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Bemerkung«, sagte Parker, »und durchaus verständlich, daß Sie enttäuscht gewesen sein müssen. Nur sechs Trauergäste? Das war in der Tat nicht besonders viel.«

      »Wo der doch mal die Millionen seines Alten erben sollte«, redete der Angestellte weiter. »Geld in jeder Menge. Und dann plötzlich dieser Sturm. Und schon ist es aus. Wenn Sie mich fragen, Sir, ich würd’ niemals 'raus aufs Meer gehen. Man sieht ja mal wieder, wie leicht man ertrinken kann.«

      »Mister Hastings ertrank?«

      »Und wie«, sagte der Totengräber fast begeistert, »hat Tage gedauert, bis die Küstenwache ihn gefunden hat. Muß ganz schön ausgesehen haben. Na, jetzt ist alles vorüber!«

      »Nahmen Sie an der Beerdigung teil?« erkundigte sich Parker.

      »Klar, ich hab doch den Katafalk gezogen! Wir hier vom Schattenhain waren in voller Besetzung dabei, aber dann nur diese sechs miesen Trauergäste. Wissen Sie, da hat die Atmosphäre gefehlt, wenn Sie verstehen, was ich meine.«

      »Ich glaube, ich habe Sie verstanden«, meinte der Butler gemessen, »haben Sie später hier am Grab irgendwelche Trauernden bemerkt?«

      »Doch...!«

      »Um wen handelte es sich, wenn ich fragen darf?«

      »Warum fragen Sie eigentlich?« kam die mißtrauische Antwort. »Ein Reporter sind Sie doch ganz sicher nicht.«

      Während der Totengräber redete, schätzte er den Butler mit seinen Blicken ab. Er konnte sich auf die Erscheinung, die da vor ihm stand, keinen Reim machen. Er sah einen mittelgroßen, schlanken Mann, dessen Alter undefinierbar war. Und dieser Mann trug einen schwarzen zweireihigen Anzug, einen korrekt sitzenden Eckkragen mit schwarzer Krawatte und eine schwarze Melone. Über dem linken Unterarm hing ein altväterlich gebundener Regenschirm, der aus einem Museum zu stammen schien.

      »Mich führt ein allgemein menschliches Interesse hierher«, sagte Parker höflich.

      »Ach so, jetzt geht mir ein Licht auf«, sagte der Totengräber, »Sie sind vom Beerdigungsinstitut, wie?«

      »Ich möchte nicht unbedingt widersprechen«, erwiderte Parker.

      »Das ist was anderes«, redete der Angestellte weiter, »um auf Ihre Frage zurückzukommen. Da war tatsächlich ein paar Tage später noch ’n Trauergast hier draußen.«

      »Ich lausche mit Interesse«, erklärte Parker höflich.

      »ne Frau war’s gewesen«, berichtete der Totengräber, »sah verdammt gut aus! Blond und so, Sie wissen, was ich meine. Die hab’ ich hierher geführt.«

      »Wissen Sie zufällig, wie sie hieß?«

      »Keine Ahnung. Ich weiß nur, daß sie mir ’n fettes Trinkgeld gegeben hat Geben alle hier, wenn ich sie ’rausbringe!«

      »Sie sollen auch von mir nicht enttäuscht werden«, beruhigte Parker den Totengräber. »Das Trinkgeld würde noch höher ausfallen, wenn ich den Namen dieser Frau erfahren könnte.«

      »Soll das ’n Wort sein?« erkundigte sich der Totengräber.

      »Sie können sich auf mich verlassen!«

      »Na ja, wenn ich richtig liege, ist das die Susan Clearborn gewesen.«

      »Aha...!« Mehr sagte Parker nicht, denn mit diesem Namen wußte er nichts anzufangen.

      »Moment mal, Sie kennen die Clearborn nicht?« wunderte sich der Totengräber.

      »Ich bedaure...!«

      »Die is doch die Freundin von Hastings gewesen! Konnten Sie doch in jeder Zeitung nachlesen. Aber jetzt muß ich gehen. Wird Zeit für mich. Ich muß noch zwei Gräber ausheben. Bei uns is’ immer ’ne Menge zu tun!«

      Parker reichte dem Totengräber das erwartete, fette Trinkgeld. Nachdem der Mann zwischen blühenden Sträuchern und Büschen verschwunden war, wandte sich auch der Butler ab und schritt würdevoll zurück zum Ausgang.

