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Gott gibt und du eines Tages vor ihm stehst, wird er dir nur die eine Frage stellen: „Hat du dein Leben total gelebt oder nicht?“ – denn du hast diese Chance bekommen um zu leben, nicht um zu entsagen.

      Meine Sannyasins feiern sogar den Tod; für mich ist der Tod nicht das Ende, sondern das eigentliche Crescendo, der eigentliche Höhepunkt des Lebens. Er ist das Höchste im Leben. Wenn du richtig gelebt hast, wenn du ohne Einschränkungen gelebt hast, von Augenblick zu Augenblick, wenn du jeden Tropfen aus deinem Leben herausgepresst hast, dann wird dein Tod der höchste Orgasmus sein.

       Was ist das Ziel des Lebens?

      Das Leben hat kein anderes Ziel als sich selbst, denn Leben ist nur ein anderes Wort für Gott selbst. Alles Übrige auf der Welt kann ein Ziel haben, kann ein Mittel zum Zweck sein, aber zumindest eines gibt es, was der Zweck von allem ist und kein Mittel zu irgendetwas anderem.

      Ihr könnt es die Existenz nennen. Ihr könnt es Gott nennen. Ihr könnt es Leben nennen. Das sind nur verschiedene Namen für ein und dieselbe Wirklichkeit. Gott ist der Name, den die Theologen dem Leben gegeben haben; und das bringt die Gefahr mit sich, dass man es leugnen kann, ihm widersprechen kann. Fast die halbe Welt glaubt nicht an einen Gott. Nicht nur die Kommunisten, sondern auch die Buddhisten, die Jainas … und es gibt Abertausende von Freidenkern, die Atheisten sind. Der Begriff Gott lässt sich deswegen kaum verteidigen, weil er Menschenwerk ist und sich nicht beweisen lässt – es gibt für ihn keinen Beweis, kein Argument. Es bleibt mehr oder weniger einleerer Begriff, der immer genau das bedeutet, was man ihm jeweils unterschiebt.

      ‚Existenz‘ ist schon besser. Alle großen Denker des zwanzigsten Jahrhunderts sind Existenzialisten. Sie haben das Wort Gott gestrichen. Existenz reicht ihnen voll und ganz. Aber für mich ist das Wort Existenz nur der extreme Gegenpol zum Wort Gott, denn es weist nicht darauf hin, ob die Existenz lebendig oder tot ist. Es sagt nicht, ob sie intelligent ist – sie könnte auch unintelligent sein. Es sagt nicht, ob sie ein Bewusstsein hat – vielleicht hat sie ja gar kein Bewusstsein? Darum bevorzuge ich das Wort Leben. Es enthält alles Notwendige; außerdem braucht man es nicht erst zu beweisen. Du bist Leben. Du bist der Beweis, du bist das Argument. Also ist das Leben nicht zu leugnen. Darum hat es in der gesamten Menschheitsgeschichte nicht einen Denker gegeben, der das Leben geleugnet hätte.

      Millionen haben Gott geleugnet, aber wie will man das Leben leugnen? Es pulsiert in deinem Herzen, es ist in deinem Atem, es zeigt sich in deinen Augen. Es kommt in deiner Liebe zum Ausdruck. Es feiert auf tausenderlei Art und Weise – in den Bäumen, in den Vögeln, in den Bergen, in den Flüssen …

      Leben ist das Ziel von allem. Folglich kann das Leben nichts anderes zum Ziel haben als sich selbst. Anders ausgedrückt: Das Leben ist ein Ziel in sich. Es ist seine Art zu wachsen, sich auszudehnen, zu feiern, zu tanzen, zu lieben, zu genießen – all das sind Aspekte des Lebens.

      Aber bis heute hat noch keine Religion das Leben zum Ziel all unserer Anstrengungen, all unserer Bestrebungen gemacht. Im Gegenteil: Die Religionen waren bisher immer nur gegen das Leben und für einen hypothetischen Gott. Aber das Leben ist so real, dass all diese Religionen in all den Jahrtausenden dem Leben noch nie etwas anhaben konnten, so sehr sie das Leben auch verteufelten. Ihr Gott war nicht der innerste Kern des Lebens, ihr Gott war nur zu finden, indem man dem Leben entsagte. Diese Irreführung der Menschheit hat sich als eine große Katastrophe erwiesen. Schon der Gedanke, dem Leben zu entsagen, läuft auf einen Todeskult hinaus. All eure Religionen sind Anbeter des Todes. Nicht zufällig verehrt ihr nur tote Heilige. Solang sie leben, kreuzigt ihr sie. Solange sie leben, steinigt ihr sie. Solange sie leben, vergiftet ihr sie. Kaum sind sie tot, dann betet ihr sie an, macht ihr eine Kehrtwende. Schlagartig ändert sich eure ganze Einstellung.

      Mit der Psychologie dieses Sinneswandels hat sich noch nie jemand eingehend beschäftigt. Dabei lohnt es sich, die Frage zu stellen: Warum werden die Heiligen verehrt, wenn sie tot sind, aber verdammt, wenn sie leben? Weil tote Heiligen allen Anforderungen von Frömmigkeit entsprechen: Sie lachen nicht, sie genießen nicht, sie lieben nicht, sie tanzen nicht, sie ignorieren die Existenz. Sie haben tatsächlich dem ganzen Leben entsagt – sie atmen nicht mehr, ihr Herz schlägt nicht mehr: Jetzt sind sie hundertprozentig religiös! Sie können keine Sünde mehr begehen, soviel steht fest. Auf sie ist Verlass, auf sie kann man bauen.

