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zur Seite merkte Ekkehard, daß die Reiter ihren Fang geleiteten.

      Derweil Moengal durch den Wald floh, hüpften die Meisen so zutraulich auf den Zweigen, und heller Drosselschlag umtönte ihn, da vergaß er der Gefahr, und sein Herz kränkte sich, daß er die Leimruten fahren gelassen.

      Wie er aber auch noch die Wachtel ihr Quakkara! Quakkara118 rufen hörte, klang ihm das geradezu herausfordernd, und er wandte seinen Schritt zum Platze des Überfalls. Es war still dort, als wäre nichts geschehen. In der Ferne sah er die Kriegsleute abziehen. Die Helme glänzten.

      Es werden aber viele, so die ersten waren, die letzten sein, sprach er kopfschüttelnd und las seine Leimruten zusammen. Zu einer Fürstin Saal gedachte er zu gehen und das Gefängnis nimmt ihn auf. Heiliger Gallus, bitt für uns!

      Weiter zerbrach sich Moengal den Kopf nicht. Derlei Vergewaltigung war häufig wie Schlüsselblumen im Frühling.

      Es schwamm einmal ein Fisch klaftertief unten im Bodensee, der konnt sich's gar nicht erklären, was den Cormoran zu ihm hinabführte, der schwarze Tauchervogel hatte ihn schon im Schnabel und flog mit ihm hoch durch die Lüfte weg: noch war's ihm unbegreiflich. So lag Ekkehard in der Sänfte, ein gebundener Mann; je mehr er über seines Geschickes Wendung nachsann, desto weniger mocht' er's fassen.

      Dräuend stieg der Gedanke in ihm auf, es möchte wohl einer im Hegau sitzen, ein Freund oder Blutsverwandter der Kammerboten, und jetzt am unschuldigen Jünger des heiligen Gallus Rache nehmen, denn Salomo, der Ursächer ihres schmählichen Todes, war zugleich Abt jenes Klosters gewesen. Für den Fall mochte sich Ekkehard auf das Schlimmste bereit halten, er wußte, wie manchen priesterlichen Standes nicht die Tonsur, nicht geistlich Gewand vor dem Ausstechen der Augen oder Abhauen der Hände geschützt, wenn's um Rache ging.

      Er gedachte ans Sterben. Mit seinem Gewissen war er versöhnt, der Tod trug ihm kein Schrecknis zu, aber tief im Herzen klang doch eine leise Frage: Warum nicht in Jahresfrist, nachdem mein Fuß den Twiel betrat? –

      Jetzt gingen die Träger der Sänfte langsamen Schrittes, es mochte einen Berg hinan gehen. Auf welches der Felsennester dieses Landes schleppen sie mich? Ein halb Stündlein mochten sie aufwärts gestiegen sein, da schlug der Huftritt der Reiter rasselnd und hohl auf, wie wenn sie über eine hölzerne Brücke ritten. Noch blieb's still, kein Wächterruf, – die Entscheidung konnte nimmer fern sein. Da kam ein starkes Vertrauen über Ekkehard, die Worte des Psalms traten vor ihn: »Gott ist unsere Zuflucht und Stärke, als Hilfe in Nöten mächtig erfunden. Darum fürchten wir nichts, ob auch die Erde wechselte und die Berge wankten im Herzen des Meers. Mögen brausen die Gewässer, die Berge beben bei seinem Ungestüm. Jehovah ist mit uns, unsere Zuflucht der Gott Jakobs, Sela...«

