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mit einer Art von Bruderliebe an, nickten sich zum Zeichen ihrer wechselseitigen Zuneigung zu und gingen dann lächelnd auseinander, der Deutsche in seinen Kuhstall und Rostow in die Stube, die er mit Denisow zusammen bewohnte.

      »Was macht dein Herr?« fragte er Lawrenti, den im ganzen Regiment als durchtriebener Patron bekannten Burschen Denisows.

      »Er ist seit gestern abend noch nicht wieder hier gewesen. Jedenfalls hat er verloren«, antwortete Lawrenti. »Ich kenne das schon: wenn er gewinnt, kommt er zeitig wieder nach Hause, um damit zu prahlen; aber wenn er bis zum Morgen nicht da ist, dann haben sie ihn gehörig ausgebeutelt, und wenn er dann kommt, ist er fuchswild. Befehlen Sie Kaffee?«

      »Jawohl, bringe nur her!«

      Nach zehn Minuten brachte Lawrenti den Kaffee. »Der Herr kommt!« sagte er. »Nun wird es schlimm.« Rostow sah durchs Fenster und erblickte den nach Hause zurückkehrenden Denisow. Denisow war von kleiner Statur und hatte ein rotes Gesicht, funkelnde, schwarze Augen, einen borstigen Schnurrbart und struppiges Kopfhaar. Er trug einen aufgeknöpften Dolman und weite, faltig herunterhängende Hosen; eine ganz verdrückte Husarenmütze saß ihm im Nacken. Mit finsterem Gesicht und gesenktem Kopf kam er zur Haustür.

      »Lawrenti!« schrie er laut und zornig, mit der ihm eigenen undeutlichen Aussprache des r. »So komm doch und nimm mir die Sachen ab, du Tölpel!«

      »Das tue ich ja schon ganz von selbst!« hörte Rostow den Burschen antworten.

      »Ah, du bist schon aufgestanden!« sagte Denisow, ins Zimmer tretend.

      »Schon lange«, erwiderte Rostow. »Ich habe schon Heu geholt und Fräulein Mathilde gesehen.«

      »Na so was! Und mich haben sie gestern ausgeplündert, Bruder – wie ein Schindluder haben sie mich behandelt!« schrie Denisow. »So ein Pech! So ein vermaledeites Pech! Sowie du weg warst, da ging die Geschichte los ... Heda! Tee!«

      Denisow verzog stirnrunzelnd sein Gesicht zu einer wunderlichen Art von Lächeln, bei dem seine kurzen, kräftigen Zähne sichtbar wurden, und wühlte mit den kurzen Fingern beider Hände in dem schwarzen, wirren Dickicht seines Haares.

      »Mußte mich auch der Teufel plagen, zu dieser Ratte« (dies war der Spitzname eines Offiziers) »hinzugehen«, redete er weiter und rieb sich mit beiden Händen Stirn und Gesicht. »Kannst du dir das vorstellen: auch nicht eine Karte, keine einzige Karte hat er mich gewinnen lassen.«

      Denisow nahm die ihm gereichte, angerauchte Pfeife, preßte die Faust fest herum, stieß mit der Pfeife auf den Fußboden, so daß das Feuer verschüttet wurde, und fuhr fort zu schreien:

      »Simple gewinne ich, Paroli schlägt er; Simple gewinne ich, Paroli schlägt er!«

      Er sah, daß das Feuer verschüttet war, zerbrach die Pfeife und warf sie weg. Ein Weilchen schwieg Denisow; dann sah er auf einmal mit seinen funkelnden, schwarzen Augen Rostow lustig an: »Wenn es hier wenigstens noch Weiber gäbe! Aber so kann man hier nichts weiter tun als trinken. Käme es nur bald zum Losschlagen ...! Na, wer ist denn da?« fragte er, sich zur Tür hinwendend, da er hörte, wie die Schritte schwerer Stiefel mit klirrenden Sporen vor der Tür haltmachten und jemand sich respektvoll räusperte.

      »Der Wachtmeister«, antwortete Lawrenti.

      Denisows Gesicht wurde wieder ganz finster.

      »Verfluchte Geschichte!« murmelte er vor sich hin und warf eine Börse, in der sich einige Goldstücke befanden, auf den Tisch. »Lieber Rostow, zähle doch mal nach, wieviel noch drin ist, und stecke die Börse unter mein Kopfkissen.« Damit ging er hinaus zu dem Wachtmeister.

      Rostow nahm das Geld, schichtete mechanisch alte und neue Goldstücke in kleine Häufchen auf, die er in gerader Front ordnete, und zählte sie durch.

      »Ah, Teljanin! Guten Morgen! Gestern haben sie mich gut ausgebeutelt«, hörte man Denisows Stimme von draußen.

