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der eben aus London eingetroffen war. Larisa hatte sich an ihre Taufpatin, Lady Luddington gewandt und sie gebeten, ihr eine Stellung als Erzieherin zu verschaffen. Als Lady Stanton sich an ihren Schreibtisch setzte, um den Brief in der eleganten Handschrift zu lesen, hoffte sie beinahe wider alle Vernunft, ihre alte Freundin würde Larisa zu einem kurzen Besuch nach London einladen.

      Larisa hoffte nichts dergleichen.

      Sie war Lady Luddington einmal begegnet, als sie fünfzehn war, und ihr war sofort klar gewesen, daß diese weltgewandte, elegante Frau mit ihrer künstlich erhaltenen Schönheit sich mit den gesellschaftlich unbedeutenden, aber bildschönen Stantons nicht belasten würde.

      Larisa war die klügste von Sir Beaugraves Töchtern.

      Sie waren alle sehr intelligent, und der Vater hatte ihnen eine, wenn auch ein wenig einseitige, so doch sehr gute Erziehung zuteilwerden lassen, und sie waren daher viel belesener und gebildeter als andere Mädchen ihres Alters und ihrer gesellschaftlichen Stellung. Griechisch in Wort und Schrift, Französisch, Geschichte und Geographie hatte ihnen der Vater gründlich beigebracht, die einzigen Wissenslücken hatten sie in der Mathematik, die ihn langweilte.

      „Ich werde mir ein einfaches Arithmetik Buch kaufen müssen, Mama“, sagte Larisa unsicher lächelnd. „Als Erzieherin kann ich meinen Schülern kaum beibringen, mit den Fingern zu rechnen, wie ich es im Augenblick noch tue.“

      „Du wirst das Zeug bald kapiert haben“, erklärte Athene fröhlich, wurde von der Mutter jedoch sofort wegen ihrer vulgären Ausdrucksweise gerügt.

      „Auch wenn wir arm sind, können wir uns wie kultivierte Menschen benehmen“, stellte Lady Stanton würdevoll fest.

      „Ich beneide dich nicht gerade um deine Stellung als Gouvernante“, sagte Athene zu Larisa, als die beiden Schwestern allein waren. „Es ist eine gräßliche Stellung. Für den Salon bist du nicht gut genug, für das Dienerzimmer zu gut.“

      „Was sollte ich denn sonst tun?“ fragte Larisa. „Das Wichtigste ist doch, daß ich keine Ausgaben haben werde und jeden Pfennig Nicky geben kann.“

      Dagegen gab es keinen Einwand.

      Larisa wußte jedoch, daß es für sie gar nicht so leicht sein würde, eine Stellung zu finden. Erstens war sie zu jung, und zweitens war sie zu schön. Welche Dame der Gesellschaft holte sich freiwillig eine solche Gefahr ins Haus?

      Doch heute, nach zehn langen Tagen, war endlich das Antwortschreiben von Lady Luddington eingetroffen, das Lady Stanton jetzt mit einem Seufzer in den Schoß sinken ließ.

      „Was schreibt sie, Mama?“ fragte Athene eifrig, bevor Larisa etwas sagen konnte.

      „Hat sie einen guten Vorschlag?“

      „Ich weiß nicht, was ich davon halten soll“, sagte Lady Stanton zweifelnd.

      „Laß hören, was sie schreibt“, bat auch Larisa.

      Lady Stanton nahm den Brief wieder zur Hand und begann zu lesen:

      „Meine liebe Margaret, Dein Brief war eine große Überraschung für mich, da ich gestehen muß, daß ich die Todesanzeige Deines Mannes in der Morning Post übersehen habe. Ich kann daher nur noch verspätet mein Beileid ausdrücken. Ich weiß, wie sehr Ihr Euch geliebt habt und wie sehr er Dir fehlen wird.

      Mit um so größerem Bedauern habe ich daher zur Kenntnis genommen, daß meine Patentochter Larisa sich wegen Eurer finanziellen Schwierigkeiten um eine Stellung umtun muß. Du fragst mich, ob ich sie einer mir bekannten, gut beleumdeten Familie trotz ihrer Jugend als Gouvernante empfehlen könnte. Ich habe mir lange den Kopf zerbrochen, ob unter meinen Bekannten jemand ist, der eine Erzieherin für seine Kinder sucht. Unglücklicherweise kenne ich in England niemand, der ein achtzehnjähriges Mädchen engagieren würde. Man zieht für eine solche Position Damen gesetzteren Alters vor.

      Zufällig jedoch besuchte mich kürzlich meine liebe und hochgeschätzte Freundin, die Comtesse de Chalon. Sie erwähnte beiläufig, ihr Bruder, der Comte de Valmont, suche für seinen Enkel eine englische Gouvernante.

