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Tom Jones. Генри Филдинг
Читать онлайн.Название Tom Jones
Год выпуска 0
isbn 9783955012229
Автор произведения Генри Филдинг
Жанр Языкознание
Серия Große verfilmte Geschichten
Издательство Bookwire
Diese Positur, in welcher er stand, war wirklich der Stellung eines Soldaten nicht unähnlich, den man an Händen und Füßen krumm geschlossen hat, und vielleicht drückt sie das neuerlich in Kurs gekommene Wort so ziemlich richtig aus, welches ich mir also die Erlaubnis nehme zu gebrauchen, wenn ich sage: Seine Stellung war sehr geduckt. Auf seinem Kopfe hatte er eine von Mollys Nachthauben, und seine beiden großen Augen starrten, als der Haardecken-Vorhang fiel, gerade auf Jones, so daß, wenn die Idee von Philosophie zu dieser hier entdeckten Figur hinzukam, es wohl für jeden Zuschauer in der Welt sehr schwer gewesen sein möchte, sich des lautesten Gelächters zu enthalten.
Ich zweifle nicht, der Leser wird hier ebenso erstaunt sein, als es Jones war, weil der Verdacht, welcher aus der Erscheinung dieses weisen und ernsthaften Mannes in solch einem Winkel entstehen muß, sich nicht mit dem Charakter zu reimen scheint, welchen er zweifelsohne bis daher in der Meinung eines jeden behauptet hatte.
Aber, die Wahrheit zu bekennen, so ist diese Unverträglichkeit mehr eingebildet als wirklich. Philosophen haben so gut wie andere menschliche Geschöpfe Fleisch und Blut; so sublimiert und raffiniert ihre Theorie auch sein mag, so ist ihnen doch eine kleine praktische Schwachheit ebenso eigentümlich als andern Sterblichen. Eigentlich, wie wir bereits zu verstehen gegeben haben, liegt der Unterschied bloß in der Theorie und nicht in der Ausübung: denn, obgleich solche erhabene Männer viel besser und weiser denken, so handeln sie doch immer gerade wie andre Menschen. Sie wissen es sehr gut, wie man alle Lüste und Begierden dämpfen und beides, Schmerz und Vergnügen, verachten soll; und diese Wissenschaft gewährt ihnen manche sehr behagliche Kontemplation und ist leichtlich erworben; die Ausübung aber würde mühsam und beschwerlich sein, und daher lehrt sie dieselbe Weisheit die beschwerliche Ausübung vermeiden, welche sie die vorbesagte leichtere Theorie lehrt.
Herr Quadrat war gerade eben den Sonntag in der Kirche, als Mollys Aufzug in ihrem Schlenter, wie der Leser sich zu erinnern belieben wird, alle die Unruhen anrichtete. Hier bemerkte er sie zum erstenmale und fand dermaßen Gefallen an ihrer Schönheit, daß er die jungen Herren beredete, eine Veränderung in ihrem vorhabenden Spazierritt zu treffen, damit er bei Mollys Wohnung vorbeireiten und auf solche Weise ihrer noch einmal ansichtig werden könnte. Da er jedoch dieser Absicht damals gegen niemand erwähnte, so hielten wir es gleichfalls nicht für diensam, solche dem Leser mitzuteilen.
Unter andern Besonderheiten, welche, nach Herrn Quadrats Meinung, gegen die ewige Harmonie der Dinge verstießen, waren auch die beiden: Gefahr und Schwierigkeiten. Die Schwierigkeit also, welche er dabei besorgte, dieses junge Weibsbild zu verführen, und die Gefahr, welche aus der Entdeckung für seinen guten Ruf entstehen konnte, waren zwei so starke Abmahnungen, daß es wahrscheinlich ist, anfangs sei sein Vorsatz nur gewesen sich mit den angenehmen Ideen zu begnügen, welche uns das Beschauen der Schönheit gewährt. Solche Ideen erlauben sich oft die ernsthaftesten Männer nach einer vollen Mahlzeit von ernsthaften Betrachtungen so gleichsam als zum Nachtisch. Zu diesem Ende finden dann auch gewisse Bücher, Gemälde und Kupferstiche den Weg in die geheimsten Verschlüsse ihrer Studierzimmer, und ein gewisser sehr berauschender Teil der Naturgeschichte ist daher oft der Hauptinhalt ihrer Unterredungen.
