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Straße wohnt denn der Herr Vetter?“

      „In der – in der – der – in, halt ein Mannsname ist's,“ stotterte Heine Peterle verlegen, „und eine 5 hat's Haus, soviel Finger ich hab',“ und dabei hielt er eine seiner kleinen, braunen Hände dem Friede vor die Nase.

      Der sann ein Weilchen nach, dann sagte er: „Hier ganz nahe gibt's eine Albertstraße, könnt's die wohl sein?“

      „Freilich, freilich,“ rief Heine Peterle, „das ist ja ein Mannsname, der Schmied heißt ja so!“

      Bald hielt der Wagen vor einem großen, weißen Hause mit einem sehr zierlichen Vorgarten, den ein reich verziertes eisernes Gitter von der Straße trennte. „Fein wohnt der Herr Vetter, das muß man sagen,“ meinte Friede Hopserling bewundernd und warf den Kartoffelsack vom Wagen. Heine Peterle nickte stolz, nahm seinen Eierkorb und sah sich nach dem Kirschkuchen um.

      „Halt, hinten auf den Hosen klebt dir ja der Kuchen,“ rief Friede lachend. „Du Dösbartel, hast dich im Schlaf auf deinen Kuchen gesetzt!“

      Beschämt legte Heine Peterle den zerquetschten Kuchen in eine Wagenecke und kletterte dann herab. „Laß dir's gut gehen, und wenn ich einmal wiederkomme, besuche ich dich. Adjüs, hüh hott!“ sagte Friede Hopserling und fuhr die Straße hinab.

      Da stand nun Heine Peterle vor dem hohen Gitter und versuchte mit bange klopfendem Herzen die Türe zu öffnen, aber soviel er auch rüttelte, schüttelte und klopfte, die Tür ging nicht auf. Ein Herr, der gerade vorbeikam, lachte und rief: „Klingle doch, Junge!“

      „Hm,“ sagte Heine Peterle, „'s ist ja keine Schelle da!“

      „Drück nur auf den weißen Knopf dort,“ riet der Herr und ging weiter.

      Und Heine Peterle folgte dem Rat und drückte auf den weißen Knopf, drückte und drückte, aber es wollte nicht klingeln, er drückte fester, aber er hörte nichts. Auf einmal aber kam ein Mann aus dem Hause gelaufen, der einen feinen, mit goldenen Tressen besetzten Rock trug. Als er Heine Peterle sah, schrie er zornig: „Infamer Bengel, warum klingelst du denn so stark?“

      „Ich hör's doch nicht,“ sagte Heine Peterle und drückte ruhig weiter auf den Knopf. Aus dem Hause kam ein zweiter Mann gelaufen. „Aufhören, aufhören!“ schrie er und fuchtelte wild mit einem Stock in der Luft herum.

      Verdutzt sah Heine Peterle ihn an. Er konnte nicht begreifen, daß er es nicht klingeln hörte. „Was willst du denn hier?“ herrschte der Mann mit dem Tressenrock ihn an.

      „Ich bin Heine Peterle aus Oberheudorf und möchte den Herrn Vetter besuchen,“ stammelte der Bube.

      „Dummer Bengel, hier wohnt der Herr Graf von Dippelskirchen und nicht dein Vetter. Mach, daß du weiter kommst!“

      Die beiden Männer entfernten sich, und Heine Peterle stand ganz verdattert da. Auf einmal aber besann er sich und rief: „Herr Graf, Herr Graf, wo wohnt denn der Herr Vetter?“

       Der eine der Männer kam einige Schritte zurück, sah den Buben an und lachte ein wenig. „Ja, weißt du denn die Straße nicht?“

      „Halt ein Mannsname ist's,“ meinte Heine Peterle kleinlaut.

      „Ein Mannsname? Nein, so ein dummer Junge! Was denn für ein Mannsname? Kann's vielleicht Karlstraße sein?“

      „Freilich, freilich, so heißt ja Schnipfelbauers Knecht!“ rief Heine Peterle.

