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messen?

       hopp, hopp hopp!

       Frau Müller stürzte aus der Tür und lief um den Arzt. Sie kehrte nach einer Stunde zurück. Schwejk war eingeschlummert.

      Er wurde von einem dicken Herrn geweckt, der seine Hand eine Zeitlang auf Schwejks Stirn ruhen ließ und sagte: »Fürchten Sie sich nicht, ich bin der Doktor Pavek aus den Weinbergen – zeigen Sie mir die Hand – dieses Thermometer stecken Sie unter die Achsel – so – zeigen Sie die Zunge – noch mehr – halten Sie die Zunge – woran ist Ihr Herr Vater und Ihre Mutter gestorben?«

      Und so verschrieb Doktor Pavek in der Zeit, da Wien wünschte, daß alle Nationen Österreich-Ungarns die glänzendsten Beweise der Treue und Ergebenheit erbringen mögen, Schwejk gegen seine patriotische Begeisterung Brom und empfahl dem wackeren und braven Krieger, nicht an den Krieg zu denken.

      »Liegen Sie gerade und verhalten Sie sich ruhig, morgen komm ich wieder.«

      Als er am nächsten Tage kam, fragte er in der Küche Frau Müller, wie es dem Patienten gehe.

      »Es steht ärger mit ihm, Herr Doktor«, antwortete sie aufrichtig bekümmert, »in der Nacht hat er, mit Vergeben, wie ihn das Rheuma gepackt hat, die österreichische Hymne gesungen.«

      Doktor Pavek sah sich gezwungen, auf diese neue Loyalitätskundgebung des Patienten mit einer erhöhten Dosis Brom zu reagieren.

      Am dritten Tage meldete ihm Frau Müller, daß es mit Schwejk noch schlimmer stehe.

      »Nachmittag, Herr Doktor, hat er sich eine Karte vom Kriegsschauplatz holen lassen, und in der Nacht hat ihn der Rappl gepackt, daß Österreich siegen wird.«

      »Und die Pulver nimmt er genau nach Vorschrift ein?«

      »Er hat sich noch nicht mal drum geschickt, Herr Doktor.«

      Nachdem Doktor Pavek Schwejk mit einer Flut von Vorwürfen überschüttet hatte, verließ er ihn mit der Versicherung, daß er nie mehr kommen werde, um einen Menschen zu behandeln, der seine ärztliche Hilfe samt dem Brom ablehne.

      Es fehlten nur noch zwei Tage, nach deren Ablauf Schwejk vor der Assentierungskommission erscheinen sollte.

      In dieser Zeit traf Schwejk wichtige Vorbereitungen. Vor allem ließ er sich von Frau Müller eine Militärkappe kaufen; hierauf schickte er sie fort, um das Wagerl von dem Zuckerbäcker um die Ecke zu entleihen, in dem dieser einst seinen bösen, lahmen Großvater an die frische Luft gefahren hatte. Dann fiel ihm ein, daß er Krücken benötigte. Zum Glück bewahrte der Zuckerbäcker auch die Krücken als Familienandenken an seinen Großvater auf.

      Jetzt fehlte ihm nur noch ein Rekrutensträußchen. Auch das trieb Frau Müller, die während jener Tage auffallend abgemagert war und, wo sie ging und stand, weinte, für ihn auf.

      Und so ereignete sich denn an jenem denkwürdigen Tage in den Prager Straßen ein Fall rührender Loyalität.

      Eine alte Frau, die ein Wagerl vor sich her schob, in dem ein Mann mit einer Militärkappe mit blankgeputztem »Franzl« saß und mit den Krücken winkte. Und auf seinem Rock glänzte ein buntes Rekrutensträußchen.

      Und dieser Mann, der immer wieder mit den Krücken winkte, schrie in den Prager Straßen: »Auf nach Belgrad, auf nach Belgrad!«

      Ihm folgte eine Menschenmenge, zu der das unscheinbare Häuflein angewachsen war, das sich vor dem Hause, aus dem Schwejk in den Krieg zog, angesammelt hatte.

      Schwejk hatte Gelegenheit zu konstatieren, daß die Polizisten, die an einigen Straßenecken standen, ihm salutierten.

      Auf dem Wenzelsplatz wuchs die Menge um das Wagerl mit Schwejk auf einige hundert Köpfe an, und an der Ecke der Krakauer Gasse wurde ein Burschenschaftler im Cerevis1 verprügelt, der Schwejk zuschrie: »Heil! Nieder mit den Serben!«

      An der Ecke der Wassergasse griff berittene Polizei ein und trieb die Menge auseinander.

