanken angefreundet, nur gedacht werden zu können. Das sagt er, weicht einen Schritt zurück und fällt mit einem lauten Rums über seinen Liegestuhl.

      Erleichtert riskiere ich einen Blick über den Rand meiner Fingerspitzen. Dieser verstohlene Blick meinerseits lässt den Mann erröten. Schleunigst zieht er sich Kleidungsstück um Kleidungsstück an, während das Mannequin ihm gegenüber fortwährend Platzansprüche erhebt:

      „Das ist mein Platz. Warum nehmen Sie meinen Platz ein? Das ist mein Platz. Wissen Sie das denn nicht? Wie kommen Sie dazu, meinen Platz einzunehmen? Das ist mein Platz. Glauben Sie denn, Sie könnten meinen Platz einnehmen? Das ist mein Platz.“

      Jetzt überschlägt sich die Stimme des Mannequins und mündet in einem schrillen Pfeifton, der sofort den Bauleiter auf den Plan ruft. Schnellen Schrittes eilt er beflissen herbei und hilft dem Mannequin vorsichtig durch die Glastür des Schauraums hindurch, hinein in die Auslage.

      Dort steht es nun, stumm und unbewegt, dort kann ich es bewundern und meine Nase dabei am Schaufenster platt drücken. Während ich also sehnsuchtsvoll meinen Blick durch die Scheibe schicke, verschwindet der Bauleiter ungesehen aus dem Bild, und der Mann beginnt kapitulierend seinen Liegestuhl zusammenzulegen.

      „Bitte bleiben Sie. Allein fühlt man sich ausgestellt.“

      Auf diese Bitte des Mannequins stellt der Mann seinen Liegestuhl wieder sachkonform auf, zieht sich erneut selbstbewusst Kleidungsstück für Kleidungsstück aus, faltet jedes und legt alles hübsch gestapelt neben seinem Liegestuhl ab. Die Unterhose lässt er zu den Knöcheln.

      „Nein, das will ich wirklich nicht sehen“, entkommt es mir, und so behält der Mann einsichtig die Unterhose an. Er schmiert sich ausgiebig mit Sonnencreme ein.

      Das dauert mir zu lange. So beschließe ich, wieder zurück ins Café zu gehen, setze mich an meinen Tisch und genieße den bereits auf mich wartenden Kaffee.

      Irgendwann ist der Mann fertig eingecremt, und ich sehe, wie er sich endlich in seinen Liegestuhl legt. Er rückt sich neben dem Mannequin gemütlich zurecht.

      Das Mannequin posiert neben dem Mann im Liegestuhl.

      8. BILD

      Ein alter Mann schlendert die Gasse entlang. Er geht am Schaufenster vorüber, umrundet einmal prüfend die quadratische Baustelle am Eck. Das Licht leuchtet. Dann überquert er die Einbahnstraße und kommt direkt auf mich zu. Ich lege die Tageszeitung zur Seite und überlege, wo ich ihn bereits gesehen habe.

      Er trägt keinen Arbeitskittel und keinen Wissenschaftskoffer, zieht auch nicht konzentriert „hm-end“ und „oh-end“ Kreis um Kreis um den Liegestuhl. Trotzdem kenne ich ihn.

      Der alte Mann nickt mir zur Begrüßung zu, und noch ehe ich ihn fragen kann, woher wir einander kennen, stellt er sich als Meton vor und nimmt bereits die Antwort vorweg:

      „Sollten Sie nicht wissen, wer Meton ist, was nichts macht, denn dafür bin ich jetzt hier, um Sie darauf hinweisen zu können, werde ich mich in Folge kurz veranschaulichen. Sollten Sie wissen, wer Meton ist, oder sollten Sie es aus falscher

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