      Über eine zweite Brücke ging's. Ein Tor ward aufgetan, die Sänfte stand. Da huben sie ihren Gefangenen herfür, sein Fuß berührte den Boden, es war Gras; – ein Flüstern schlug an sein Ohr, als wär' viel Volk in der Nähe versammelt, der Strick um seine Hände ward gelöst. Nehmt Euch die Binde von den Augen! sprach einer seiner Begleiter, er tat's – Herz jauchze nicht! er stand im Schloßhof von Hohentwiel... Fröhlich rauschte es im Geäst der alten Linde, ein zeltartig Getüch war darein gespannt, Kränze von Eppich und Weinlaub hingen hernieder, der Burg Insassen standen gedrängt herum, auf steinerner Bank saß die Herzogin, der purpurdunkle Fürstenmantel wallte von den Schultern, mildes Lächeln umspielte die herben Züge – itzt erhob sich die herrliche Gestalt, sie schritt Ekkehard entgegen: Willkommen in Hadwigs Burgfrieden! Er wußte kaum, wie ihm geschah, und wollte ins Knie sinken, huldreich hob sie ihn empor und winkte dem Kämmerer Spazzo, der warf seinen grauen Reitermantel ab, ging auf Ekkehard zu und umarmte ihn wie einen alten Freund: Im Namen unserer Gebieterin empfahet den Friedenskuß!

      Flüchtig zuckte in Ekkehard der Gedanke: soll hier ein Spiel mit mir gespielt werden? aber die Herzogin rief scherzend:

      Ihr seid mit gleicher Münze bezahlt. Habt Ihr vor drei Tagen die Herzogin in Schwaben nicht anders als getragen über des heiligen Gallus Schwelle kommen lassen, so war's billig, daß auch sie den Mann von Sankt Gallen in ihr Schloß tragen ließ.

      Und Herr Spazzo schüttelte ihm nochmals die Hand und sprach: Nichts für ungut, es war strenger Befehl so! – Er hatte erst den Überfall befehligt und wirkte itzt zum herzlichen Empfang, beides mit gleich unveränderter gewichtiger Miene, denn ein Kämmerer muß gewandt sein und auch das Widersprechende in Form zu bringen wissen.

      Ekkehard lächelte. Für einen Scherz, sagte er, habt Ihr's recht ernsthaft ausgeführt. Er gedachte dabei insbesondere, wie ihm einer der Reitersmänner, da sie ihn in die Sänfte warfen, mit erzbeschlagenem Lanzenschaft einen schweren Stoß in die Seite versetzt. Das stand freilich nicht in der Herzogin Befehl, aber der Reitknecht war schon unter Luitfried, des Kammerboten Neffen, dabei gewesen, wie sie den Bischof Salomo einstmals niederwarfen, und hatte sich von dazumal die irrige Meinung eingeprägt, bei Niederwerfung geistlicher Herren gehöre ein fester Faustschlag, Stoß oder Fußtritt unumgänglich zum Landbrauch.119

      Jetzt führte Frau Hadwig ihren Gast an der Hand durch den Schloßhof und wies ihm ihre luftige Behausung und die stolze Fernsicht nach Bodensee und Alpenkuppen, und der Burg Leute baten um seinen Segen – auch die Reitknechte kamen und die Träger der Sänfte, und er segnete sie alle.

      Dann geleitete ihn die Herzogin bis an den Eingang. Ein Bad war ihm zurecht gemacht120 und frische Gewandung bereitet; sie hieß ihn sich pflegen und ausruhen, und Ekkehard war fröhlich und guter Dinge nach leicht erstandener Gefahr...

      In der Nacht, die jenem Tage folgte, trug sich's im Kloster Sankt Gallen zu, daß Romeias, der Wächter, ohn' allen Anlaß von seiner Matte auffuhr und grimmig in sein Horn stieß, so daß die Hunde im Klosterhof anschlugen und alles wach wurde und zusammenlief – und war doch weit und breit niemand, der Einlaß begehrt. Der Abt schrieb's auf Rechnung böser Geister, ließ aber zugleich des Romeias Vespertrunk sechs Tage lang auf die Hälfte herabsetzen – eine Maßregel, die jedoch auf Voraussetzung eines gänzlich unrichtigen Grundes beruhte.

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