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> Die neue Praxis Dr. Norden – 5 –

      Valentina und ihr Mann Korbinian waren seid fünfundzwanzig Jahren verheiratet und würden demnächst ihre Silberhochzeit feiern. Es sollte ein großes Fest werden. Valentina war sehr froh, dass Carolina, Korbinians Nichte, die Tochter seiner Schwester, sich bei ihnen einquartiert hatte, um ihnen bei den Vorbereitungen zu helfen. Carolina hatte sich nach ihrer Ausbildung zur Köchin zur Ernährungsberaterin fortgebildet, und sie liebte es, für andere zu kochen.

      »Was hast du heute vor, mein Schatz?«, wollte Valentina von Korbinian wissen, bevor sie sich an diesem Morgen auf den Weg zu Danny Norden machte, um sich um seinen Haushalt zu kümmern, so wie an jedem Vormittag von Montag bis Freitag.

      »Onkel Korbinian könnte mich zum Einkaufen begleiten«, sagte die junge Frau, die in der gemütlichen Bauernküche der Merzingers stand und im Stehen eine Tasse Kaffee trank.

      »Danke für das Angebot, Carolina, aber ich habe ein bissel Arbeit im Garten, und heut ist ein schöner Tag dazu«, antwortete Korbinian seiner Nichte.

      »Du bist jetzt Rentner, Korbinian, du kannst jeden Tag in den Garten gehen«, sagte Valentina und streichelte ihrem Mann über das kurze graue Haar. Er saß auf der Eckbank am Küchentisch und hielt eine Tasse Kaffee in der Hand.

      »Ich habe aber einen Zeitplan aufgestellt, bis zur Feier will ich alles erledigt haben. Außerdem tut es mir gut, mich ein bissel unter Stress zu setzen, dann habe ich nicht das Gefühl, aussortiert zu sein«, erklärte er ihr, nachdem er einen Schluck Kaffee getrunken hatte.

      »Geh, du bist doch nicht aussortiert«, entgegnete Valentina lächelnd, die neben ihm stand und ihn liebevoll betrachtete. Sie hatte den großen starken Mann mit den warmen dunklen Augen erst kennengelernt, als sie schon auf die vierzig zuging. Er war ihre erste große Liebe, und sie war auch für ihn die erste Frau, mit der er sich vorstellen konnte, sein Leben zu verbringen.

      »Es ist halt eine Umstellung«, seufzte Korbinian, der über vierzig Jahre lang als Elektriker in dem Bauunternehmen angestellt war, in dem er seinen Beruf erlernt hatte.

      »Stimmt, aber mir gefällt die Umstellung, weil du jetzt mehr Zeit für mich hast«, entgegnete Valentina.

      »Du müsstest auch nicht mehr arbeiten gehen.«

      »Mei, die paar Stunden bei unserem Doktor. Ich hab ihn gern, und es macht mir Spaß, ihn ein bissel zu umsorgen«, gestand Valentina ihrem Mann, dass sie nicht nur wegen des Geldes zu Danny ging.

      »Ich weiß, du brauchst immer jemanden, den du umsorgen kannst.«

      »Sie kann dich umsorgen, Onkel Korbinian«, meldete sich Carolina zu Wort.

      »Das ist nicht dasselbe. Doktor Norden ist in dem Alter, in dem er Valentinas Sohn sein könnte, und das ist, was sie braucht. Wir hatten doch nicht mehr das Glück, noch eigene Kinder zu bekommen«, erklärte Korbinian seiner Nichte.

      »Weil ich schon zu alt war«, seufzte Valentina.

      »Wir sind doch auch so glücklich«, sagte Korbinian und umfasste sanft Valentinas Hand.

      »Ja, das sind wir«, versicherte ihm Valentina.

      »Und ihr liebt euch noch immer, das finde ich großartig. Es wird ein wundervolles Fest werden, dafür werde ich sorgen«, versprach Carolina den beiden.

      »Das wissen wir, Kleines«, sagte Valentina. »Aber jetzt muss ich los, wir sehen uns dann zum Mittagessen.«

      »Um das ich mich kümmern werde«, sagte Carolina. Sie half Valentina in die blaue Strickjacke, die sie zu ihrer weißen Bluse und dem hellblauen Faltenrock trug.

      »Mei, damals, als der Korbinian und ich geheiratet haben, da war ich auch noch so schlank wie du«, stellte Valentina mit einem verträumten Lächeln fest, als sie die schlanke junge Frau betrachtete und gleichzeitig über ihre im Laufe der Jahre rundlich gewordenen Hüften strich.

      Carolina trug Jeans und T-Shirt, hatte ihr dunkles Haar zu einem dicken Zopf geflochten, und Valentina wurde es ganz warm ums Herz, als Carolina sie mit ihren strahlend blauen Augen ansah. Als sie sie kennenlernte, ging sie noch in den Kindergarten, und sie hatte sie schon damals in ihr Herz geschlossen. Es war ihr immer eine große Freude gewesen, wenn das Mädchen, das mit seiner Familie in der Nähe von Bremen lebte, in den großen Ferien zu ihnen kam, um ein paar Tage mit ihnen in den Bergen wandern zu gehen.

