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schieben. Kannst du mich noch einmal für einen Tag entbehren?«

      »Das werd’ ich wohl müssen. Dann ruh dich jetzt aus, Dirndl, und schlaf dich wieder frisch, damit du am Morgen bei Kräften bist. Ich mach’ mir Sorgen um dich, weil du dir zu viel zumutest.«

      »Brauchst du aber nicht, Vater.« Franzi streckte sich. »Ich bin jung und gesund. Dass ich jetzt wieder ein Ziel hab’, gibt mir Kraft. Ich geh’ jetzt noch in den Stall, mach’ im Haus Ordnung, und dann werd’ ich die Hucke schön auspolstern, damit es Stepherl bequem hat. Schau, der Knirps ist ja erst drei Jahre.«

      »Ich red’ dir in nichts mehr hinein, Franzi, obwohl es mir lieber wäre, von dir Enkel zu haben. Meinst du nicht doch, dass das mit dem Korbinian noch einmal was wird? Er ist dir doch noch immer gut. Das merkt ein Blinder.«

      »Das mag sein, Vater, aber ich kann nicht von einem Bruder zum anderen wandern. Korbinian hat nicht verdient, dass er mir jetzt wieder gut genug sein soll, weil es Uli nicht mehr gibt. Nein, Vater, befass dich nicht mit solchen Gedanken. Wenn ich morgen mit Stepherl komm’, dann haben wir ein Kind im Haus, für das wir sorgen müssen. Das soll uns genug sein.«

      Josef Feistauer sagte dazu nichts mehr, er ließ Franzi in den Stall gehen. Als sie später im Haus arbeitete und ihm Essen für den nächsten Tag vorbereitete, sprach er sie nicht mehr auf Stepherl an, aber auch nicht auf Korbinian. Sie musste wissen, was sie tat.

      *

      Nani Wurzinger meinte ihren Augen nicht trauen zu können, als Franzi mit einer Hucke auf dem Rücken auf die Sennhütte zukam. »Du bist noch immer da?«, fragte sie.

      »Nein, nicht noch immer, schon wieder. Inzwischen war ich zu Hause.« Franzi nahm ihre Hucke ab und setzte sich auf die kleine Bank vor der Sennhütte.

      »Und was ist dir jetzt wieder eingefallen?«, fragte Nani spöttisch. »Ich glaub’, du willst hier alles unsicher machen. Gib’s doch auf, herausfinden zu wollen, was aus Uli geworden ist. Den hat der Teufel geholt.«

      »Das hab’ ich auch aufgegeben, Nani. Heute bin ich wegen etwas anderem gekommen.«

      »Mit einer leeren Hucke?« Nanis rundes Gesicht sah wenig geistreich aus.

      »Ja, mit einer leeren Hucke, Nani, aber sie soll nicht leer bleiben, wenn ich wieder geh.« Nun platzte Franzi heraus: »Nani, überlass mir Stepherl als Pflegekind.«

      Nani öffnete den Mund, und es sah aus, als könnte sie ihn nicht mehr schließen. Endlich fragte sie: »Was hast du gesagt?«

      »Dass ich Stepherl gern zu mir nehmen würd’. Du sagst selbst, und dein Vater genauso, dass der Bub ein Klotz an deinem Bein ist …«

      »Ist er auch.«

      »Dann gib ihn mir doch mit. Bei meinem Vater und mir auf unserem Bergbauernhof hätte er es gut, und du wärst frei. Wo ist er überhaupt?«

      »Dort drüben bei den Kühen. Da wird er wieder Löcher in den Himmel gucken. Etwas anderes kann er ja nicht. Aber ist das dein Ernst? Du würdest mir Stepherl abnehmen?«

      Franzi tat das Wort »abnehmen« weh, aber es blieb ihr nichts anderes übrig, als sich auf Nanis Jargon einzustellen. »Ja, das will ich tun. Ich gebe dir meine Adresse, und du schickst mir Stepherls Papiere, damit ich beim Jugendamt um die Pflegschaft ersuchen kann.«

      »Und ich werd’ dann gewiss mit ihm nichts mehr zu tun haben?« Nanis Blick wirkte jetzt irgendwie lauernd.

      »Nein, ich werd’ künftig für Stepherl sorgen, Nani.«

      »Dann hol’ ich ihn gleich.« Nani rannte schon über die Matte, scheuchte Kühe zur Seite, bis sie bei dem Jungen war. Sie zog ihn hoch. »Komm mit! Es ist jemand da, der dich zu sich holen will. Jetzt mach aber keine Scharwenzchen.«

      Als Franzi das hörte, hätte sie beinah den Kopf geschüttelt. War es wirklich möglich, dass sich eine Mutter so leichten Herzens von ihrem Kind trennte? Diese Nani schien in ihrer Gefühlskälte ihrem wilden Vater zu ähneln.