      Auf einen lebenden Heiligen ist keineswegs Verlass; schon morgen mag er sich‘s anders überlegen. So mancher Heiliger ist ein Sünder geworden, so mancher Sünder ist ein Heiliger geworden. Solange sie also noch nicht tot sind, lässt sich über sie nichts mit absoluter Gewissheit sagen. Das ist einer der wesentlichen Gründe, warum ihr in euren Tempeln, in euren Kirchen, in euren Moscheen, euren Gurudwaras, euren Synagogen … wen betet ihr da an? Und ihr erkennt noch nicht mal, wie dumm das ist – dass die Lebenden die Toten anbeten! Die Gegenwart die Vergangenheit anbetet!

      Man zwingt das Leben, den Tod anzubeten. Nur diese lebensfeindlichen Religionen sind Schuld daran, dass deine Frage Was ist das Ziel des Lebens? – seit Menschengedenken immer wieder gestellt worden ist. Denn euren Religionen zufolge besteht das Ziel des Lebens darin, ihm zu entsagen, es zu zerstören, dich selbst zu quälen – im Namen irgendeines sagenhaften oder hypothetischen Gottes.

      Tiere haben keine Religion außer dem Leben; Bäume haben keine Religion außer dem Leben, Sterne haben keine Religion außer dem Leben. Bis auf den Menschen hat die gesamte Existenz Vertrauen ins Leben. Es gibt keinen anderen Gott und keinen anderen Tempel. Es gibt keine Heilige Schrift. Das Leben ist alles zugleich. Es ist der Gott und es ist der Tempel und es ist die Heilige Schrift. Und es gibt nur eine einzige Religion: Das Leben total und mit ganzem Herzen zu leben.

      Ich lehre euch, dass es kein anderes Ziel gibt, als sein Leben mit einer solchen Totalität zu leben, dass jeder Augenblick zu einer Feier wird. Schon der Gedanke an ein Ziel lässt euch an die Zukunft denken, denn jedes Ziel, jeder Zweck setzt eine Zukunft voraus. All eure Ziele berauben euch der Gegenwart, die das einzig Wirkliche ist, was ihr habt. Die Zukunft ist nur eure Fantasie, und die Vergangenheit besteht nur aus den Fußspuren, die im Sand eurer Erinnerung zurückblieben. Weder ist die Vergangenheit jetzt noch wirklich, noch ist die Zukunft schon wirklich.

      Dieser Augenblick ist die einzige Wirklichkeit, die es gibt. Und diesen Augenblick ohne jede Hemmung, ohne jede Verdrängung zu leben, ohne Gier nach der Zukunft und ohne jede Angst – ohne die Vergangenheit ständig wiederholen zu müssen, sondern indem ihr in jedem Augenblick frisch bleibt, absolut frisch und jung, unbehindert von Erinnerungen, unbehindert von Vorstellungen … ihr habt eine solche Frische, eine solche Unschuld, und nur diese Unschuld kann ich göttlich nennen. Für mich ist Gott nicht jemand, der die Welt erschaffen hat. Gott ist jemand, den ihr erschafft, wenn ihr uneingeschränkt und intensiv lebt – mit ganzem Herzen, ohne irgendetwas zurückzuhalten. Wenn dein Leben einfach nur eine Freude von Augenblick zu Augenblick ist – ein Tanz von Augenblick zu Augenblick, wenn dein Leben einfach ein Lichterfest ist … Jeder Augenblick ist so kostbar, denn, einmal vorbei, ist er für immer vorbei.

      Wenn du mich fragst, dann sage ich dir: Lebe in Freuden, zufrieden, erfüllt. Und teile deine Liebe, deine Stille, deinen Frieden mit anderen. Und mache dein Leben zu einem so schönen Tanz, dass nicht nur du dich gesegnet fühlst, sondern du auch die ganze Welt segnen kannst … Das ist für mich die einzig authentische Art zu leben. Nur das Leben selbst zählt; alles andere ist unerheblich. Und jeder Einzelne ist so einmalig, dass ihr nicht einfach nur eine Super-Schnellstraße bauen könnt, auf der jeder, der das Ziel des Lebens finden will, zu fahren hat. Im Gegenteil: Jeder muss seinen Lebensweg finden, ohne der Masse zu folgen – nur indem er seiner eigenen inneren Stimme folgt, ohne sich einem Mob anzuschließen – nur einem schmalen Fußpfad folgend. Selbst der ist von niemandem vor dir gebahnt worden, er entsteht durch deine eigenen Fußspuren.

      Die Welt des Lebens und des Bewusstseins gleicht eher dem Himmel – an dem Vögel fliegen, ohne Spuren zu hinterlassen. Je tiefer, je aufrichtiger und ehrlicher du lebst, desto weniger Spuren hinterlässt du und niemand braucht dir zu folgen. Jeder muss der eigenen leisen, inneren Stimme folgen. Ich lege nur deshalb solchen Wert auf Meditation, damit ihr eure eigene leise Stimme hört, die euch führt, euch die Richtung angibt.

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