      »Bei wem denn? Bei Bykow, der Ratte ...? Das dachte ich mir gleich«, sagte eine andere, hohe Stimme, und gleich darauf trat der Leutnant Teljanin ins Zimmer; er gehörte zu derselben Eskadron und war von kleiner Gestalt.

      Rostow schob die Börse unter das Kopfkissen und drückte die ihm entgegengestreckte kleine, feuchte Hand. Teljanin war vor dem Feldzug zur Strafe für irgend etwas, was er begangen hatte, von der Garde zu diesem Regiment versetzt worden. Er hielt sich hier durchaus tadellos; aber er war nicht beliebt, und namentlich Rostow konnte seinen eines greifbaren Grundes ermangelnden Widerwillen gegen diesen Offizier weder bezwingen noch verbergen.

      »Nun, junger Kavallerist, wie macht sich bei Ihnen mein ›Rabe‹?« fragte Teljanin. »Rabe« war der Name des Extrapferdes, welches Teljanin an Rostow verkauft hatte.

      Der Leutnant blickte demjenigen, mit dem er sprach, nie in die Augen; seine Augen liefen beständig von einem Gegenstand zum andern umher.

      »Ich sah Sie, wie Sie heute vorbeiritten«, fügte er noch hinzu.

      »Nun, es ist nichts dagegen zu sagen; es ist ein gutes Pferd«, antwortete Rostow, trotzdem das Pferd, für welches er siebenhundert Rubel gegeben hatte, nicht die Hälfte dieses Preises wert war. »Es hat auf dem linken Vorderfuß etwas zu lahmen angefangen«, fuhr er fort.

      »Der Huf hat einen Riß bekommen! Das hat nichts zu bedeuten. Ich werde Ihnen zeigen, wie man da ein Niet macht.«

      »Ja, bitte, zeigen Sie mir das«, erwiderte Rostow.

      »Gewiß, das will ich tun; ein Geheimnis ist es nicht. Und für das Pferd werden Sie mir noch dankbar sein.«

      »Dann werde ich also das Pferd vorführen lassen«, sagte Rostow, der gern von Teljanins Gesellschaft loskommen wollte, und ging hinaus, um anzuordnen, daß das Pferd gebracht werden sollte.

      Im Hausflur saß Denisow, mit einer andern Pfeife, zusammengekrümmt auf der Schwelle; vor ihm stand der Wachtmeister und rapportierte etwas. Als Denisow den Junker erblickte, runzelte er die Stirn, zeigte mit dem Daumen über die Schulter nach dem Zimmer, in welchem Teljanin saß, und schüttelte sich voll Widerwillen.

      »Ich kann diesen Burschen nicht leiden«, sagte er, ohne sich wegen der Gegenwart des Wachtmeisters Zwang aufzuerlegen.

      Rostow zuckte die Achseln, wie wenn er sagen wollte: »Es geht mir ebenso; aber was ist zu tun?« und kehrte, nachdem er die erforderliche Anweisung gegeben hatte, zu Teljanin zurück.

      Teljanin saß in derselben lässigen Haltung da, in der ihn Rostow verlassen hatte, und rieb sich die kleinen, weißen Hände.

      »Was es doch für widerwärtige Physiognomien gibt«, dachte Rostow, als er in das Zimmer trat.

      »Nun, haben Sie das Pferd bringen lassen?« fragte Teljanin, indem er aufstand und mit gleichgültiger Miene um sich blickte.

      »Ich habe es angeordnet.«

      »Ach, wir wollen lieber gleich selbst hingehen. Ich bin eigentlich nur mit herangekommen, um Denisow nach der gestrigen Order zu fragen. Haben Sie sie bekommen, Denisow?«

      »Nein, noch nicht. Wohin gehen Sie denn jetzt?«

      »Ich will dem jungen Mann zeigen, wie der Huf seines Pferdes behandelt werden muß«, sagte Teljanin.

      Sie traten vor die Haustür und gingen in den Pferdestall. Der Leutnant zeigte, wie das Niet angebracht werden müsse, und ging weg nach Hause.

      Als Rostow wieder ins Zimmer zurückkehrte, stand eine Flasche Branntwein auf dem Tisch, und eine Wurst lag dabei. Denisow saß am Tisch und schrieb kritzelnd mit einer Feder auf einem Blatt Papier. Er blickte dem jungen Rostow mit düsterer Miene ins Gesicht.

      »Ich schreibe ihr«, sagte er.

      Er stützte sich, die Feder in der Hand haltend, mit dem Ellbogen auf den Tisch, und offenbar froh über die Möglichkeit, das, was er schreiben wollte, schneller mündlich zu sagen, teilte er seinem Junker den beabsichtigten Inhalt seines Briefes mit.

      »Siehst du wohl, mein Freund«, sagte er, »solange wir nicht lieben, schlafen wir, sozusagen.

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