      Sensationen hatte er sich von seinem Besuch hier auf dem Friedhof gewiß nicht versprochen. Dazu wußte er zu wenig. Er war jedoch froh, wenigstens von dieser Miß Susan Clearborn erfahren zu haben.

      Parker kam an dichten Sträuchern vorbei, die den Blick hinüber zum Office des Friedhofes versperrten Er hatte diese Buschgruppe fast passiert, als er plötzlich knapp hinter sich das Geräusch von knirschendem Kies hörte.

      Bevor Parker etwas unternehmen konnte, traf ihn ein heimtückischer, harter Schlag auf den Kopf, der ihm die Melone tief in die Stirn trieb. Parker sah sich genötigt, erst einmal in die Knie zu gehen. Dann rollte er seitlich ab und fiel auf den sattgrünen Rasen.

      Er war natürlich nicht ohnmächtig. Nicht umsonst hatte er seine schwarze Melone mit Stahlblech ausfüttern lassen. Sie hatte die Wirkung des Schlages genommen und Parker vor Schaden bewahrt.

      Parker blieb also mit geschlossenen Augen auf dem sattgrünen Rasen liegen und wartete erst einmal ab. Er wußte nicht, weshalb man ihn so plötzlich niedergeschlagen hatte. Er wußte nicht, was der Schläger von ihm wollte.

      Parker spürte Hände auf seinem Jackett.

      Die Finger tasteten sich schnell und geschickt an seine Brieftasche heran und zogen sie heraus.

      Wenig später öffnete der Butler vorsichtig seine Augen. Er wollte schließlich wissen, mit wem er es zu tun hatte.

      Nun, vor ihm stand ein sehr clever und hart aussehender Bursche von etwa dreißig Jahren, der einen hellen Sommeranzug trug. An seinem Handgelenk baumelte ein Totschläger an einer Lederschlaufe.

      Dieser junge Mann hielt Parkers Brieftasche in der Hand und grinste versonnen vor sich hin. Er freute sich wohl noch nachträglich über den gelungenen Niederschlag.

      Parker blieb regungslos liegen. Ihm kam es darauf an herauszufinden, ob der clevere junge Mann sich nun mit der Brieftasche davonmachte oder nicht. Schon daraus ließen sich ja bestimmte Schlüsse ziehen.

      Der junge Mann blieb.

      Er faltete die Brieftasche auseinander und - schrie plötzlich entsetzt auf.

      Er ließ die Brieftasche fallen und tanzte auf dem linken Bein im Kreis herum. Er schlug die Hände vor sein Gesicht und bemühte sich, die tränenden Augen auszureiben. Damit machte er gewisse Dinge nur noch schlimmer. Er rieb sich mit Erfolg die Pfefferladung tiefer in die Augenhöhlen hinein. Er hatte ja nicht wissen können, daß Parkers Brieftasche mit einer gehörigen Portion Pfeffer gegen unbefugtes Öffnen gesichert war.

      Parker erhob sich würdevoll und klopfte sich mit leichter Hand einige Gräser von seinem schwarzen Anzug herunter. Dann hob er die Brieftasche auf und wartete darauf, daß der junge Mann sich von seinem Schock erholte.

      Der junge Mann hatte Pech.

      Während seines Rundtanzes geriet er in die gefährliche Nähe eines recht dornigen Strauches. Bevor Parker warnend einschreiten konnte, steppte der Schläger zielsicher in diesen Strauch hinein.

      Keuchendes Brüllen war die Reaktion.

      Der junge Mann, der immer noch vor lauter Tränen nichts sehen konnte, arbeitete sich mühsam aus dem Strauch hervor und blieb dann japsend und nach Luft schnappend stehen. Er getraute sich nicht mehr, auch nur noch einen einzigen Schritt zu tun.

      »Sie sollten das unnötige Reiben der Augen auf jeden Fall aufgeben und einstellen«, meinte Parker schließlich, »meiner bescheidenen Schätzung nach müßten Sie jetzt wieder sehen können. Ich würde es an Ihrer Stelle auf einen ersten, schüchternen Versuch ankommen lassen.«

      Der junge Schläger hielt sich an den Ratschlag.

      Zuerst öffnete er das linke, dann das rechte Auge. Aus rot entzündeten Augen starrte er den Butler an, der steif und würdevoll vor ihm stand und zustimmend nickte.

      »Lassen Sie sich das eine kleine Lehre sein«, meinte Parker, »es gehört sich einfach nicht, Brieftaschen ohne Erlaubnis aus fremden Taschen zu ziehen.«

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