      Stepherls Gesicht hellte sich auf, als er Franzi sah. »Du bist wieder da«, sagte er, und nun klang Freude in seiner Stimme.

      »Ja, und sie nimmt dich mit.« Nani schob den Jungen ganz nahe zu Franzi.

      »Ist das wahr?«, fragte der Kleine. »Wohin?«

      »Auf einen schönen kleinen Hof, Stepherl.« Franzi beugte sich zu ihm und strich ihm über den Kopf. »Unterwegs erzähle ich dir alles. Du wirst auch einen ganz lieben Großvater haben.« Sie wandte sich an Nani. »Ich möchte mich nicht lang verweilen, damit ich mit Stepherl nicht zu spät nach Hause komme. Pack mir bitte etwas von seiner Kleidung ein, die er für den Anfang brauchen wird.«

      »Er zieht jeden Tag dasselbe an, nur das Hemd wechsle ich ihm manchmal. Hier sind wir nicht in der Stadt, wo die Kinder so viel Kleidung haben wie die Großen.«

      »Ist schon gut, dann wird es auch so gehen.« Franzi fasste den Jungen an der Hand. »Komm, ein Stück wirst du es schaffen, wenn ich nicht zu schnell geh’. Sobald du müde wirst, kommst du auf die Hucke. – Nani, vergiss nicht, mir die Papiere zu schicken.« Franzi nannte ihre Adresse, dann ging sie schon mit Stepherl von der Sennhütte weg. Sie hatte nicht das Gefühl, dass sich Nani von ihrem Sohn verabschieden wollte.

      *

      Franzi war es gewohnt, auch mal schwere Arbeit zu tun, und sie konnte kräftig zupacken, aber der Weg mit Stepherl auf der Hucke wurde doch hart für sie. Der Kleine hatte zu Fuß nur ein kurzes Stück mithalten können, dann war er müde geworden. Auf der Hucke hatte er bequem gesessen und nicht herunterfallen können, immer wieder hatte er etwas gefragt. Meistens wollte er wissen, ob er wirklich bei Franzi bleiben könnte, und nun nie mehr ins Heu müsste. Durch die Lieblosigkeit seiner Mutter hatte er kein tieferes Gefühl für sie entwickelt. Er schien sich hauptsächlich an die schlechten Dinge zu erinnern, die er in der Sennhütte immer wieder hatte erleben müssen.

      Franzi wurde nicht müde, den kleinen Buben zu trösten, und sie versuchte, ihm auszumalen, wie schön er es von nun an haben würde, zusammen mit ihr und seinem neuen Großvater.

      Es war später Nachmittag, als Franzi durch das Dorf ging, zu dem ihr Hof gehörte. Im Ort sahen ihr manche neugierig nach, einer aber, der mit dem Pferdewagen unterwegs war, sprang vom Kutschbock und kam auf sie zugelaufen. Es war Korbinian.

      »Franzi, was soll das bedeuten?«, fragte er und zeigte auf den Jungen. »Ich hab’ doch gehört, dass du heil zurückgekommen bist, aber jetzt warst du anscheinend schon wieder unterwegs.«

      »Ja, um den Buben hier zu holen. Bis zu der Sennhütte, in der er bisher lebte, war der Weg noch nicht zu beschwerlich. Ich muss weiter, Korbinian, sonst verlassen mich die Kräfte.«

      Korbinian sah in ihr verschwitztes Gesicht, in ihre müden Augen. »Komm, ich nehm’ dir den Buben ab, gleichgültig, was du mit ihm vorhast. Ihr steigt zu mir auf den Kutschbock.« Er hob Stepherl schon von der Hucke.

      »Du meinst es gut, Korbinian«, sagte Franzi, »aber den Steig hinauf muss ich den Jungen doch wieder tragen.«

      »Du willst also mit ihm nach Hause?«

      »Ja.«

      »Dann werd’ ich dir den Jungen tragen. Nein, keine Widerrede. Die Zeit nehm’ ich mir, und mehr Kraft als du hab’ ich auch.« Korbinian half Franzi auf den Kutschbock, reichte ihr den Jungen und setzte sich neben sie. Gleich darauf knallte er mit der Peitsche. Darüber erschrak Stepherl zuerst, dann fand er es anscheinend lustig. Er lachte und klatschte erfreut in seine Händchen.

      Franzi war darüber erschüttert. Zum ersten Mal sah sie den Kleinen lachen.

      »Was soll das nun mit dem Kind?«, fragte Korbinian nach einer Weile.

      »Es ist Ulis Sohn. Ja, glaub es mir. Ich hatte noch keine Gelegenheit, dir das zu erzählen. Hör zu!« Franzi schilderte nun Korbinian, wie sie Stepherl bei der Sennerin Nani angetroffen hatte und was sie von ihr hatte hören müssen.

      »Das hat also Uli auch noch auf sein Gewissen

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