      »Mit dir ist alles in Ordnung, Tante Valentina«, versicherte ihr Carolina und umarmte sie liebevoll.

      »Danke, mein Schatz. Bis später!«, rief Valentina, schaute noch einmal in die Küche und warf Korbinian einen Handkuss zu. Als sie gleich darauf das Haus verließ, blieb sie kurz stehen, bevor sie das Grundstück verließ.

      Die Sonne schien und wärmte sogar schon ein wenig. Der Frühling kündigte sich an. Sie schaute auf das Haus mit der sonnengelben Fassade, das sie von ihren Eltern geerbt hatte. Küche, Wohnzimmer und das Gästezimmer im Erdgeschoss, Schlafzimmer und ein großes Bad im ausgebauten Dachgeschoss, das war ihr immer genug gewesen. Und sie liebte den Garten mit seinen reichtragenden Obststräuchern und prächtigen Blumenbeeten. Die immergrüne Hecke aus hochgewachsenen Buchsbaumpflanzen schirmte den Garten vor neugierigen Blicken der Nachbarn und zur Straße hin ab, was sie als äußerst angenehm empfand.

      Valentina lächelte in sich hinein, als sie auf den Teich schaute, den Korbinian vor einigen Jahren mit Freunden angelegt hatte. Im letzten Herbst hatte er beschlossen, ihn zu einem Schwimmteich zu erweitern. Die zusätzliche Erde war bereits ausgehoben. Den Winter über hatte Korbinian die Erdkuhle mit einer Plane abgedeckt, die wollte er heute abnehmen und mit den Arbeiten für den Teich beginnen. Er hoffte, bis zur bevorstehenden Feier fertig zu sein. Ihre Gäste sollten sich bei ihnen wie in einem kleinen Paradies fühlen. Mein Korbinian schafft alles, was er sich vornimmt, dachte Valentina lächelnd und ließ das Gartentor hinter sich zufallen.

      *

      Korbinian hatte mit der Arbeit im Garten gewartet, bis Carolina gegangen war. Sie wollte in die Innenstadt fahren. Dort hatte ein neuer Bioladen eröffnet, dessen Angebot sie sich ansehen wollte. Korbinian genoss den Besuch seiner Nichte und wollte so viel Zeit wie möglich mit ihr verbringen. Er wäre auch mit ihr in die Stadt gefahren, aber er wäre sicher kein guter Begleiter gewesen, weil er ständig an die Arbeit im Garten gedacht hätte.

      Er zog seine Arbeitshose an, die mit den vielen Taschen, in denen er das unterschiedlichste Werkzeug unterbringen konnte, und dazu sein blauweißkariertes Hemd. Bevor er in den Garten hinausging, schaltete er den Backofen aus und nahm das Backblech heraus, worum Carolina ihn gebeten hatte. Sie hatte Teigtaschen gebacken, die er und Valentina heute probieren sollten. Seit Tagen kochte sie schon für sie, weil sie mit ihnen gemeinsam ein Menü für die Feier zusammenstellen wollte.

      Die Teigtaschen dufteten verlockend, und er konnte nicht widerstehen, eine davon zu nehmen. Da sie noch sehr heiß war, nahm er sie mit hinaus in den Garten. Zuerst musste er die Plane entfernen, mit dem er die Kuhle abgedeckt hatte, danach würde er die ersten Teichpflanzen in die Erde setzen. Er ging noch einmal um den Teich herum, um ihn von allen Seiten zu betrachten, und biss in die Teigtasche, die mit Gemüse und Käse gefüllt war.

      »Was ist denn jetzt los?«, flüsterte er, als ihm auf einmal ganz heiß und schwindlig wurde. Als ihm plötzlich die Beine wegsackten, versuchte er noch, sich mit den Händen abzufangen, aber es gelang ihm nicht. Er stürzte und fiel auf die Plane, die den Teich abdeckte. Sie sackte unter seinem Gewicht nach unten. Er spürte noch, wie er mit dem Kopf auf etwas Hartes schlug, danach wurde ihm schwarz vor Augen.

      *

      Währenddessen saß Valentina bei Danny Norden in der Küche und trank in aller Ruhe Kaffee. Sie hatte Rühreier und Toast für Danny gemacht und leistete ihm wie jeden Morgen, wenn sie bei ihm war, Gesellschaft. »Wie viele Gäste erwarten Sie denn zu Ihrer Feier?«, fragte Danny, als Valentina ihm von Carolinas Kochkünsten erzählte.

      »So um die fünfzig«, sagte sie und ließ ihren Blick durch Dannys große helle Wohnküche mit dem Kachelofen schweifen. Die Schiebetür zum Wohnzimmer, die sich fast über die ganze Wand hinzog, war geöffnet. Die beiden Räume schienen nahtlos ineinander überzugehen. So viel Platz hatte sie zwar nicht in ihrem Haus, aber für ihre Gäste würde es

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