      „Na, dann geh mal rechts um die Ecke herum, dann links, dann die Straße hinunter, dann wieder rechts, dann bist du da. Verstanden?“

      „Freilich,“ sagte Heine Peterle, nahm seufzend seinen Sack auf den Rücken, den Eierkorb in die Hand und trollte davon. Erst ging er links statt rechts, weil er ein Linkshänder war, dann ging er rechts, dann wieder links. Klipp, klapp, klipp, klapp! trappten seine Holzpantoffel auf dem Steinpflaster. Die Leute, die auf der Straße gingen, blieben stehen und schauten lächelnd dem Buben nach, dem die hellen Schweißtropfen über das runde, rote Gesicht liefen. Endlich meinte dieser, er sei nun oft genug links und rechts gegangen, und als er ein Haus mit einer Fünf fand, trat er ein. Im Hausflur kam ihm eine Frau entgegen, die fragte er: „Wohnt hier der Herr Vetter? Ich bin Heine Peterle aus Oberheudorf.“

      „Ich kenne deinen Vetter nicht,“ entgegnete die Frau. „Geh mal eine Treppe hinauf, dort wohnt der Wirt.“

      „Ei,“ dachte Heine Peterle, „ich wußte doch gar nicht, daß der Herr Vetter ein Wirtshaus hat. Aber ein feines Wirtshaus ist das!“ Keuchend kletterte er die Treppe hinauf. Oben war wieder so ein weißer Knopf, den der Bube mißtrauisch betrachtete; mit dem Ding ließ er sich nicht mehr ein, und kräftig schlug er mit der Faust an die Türe.

      Scheltend öffnete eine Magd. „Warum machst du denn solchen Lärm und klingelst nicht?“

      Heine Peterle wurde verlegen und stotterte sein Sprüchlein hervor. Die Magd sah ihn etwas verwundert an; weil sie aber noch nicht lange im Hause war, dachte sie, die Sache könnte wohl richtig sein, und führte den Buben in ein großes, helles Zimmer und hieß ihn warten. Der sah sich mit erstaunten Augen um. Hui, war es hier aber fein! So etwas Schönes hatte er in seinem Leben noch nicht gesehen. Bilder hingen an den Wänden, und die Stühle waren mit heller Seide bezogen und – beinahe wäre Heine Peterle hingefallen vor Schreck, da stand ja ein Bube, der gerade so aussah wie er selbst. Heine Peterle grinste verlegen und kratzte sich hinter den Ohren. Der Bube tat dies auch. Da merkte Heine Peterle erst, daß er in einen Spiegel sah. Es dauerte und dauerte, der Herr Vetter kam nicht. Heine Peterle war müde. Verlockend winkten die hellen Seidenstühle, und so leise er konnte mit seinen Holzpantoffeln, schlich er näher und setzte sich. Potztausend, saß sich das gut auf dem Polster! Gerade hatte er sich so recht bequem hingesetzt, da öffnete sich die Türe, und eine Dame trat ein und betrachtete Heine Peterle erstaunt von oben bis unten.

      Der starrte die Dame, die ein langes, hellrotes Kleid trug, mit offenem Munde an. Ja, war das vielleicht gar eine Prinzessin? So fein sah sie aus.

      „Was willst du denn von mir, mein Kind?“ fragte diese freundlich.

      „Was ist denn das für ein Bengel?“ rief der Hausherr.

      „Der schöne Teppich!“ klagten Frau und Magd, und das Töchterlein quiekte: „Mama, Papa, seht doch her, er hat auf den Sessel einen großen Fleck gemacht,“ und zeigte auf das helle Seidenpolster, das Spuren von Heine Peterles Kirschkuchen trug, auf dem er während der Fahrt gesessen hatte.

      Dem Buben war es himmelangst. „Könnt' ich nur raus!“ dachte er. „Das ist ja gar nicht der Herr Vetter! Oh je, oh je, wie wird mir's gehen!“

      Na, es ging noch glimpflich ab. Ein paar Maulschellen gab's, ein paar Ermahnungen, sich nie wieder blicken zu lassen, und dann saß Heine Peterle auf einmal draußen auf der Treppe neben seinem Kartoffelsack und heulte vor Hunger, vor Schmerz und Müdigkeit.

Abbildung Seite 16

      Oberheudorfer Buben- und Mädelgeschichten. Seite 16.

      Einige Leute kamen herbei und fragten teilnahmsvoll nach seinem Kummer, und Heine Peterle erzählte, und als er sagte, einen „Mannsnamen“ sollte die Straße haben, da lachten sie alle, und eine Dame meinte

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