Als aber der Philosoph einen oder ein paar Tage nachher hörte, daß die Festung ihrer Tugend bereits einmal überstiegen gewesen sei, so begann er seinen Begierden ein bequemeres Ziel zu stecken. Sein Appetit war nicht von der heiklen Art, welche von keinem Leckerbissen kosten mag, weil ein andrer vorher schon daran geschmäckert hat. Kurz die Dirne gefiel ihm ihres Abganges der Keuschheit wegen um so besser, weil, wenn sie solche noch in Gewahrsam gehabt hätte, gerade eben diese jungfräuliche Gebärde als Palissaden gegen sein Vergnügen gestanden haben würde. Er also setzte ihr nach und haschte sie.
Der Leser irrt sich, wenn er glaubt, Molly habe Quadrat vor dem jüngern Jones den Vorzug gegeben; keineswegs! Ohne allen Zweifel vielmehr wäre Jones, wenn sie unter beiden mit Gewalt einen hätte wählen müssen, der Sieger gewesen. Es war auch nicht einmal die Ueberlegung allein, daß zwei besser sind als einer, welcher Quadrat sein Glück zu verdanken hatte. Jones' Abwesenheit während der Kur seines Armbruchs war ein unglücklicher Umstand; und während dieser Zeitlücke beschwichtigten einige wohl ausgedachte Geschenke des Philosophen das wehrlose Herz des Mädchens dergestalt, daß eine günstige Gelegenheit unwiderstehlich ward und Quadrat die wenigen Reste von Wall und Mauern von Mollys Tugendfestung vollends sprengte.
Es mochte ungefähr vierzehn Tage nach dieser Eroberung sein, als Jones den eben erwähnten Besuch bei seiner Geliebten abstattete und gerade die Zeit traf, wo sie und Quadrat sich eben zu Bett befanden. Hierin steckte die wahre Ursache, warum die Mutter, wie wir gesehen haben, sie verleugnete. Denn weil die alte Frau ihren Teil an dem Gewinn hatte, den dieses sündliche Gewerbe ihrer Tochter abwarf, so leistete sie ihr darin allen ihr möglichen Beistand und Schutz. Aber so weit ging der Neid und Haß von Mollys älterer Schwester, ob sie gleich bei der Beute nicht ganz leer ausging, daß sie solche gutwillig fahren lassen wollte, wenn sie nur ihre Schwester stürzen und ihr das Handwerk legen könnte. Deswegen hatte sie Jones die Nachricht gegeben, sie befinde sich oben im Hahnbalken zu Bette, und hatte gehofft, er würde sie in Quadrats Armen überraschen. Dieser Ueberraschung fand Molly Mittel zuvorzukommen, indem sie die Thüre verriegelt hatte, welches ihr Gelegenheit gab, ihren Buhlen hinter die härene oder Pferdedecke zu verbergen, wohinter er jetzt unglücklicherweise entdeckt ward.
Quadrat kam nicht so bald zum Vorschein, als Molly in ihr Bett zurücksank, ausrief, sie sei verloren! und sich ganz der Verzweiflung überließ. Dies arme Mädchen, welches noch bloß eine junge Anfängerin in ihrem Gewerbe war, hatte sich noch nicht bis zu der vollkommenen Unbefangenheit hinaufgeschwungen, wodurch sich eine Stadtdame aus der äußersten Verlegenheit zu helfen weiß, und die ihr entweder eine Entschuldigung an die Hand gibt, oder ihr die eiserne Unverschämtheit einflößt, es mit ihrem Ehemanne rechtlich auszumachen, welcher dann aus Liebe zur Ruhe oder aus Besorgnis für seinen guten Namen, und vielleicht zuweilen aus Furcht vor dem Galan, wenn er, wie Herr Konstant in der Komödie, einen Degen führt, nur froh ist, daß er die Augen zudrücken und sein Paar Hörner in die Taschen stecken kann! Molly hingegen ward durch diesen Zeugen zum Verstummen gebracht und gab ein Sache völlig verloren, welche sie bisher mit so viel Thränen und mit so feierlichen und heftigen Beteurungen der reinsten Liebe und Beständigkeit unterstützt hatte.
Was den Herrn hinter dem Vorhange betraf, so befand sich der in nicht geringerer Bestürzung. Er blieb eine Zeitlang wie versteinert und schien ebensowenig zu wissen was er sagen, oder wohin er seine Augen wenden sollte. Jones, der vielleicht unter allen dreien am meisten erstaunt war, fand am ersten den Gebrauch seiner Zunge wieder und, nachdem er sich unmittelbar von dem unangenehmen Gefühl erholt, welches Molly durch ihre Vorwürfe bei ihm erregt hatte, brach er in ein lautes Gelächter aus,