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dann auf der Tanzfläche. Sollte der Schneemann endlich der Mann für den Orgasmus werden? Ich wünschte Brianna in Gedanken Glück. Es war zwar nicht Supermann, aber auch nicht meine Entscheidung. Dann eben Schnee- statt Supermann.

      Der Abend verging viel zu schnell. Miezekatze und Schneemann hatten sich gefunden, aber kamen nie in meine Nähe. Immer, wenn ich die beiden ansteuerte und mir einen Weg durch die Massen suchte, waren sie wieder im Faschingstrubel verschwunden. Schade, ich hätte gern gewusst, welchen Typ Mann Brianna sich ausgesucht hatte. In seinem Kostüm konnte man nicht mal die Figur erahnen. Dafür fand ich meinen Mann wieder und hakte mich bei ihm unter, um auch mitzuschunkeln und mitzusingen. Ein Kumpel entdeckte Marlon und schon wurde er mir wieder entrissen. Also sah ich mich nach Brianna um. Als ich die Hoffnung schon fast aufgegeben hatte, sah ich sie auf mich zukommen. Wo war der Schneemann?

      Miezekatze grinste mich nicht mehr ganz nüchtern an.

      »Du musst mir einen Riesengefallen tun!«, fing sie an.

      »Wo ist der Schneemann?«, wollte ich wissen. »War seine Nase zu lang?«

      »Der wartet draußen. Es ist einfach viel zu warm hier drin«, und sie wedelte mit ihren Handschuhen vor ihrem Gesicht herum.

      »Bei dem Ganzkörperkostüm mit Kapuze und Zylinder kein Wunder«, bemerkte ich.

      Brianna packte meine Hände und sah mich eindringlich an, als würde es hier um Leben und Tod gehen.

      »Ich bin jetzt soweit. Ich will einen Megaorgasmus oder zwei oder drei«, sagte sie völlig ernst. »Können wir in eurem Gästezimmer schlafen? Ich will nicht zu meinen Eltern. Bitte!«

      »Das steht doch voller Kisten.«

      »Das Bett nicht. Bitte!«

      Was hatte ich für eine Wahl? Ich war nicht unschuldig, dass diese ganze Aktion ins Rollen gekommen war. Ich hatte sie immer wieder bestärkt und ermutigt. Dass ich auch noch die Örtlichkeit stellen würde, wäre mir im Traum nicht eingefallen. Nun war es so.

      »Okay«, willigte ich ein. »Dann lass uns Marlon suchen und wir gehen.«

      »Nein, nein, lasst euch nur Zeit. Wir gehen schon allein«, bettelte sie weiter und hüpfte auf der Stelle wie ein kleines Kind. Nun hatte sie es aber wirklich eilig.

      »Na gut.«

      Ich kramte meinen Schlüssel aus meiner kleinen Spinnentasche heraus. »Aber vergiss ja nicht, den Schlüssel hinter die Regentonne zu hängen!«

      »Mach ich, heiliges Ehrenwort.«

      Sie schnappte sich den Schlüssel, drückte mich fast zu Brei und entschwand.

      »Viel Spaß!«, rief ich ihr hinterher, aber das kam wahrscheinlich nicht mehr bei ihr an.

      Marlon fand ich mit seinem Kumpel an der Bar wieder. Ich merkte schnell, dass sein Alkoholpegel bald seine Schmerzgrenze erreicht haben würde und schnappte mir sein Bier. Die beiden Männer hatten sich viel zu erzählen, über Dinge, die mich nicht interessierten. Ich hörte also nur mit einem Ohr hin und wurde langsam müde. Die Füße fingen an zu schmerzen. Nach einer Weile drängte ich zum Aufbruch. Erstens, weil Marlon jetzt noch selbstständig laufen konnte, und zweitens, weil ich besorgt um Brianna war.

      Unterwegs erzählte ich meinem torkelnden Touristen, der seinen Strohhut eingebüßt hatte, was passiert war. Er machte nur alberne Witze und amüsierte sich darüber.

      Zu Hause angekommen, stellte ich beruhigt fest: Der Schlüssel war da. Der Zylinder vom Schneemann lag auf der Kommode. Sie mussten also im Gästezimmer sein. Ich versuchte, Marlon leise daran vorbeizumanövrieren, denn er wollte unbedingt noch »Hallo« sagen.

      Ich lenkte ihn auf die Toilette und gleich darauf ins Bett. Dann tippelte ich zurück ins Bad, zog mich aus und beließ es bei einer Katzenwäsche.

      Auf dem Rückweg blieb ich vor dem Gästezimmer stehen. Leises Getuschel war zu hören, sonst nichts. Ich hätte zu gern einen Blick hineingeworfen. Vielleicht würde sogar mehr daraus werden. Der Mann fürs Leben?

      Ich legte mich neben meinen bereits schlafenden, heut nicht mehr zu gebrauchenden Sexgott, und brauchte ewig, um Schlaf zu finden.