      Als Schwejk dem Revierinspektor nachgewiesen hatte, daß er schwarz auf weiß den Befehl habe, daß er heute vor der Assentierungskommission erscheinen müsse, war der Revierinspektor ein wenig enttäuscht. Um Exzessen vorzubeugen, ließ er das Wagerl mit Schwejk von zwei berittenen Polizisten auf die Schützeninsel geleiten.

      Über diese ganze Begebenheit erschien in den »Pra ké Úřední Noviny«2 folgender Artikel:

      »Patriotismus eines Krüppels: Gestern nachmittag waren die Passanten der Prager Hauptstraßen Zeugen einer Szene, die ein schönes Zeugnis davon ablegt, daß in dieser großen und ernsten Zeit auch die Söhne unserer Nation die glänzendsten Beweise ihrer Treue und Ergebenheit für den Thron des greisen Monarchen liefern. Wir hatten den Eindruck, daß die Zeiten der alten Griechen und Römer sich erneuerten, wo Mucius Scaevola sich in den Kampf tragen ließ, ohne seiner verbrannten Hand zu achten. Die heiligsten Gefühle wurden gestern von einem Krüppel mit Krücken, den ein altes Mütterchen in einem Krankenwagen schob, in großartiger Weise verdolmetscht. Dieser Sohn der tschechischen Nation ließ sich freiwillig, ohne seines Gebrechens zu achten, zur Assentierung fahren, um Gut und Blut für seinen Kaiser hinzugeben. Und wenn sein Ruf: ›Auf nach Belgrad!‹ einen so lebendigen Widerhall in den Prager Gassen fand, dann ist dies ein Beispiel dafür, daß die Prager Bürger Musterbeispiele für die Liebe zum Vaterland und zum Herrscherhause darstellen.«

      Im gleichen Sinn schrieb auch das »Prager Tagblatt«, das seinen Bericht mit den Worten schloß, den sich freiwillig meldenden Krüppel habe eine Schar Deutscher begleitet, die ihn mit ihren Leibern vor dem Gelynchtwerden seitens der tschechischen Agenten der Entente habe schützen müssen.

      Die »Bohemia« veröffentlichte diese Nachricht mit der Aufforderung, der Krüppel-Patriot möge belohnt werden, und kündigte an, daß sie Geschenke deutscher Bürger für den Unbekannten in der Administration des Blattes entgegennehme.

      Konnte das Land Böhmen diesen drei Zeitungen nach keinen edlern Bürger hervorbringen, so waren die Herren der Assentierungskommission nicht dieser Ansicht.

      Insbesondere nicht Militäroberarzt Bautze.

      Er war ein unerbittlicher Mann, der in allem den betrügerischen Versuch sah, dem Militär, der Front, der Kugel und den Schrapnells zu entrinnen.

      Bekannt ist sein Ausspruch: »Das ganze tschechische Volk ist eine Simulantenbande.«

      Im Laufe von zehn Wochen seiner Tätigkeit hat er aus 11 000 Zivilisten 10999 Simulanten ausgemerzt und hätte auch den elftausendsten kleingekriegt, wenn diesen glücklichen Mann nicht just in dem Augenblick, als er ihn: »Kehrt euch!« anbrüllte, der Schlag getroffen hätte.

      »Tragen Sie diesen Simulanten weg!« sagte Bautze, als er festgestellt hatte, daß der Mann tot war.

      Vor ihm stand an jenem denkwürdigen Tage Schwejk, gleich den übrigen in völliger Nacktheit, seine Blöße keusch mit den Krücken verdeckend, auf die er sich stützte.

      »Das ist wirklich ein merkwürdiges Feigenblatt«, sagte Bautze, »solche Feigenblätter hat es im Paradies nicht gegeben.«

      »Superarbitriert wegen Blödheit«, bemerkte der Feldwebel, der in die Akten blickte.

      »Und was fehlt Ihnen noch?« fragte Bautze.

      »Melde gehorsamst, ich bin Rheumatiker, aber dienen wer ich Seiner Majestät dem Kaiser, bis man mich in Stücke reißt«, sagte Schwejk bescheiden. »Ich hab geschwollene Knie.«

      Bautze blickte den braven Soldaten Schwejk fürchterlich an und brüllte: »Sie sind ein Simulant!«, und zum Feldwebel gewendet sagte er mit eisiger Ruhe: »Den Kerl sogleich einsperren!«

      Zwei Soldaten mit Bajonetten führten Schwejk in das Garnisonsgefängnis.

      Schwejk ging an den Krücken und bemerkte mit Entsetzen, daß sein Rheumatismus zu schwinden begann. Als Frau Müller, die oben auf der Brücke mit dem Wagerl wartete, Schwejk unter der Obhut der Bajonette erblickte, schluchzte sie laut auf und ließ das

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