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wußte Edna, daß sie weiterlernen mußte.

      *

      Der Tag der Beisetzung war gekommen – ein grauer, regnerischer Septembertag. Im Schlosse war alles feierlich still. Nichts deutete darauf hin, daß eine Stunde später der tote Schloßherr zu Grabe getragen werden sollte.

      Frau Elisa und ihre Kinder kleideten sich sorgfältig an und sahen denn auch sehr schön und elegant aus, als sie unten im Schloß erschienen. Sie war heute mit ihren Kindern zufrieden. Hauptsächlich auf Gerswint ruhten ihre Augen mit Mutterstolz. Diese Tochter war ganz nach ihrem Geschmack.

      Aber auch Edna hatte sich gut entwickelt, das fiel der Mutter besonders heute auf. Sie glich Gerswint auffallend. Nur daß ihr das Überlegene, Hochmütige fehlte – das war in Frau Elisas Augen eine Unvollkommenheit.

      In der Halle des Schlosses standen schon die Herren Glang, Melch und Wieloff und mit ihnen die Beamten der Hellersenschen Güter. Es war eine ansehnliche Schar, wie Frau Elisa mit der Befriedigung feststellen konnte; die Herrschaft Waldwinkel mußte also noch größer sein, als sie angenommen hatte. Die Frauen und Kinder, die unter den Männern standen, gehörten wohl zu den Beamten.

      Frau Elisa und die Ihren schritten an der Gruppe vor­über und suchten sich in gemessener Entfernung einen Platz, als wollten sie den Leuten klarmachen, daß sie keine Gemeinschaft mit ihnen wünschten. Und die ohnehin schon traurigen Mienen der Frauen und Männer wurden immer trostloser. Voll Wehmut gedachten sie der guten Tage, die sie bei ihrem verstorbenen Herrn gehabt hatten.

      »Da stehen einem ja die Haare zu Berge bei so viel Unnahbarkeit«, spottete der Sanitätsrat halblaut. »Und was werden Ihre Gnaden dazu sagen?« zeigte er mit einer Kopfbewegung zum Portal hin, durch das soeben die Gutsleute die Halle betraten. Männer, Frauen und Kinder, alle sahen sie niedergeschlagen und verschüchtert aus.

      »Arme Leute«, sagte der Arzt mitleidig. »Die guten Tage, die sie bei dem Dahingeschiedenen hatten, werden sie nun doppelt büßen müssen durch die, die jetzt die Herrschaft antreten.«

      Der Justizrat nickte zerstreut.

      »Ich werde jetzt den Zug eröffnen und in das Totenzimmer gehen, damit den Leuten noch Zeit genug bleibt, von ihrem Herrn Abschied zu nehmen. In einer halben Stunde ist der Pfarrer hier.«

      Langsam bewegte sich der lange Zug zum Saale hin. Trotz der vielen Menschen herrschte eine tiefe Stille, die nur von unterdrücktem Schluchzen unterbrochen wurde.

      Und dann standen sie vor dem toten Gutsherrn. Die Frauen und Kinder weinten bitterlich, und auch die Männer wurden hier und da von einem trockenen Schluchzen geschüttelt.

      Frau Elisa und ihre Kinder sahen mit großen Augen auf das erschütternde Bild. Daß man um einen Menschen so trauern konnte, und um einen fremden noch dazu, das war ihnen neu. Sie fühlten sich recht unbehaglich und hatten nur den einen Wunsch, daß die Trauerfeierlichkeiten erst zu Ende wären.

      Doch plötzlich weiteten sich ihre Augen.

      Diese hohe Gestalt, die da soeben durch den Saal schritt, das war doch…?

      Tatsächlich, es war Swen. Ja, was wollte der denn hier? Der hatte dem Verstorbenen doch gewiß nicht nahegestanden, hatte ihn nicht einmal gekannt.

      Und wie gut er aussah, wie er sich in den fünf Jahren, da sie ihn nicht gesehen, herausgemacht hatte!

      Einfach unglaublich!

      Und wie er dahinschritt. Mit einer Selbstverständlichkeit, als wäre er hier der Herr.

      Frau Elisa und ihre Kinder sahen sich an, und einer las in des andern Augen Überraschung und Bestürzung.

      Nur Elke erkannte den Vetter nicht. Sie war ja auch erst fünf Jahre alt gewesen, als er Hirschhufen verlassen hatte.

      Jetzt schien Swen die Verwandten bemerkt zu haben, denn er verhielt den Schritt. Als er jedoch ihre eisigen Mienen sah, ging er weiter, und ein ironisches Lächeln zuckte um seinen Mund.

      Wie war Swen hierhergekommen?

      Das war die Frage, die Frau Elisa und die Ihren sehr beschäftigte, viel mehr als alles andere.