      Das bedeutet, daß Larisa in Frankreich, in Valmont-sur-Seine leben müßte. Da mir Eure Familie am Herzen liegt, meine liebe Margaret, habe ich mich sofort erkundigt, ob Larisa im Haus des Comte ausreichenden weiblichen Schutz genießen würde - bei einer gewöhnlichen Gouvernante stellt dieses Problem sich natürlich nicht -, und die Comtesse versicherte mir, daß die verwitwete Schwester des Comte, eine Madame Savigny, bei ihm auf dem Schloß lebe. Außerdem führe die ganze Familie ein sehr zurückgezogenes Leben auf dem Lande.

      Das ist es, was Du Dir für Larisa wünschen würdest, davon bin ich überzeugt, da die Verlockungen und Extravaganzen von Paris, das man jetzt ,die verderbteste Stadt der Welt nennt’, für ein junges Mädchen höchst umpassend wären.

      Überdies erfuhr ich von Comtesse, daß der Comte de Valmont schon mehr als sechzig Jahre zählt und, obwohl ein noch immer gutaussehender Mann, seit jeher für seine Strenge und sein Verantwortungsbewußtsein gegen seine Angestellten bekannt ist.

      Ich glaube, meine liebe Freundin, daß Du Larisa ohne Sorge in eine solche Umgebung entlassen kannst, und auf meine Empfehlung hat die Comtesse ihrem Bruder geschrieben und nachdrücklich betont, daß Deine Tochter hervorragend geeignet sei, sich mit der Erziehung seines geliebten Enkels zu befassen.

      Hoffentlich ist Larisa sich im klaren, daß es für ein so junges Mädchen eine hohe Auszeichnung ist, eine solche Stellung zu bekommen, und daß sie sich benehmen wird, wie es sich für eine Stanton und für eine vollendete englische Lady geziemt.

      Ich denke und ich bete in diesen traurigen Zeiten für Dich, meine liebe Margaret, und verbleibe mit großer Zuneigung

      Helen“

      Schweigen senkte sich herab, nachdem Lady Stanton zu Ende gelesen hatte, und dann rief Athene impulsiv: „Frankreich! Du gehst nach Frankreich! Du meine Güte, hast du ein Glück. Ich wünschte, ich wäre an deiner Stelle.“

      „Ich bin gar nicht sicher, ob ich einen solchen Vorschlag akzeptieren werde“, sagte Lady Stanton mit besorgter Miene.

      „Aber warum denn nicht, Mama?“ rief Cynthus.

      „Es ist so weit weg“, erwiderte Lady Stanton unsicher. „Und Helen Luddington kann sagen, was sie will, aber Valmont-sur-Seine liegt ganz in der Nähe von Paris.“

      „Larisa wird bestimmt kein Geld haben, um sich in dieser sündhaften Stadt amüsieren zu können“, warf Nicky ein. „Aber ich muß sagen, ich beneide sie.“

      „Dazu“, meldete sich zum ersten Mal Larisa zu Wort, „ist kaum ein Anlaß gegeben. Erstens werde ich sehr zurückgezogen auf dem Lande leben, und zweitens müssen wir ja noch abwarten, ob der Comte mich überhaupt engagiert.“

      „Ja, natürlich“, pflichtete Lady Stanton ihr eifrig bei. „Vielleicht schickt er eine Absage oder antwortet gar nicht auf den Brief der Comtesse.“

      Die Aussicht schien sie beinahe zu freuen.

      Larisa jedoch wußte, daß sie sich, wenn der Comte sie nicht engagierte, an ein Stellenvermittlungsbüro für arbeitslose Gouvernanten wenden mußte. Ihr war ein bißchen wehmütig zumute, wenn sie daran dachte, wie jetzt, so bald nach dem Tod des Vaters, die Familie auseinanderfiel.

      Daß es eines Tages soweit kommen mußte, war ihr unvermeidlich erschienen, als Cynthus sich verlobte, und sie hatte gedacht, daß einmal auch sie Liebe schenken und Liebe empfangen würde. Dann, aber nur dann wäre sie bereit gewesen, ihre Familie zu verlassen und in eine Welt hinauszutreten, von der sie so wenig wußte.

      Doch trotz ihrer romantischen Träume von einer großen Liebe war Larisa das praktischste von allen vier Stanton-Mädchen. Auf jeden Fall hatte sie viel mehr gesunden Menschenverstand als ihre reizende, hilflose Mutter, die von ihrem Mann völlig abhängig gewesen war.

      „Wie, Larisa“, fragte sie verzweifelt, „soll ich es je fertigbringen, ohne Köchin und ohne Dienerschaft in einem winzigen Häuschen zu leben?“

      „Du

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