      ***

      Am nächsten Morgen trieb mich die Neugier relativ zeitig aus dem Bett. Ich wollte den Schneemann nicht verpassen. Also inspizierte ich schnell die Lage. Der Zylinder war noch da. Ich duschte kalt, schnappte mir die Zeitung, machte einen starken Kaffee und positionierte mich bei offener Tür am Küchentisch. Da kam niemand ungesehen vorbei, es sei denn, er stieg aus dem Fenster.

      Eine ganze Weile saß ich in der stillen Wohnung und nur meine Zeitung raschelte ab und zu. Ich überlegte, ob ich wieder zu Marlon ins Bett huschen sollte, doch der war nach seiner Zecherei bestimmt noch angeschlagen. Ich kochte noch mehr Kaffee und diesmal gleich eine ganze Kanne. Da ging eine Tür ... Getuschel ... noch eine Tür ... Ruhe ... Wasserrauschen. Sie waren im Bad.

      Aufgeregt brachte ich meinen Morgenmantel in Form und steckte die gelösten Haare hinter die Ohren. Die beiden brauchten ewig. Ich wollte gerade meinen letzten Schluck Kaffee austrinken und mir einen neuen holen, da standen sie Hand in Hand in der Küchentür.

      »Einen wunderschönen guten Morgen«, strahlte Brianna mich an und zeigte mir mit der anderen Hand versteckt den Daumen hoch. »Darf ich vorstellen, der Schneemann.«

      Meine Hand mit der Kaffeetasse blieb in der Luft stehen und schaffte es nicht bis zum Mund. Der schaffte es auch nicht, etwas zu sagen. Ich schluckte und sah wie erstarrt in Richtung Küchentür. Dann schaffte ich es doch. »Guten Morgen, Schneemann ... oder besser gesagt Schneefrau«, grüßte ich völlig überrascht zurück. Eine Frau? Wieso hatte ich nicht an diese Möglichkeit gedacht? Da tauchte auch noch das Gesicht meines Mannes hinter den beiden auf.

      »Hab ich was verpasst?«, murmelte er noch ganz verschlafen und wuselte sich durch die Haare.

      Die Situation war zu komisch. Ich lachte schallend los und die beiden Frauen stimmten mit ein.

      Marlon sah verständnislos hin und her, drehte ab und meinte seufzend: »Frauen ... ein Rätsel der Natur.«

       LustGier

      »Premiere 56«, schrieb Tessa mit einem Kugelschreiber in ihr knallrotes Notizbuch. Hinter ihrer akkurat geschriebenen Überschrift setzte sie einen Doppelpunkt und malte einen exakten kleinen Kreis. Tessa betrachtete die bereits eingezeichneten Kreise hinter den vergangenen Premieren und musste schmunzeln, denn fast alle Smileys lächelten zurück. Sie war voller Optimismus, dass ihre heutige Premiere auch ein Erfolg werden würde. Immer noch lächelnd, schrieb sie unter den Smiley, der noch kein Gesicht hatte: »Sex mit zwei Männern, Jack und Tyler.«

      Tessa warf ihr Premierennotizbuch übermütig neben sich auf das Bett, drehte sich schwungvoll auf den Rücken und verschränkte die Hände unter dem Kopf. Sie atmete tief und zufrieden durch. Ja, Tessa war süchtig, süchtig nach Leben, gierig nach neuen Erfahrungen, hungrig nach Adrenalin. Mit gesetzeswidrigen und halsbrecherischen Aktionen hatte es angefangen, zuerst spontan, später geplant.

      Zu Beginn brachten Tessa kleinere Ladendiebstähle den Kick. Es begann ganz zufällig, als Tessa mit einem ausgesuchten BH an der Kasse stand. Ganz vorn an der Kasse gab es ein Problem und die Schlange rückte einfach nicht weiter. Da es Tessa eilig hatte, den BH aber unbedingt haben wollte, ging sie aus dem Laden, ohne zu bezahlen. Niemand hatte etwas dagegen. Nach diesem Erlebnis machte sich Tessa gezielt auf den Weg nach Konsumgegenständen, die ihr gefielen. Schon bald verloren die Diebstähle ihren Reiz. Tessa wurde nie erwischt. Der Kick, der zu Beginn ihren Körper durchströmt hatte, stellte sich nicht mehr ein. Klauen wurde für Tessa völlig normal, also konnte sie es auch lassen.

      Eines Tages, auf dem Stadtfest, das sie mit Freunden besuchte, beschloss die Gruppe, Riesenrad zu fahren. Für Tessa gab es nichts Langweiligeres, als sich in einer Gondel im Kreis zu drehen. Doch sie wollte sich nicht als Einzige ausschließen und so stieg sie mit ein. Nur langsam fuhr die Gondel nach oben, weil das Riesenrad immer wieder anhielt und neue Besucher zustiegen. Da hatte Tessa wieder einen ihrer spontanen

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