      Wie die Leute ihm ehrerbietig Platz machten, als er an den Sarg trat. Da gehörte er doch wirklich nicht hin! Aber so war es ja schon immer gewesen; er hatte sich Rechte angemaßt, die ihm nicht zukamen.

      Frau Elisa schrak aus ihren unerfreulichen Gedanken auf, als Christian plötzlich vor ihr stand und ihr leise eine Meldung machte. Darauf verließ sie den Saal und kam erst nach Minuten wieder. Man sah es ihr an, daß sie etwas sehr erzürnt haben mußte. Sie ging auf die Gruppe zu, in der der Justizrat stand.

      »Herr Doktor, ich weiß nicht mehr, was ich zu den sonderbaren Zuständen, die hier herrschen, sagen soll«, begann sie zwar gedämpft, aber leicht vernehmlich. »Soeben läutet ein Bekannter von uns an, der mit Schwester und Bruder aus Königsberg zur Beisetzung hierhergekommen ist, daß man die Tore versperrt hält und niemand auf das Gut läßt. Was hat das zu bedeuten?«

      Der Anwalt gab gelassen zurück. »Mein Freund wünschte unter den Trauergästen nur die anwesend, die hier bereits versammelt sind.«

      »Und diese Marotte eines Sonderlings wird so streng befolgt? Das ist doch geradezu lächerlich!«

      »Wie kann die letztwillige Verfügung eines Verstorbenen lächerlich sein, gnädige Frau?« fragte Glang mit einer Schärfe, die der ungehaltenen Dame auf die Nerven fiel. Sie biß sich auf die Lippen, denn sie sah selbst ein, daß sie doch zu weit gegangen war.

      »Na ja, gewiß«, versuchte sie ihre herben Worte abzuschwä­chen. »Es sollten doch aber wenigstens Menschen eingelassen werden, die uns nahestehen, die sozusagen zur Familie ge­hören.«

      »Nun gut«, entschied der Anwalt noch ein wenig zögernd. »Mögen die Dame und die beiden Herren der Feier am Grabe beiwohnen. Nur hierherzukommen, davon müssen sie absehen.«

      Frau Elisa war’s zufrieden, und Christian wurde beauftragt, einen großen grünen Wagen, der vor dem Schloßtor halten würde, einzulassen.

      Einige Minuten später wurde der Sarg geschlossen, und gleich darauf betrat der Pfarrer den Saal. Eine kurze, doch sehr wirkungsvolle Feier begann, bei der selbst Frau Elisa die Tränen in die Augen traten. Dann trugen acht Arbeiter den Sarg davon. Dicht hinter ihm schritt Swen mit solcher Selbstverständlichkeit, als müß­te er so sein und nicht anders.

      Vor dem Portal warteten bereits die Gäste der Frau Elisa. Sie begrüßte sie flüchtig und behielt sie an ihrer Seite.

      Langsam bewegte sich der unübersehbare Zug zu dem Platz hin, den Leopold von Hellersen sich für seine letzte Ruhestätte ausgesucht hatte.

      Dort, wo der Park durch eine Wiese vom Walde getrennt war, wo sich weiter hinten die Bäume zu einem Halbkreis zusammenschlossen, lag ein Waldsee. Und gerade dort zwischen Wiese, Wald und Wasser hatte Leopold von Hellersen am liebsten geweilt und auch begraben zu werden gewünscht.

      Das konnte Frau Elisa nun auch wieder nicht verstehen. Seine Ahnen ruhten doch alle im Erbbegräbnis!

      Swen war der erste, der die Handvoll Erde in die Gruft warf. Darauf folgten ein Strauß buntgefärbten Waldlaubes und einige Tannen- und Kiefernäste, was Frau Elisa ein mißbilligendes Kopfschütteln abnötigte. Daß die Leute ihrem Herrn die farbenfreudigen Blumen in den Sarg gelegt – na schön! Sie verstanden es nicht anders, besaßen wohl auch nicht das Geld, um sich geeignete Blumen zu kaufen. Aber Swen hatte sich doch nun wirklich solche besorgen können.

      Schade, daß sie nicht an Blumen gedacht; sie war doch manchmal schon zu vergeßlich!

      So mußte sie sich damit be­gnügen, nach Swen die Handvoll Erde auf den Sarg zu werfen; und ihre Kinder taten desgleichen. Als sich jedoch die drei Fremden anschließen wollten, trat der Justizrat mit den Beamten hinzu und kam ihnen zuvor.

      Und immer weiter wurden sie zurückgedrängt; denn die Gutsarbeiter, die ungeduldig zur Gruft strebten, schoben sie rücksichtslos zur Seite.

      Frau Elisa war

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