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die Kinder zu Bett gebracht worden waren und Julia sich ebenfalls mit einem knappen »Gute Nacht« zurückziehen wollte, vertrat er ihr den Weg, schob sie ins Wohnzimmer und fragte: »Wann willst du endlich zum Rechtsanwalt gehen, um deine Ehe annullieren zu lassen?«

      »Das ist ganz bestimmt nicht so einfach, wie du es dir vorstellst«, sagte sie ausweichend.

      »Ich sehe Schwierigkeiten nur, wenn du selbst welche machst, Julia. Warum ziehst du nicht endlich einen Schlussstrich unter die Vergangenheit?«

      »Und wie soll die Zukunft aussehen?«

      »Ganz einfach, wir beide heiraten.«

      Julia grub die Zähne in die Unterlippe, bis sie den salzigen Geschmack des Blutes spürte.

      »Du willst mich auch dann heiraten«, fragte sie endlich, »wenn ich dir sage, dass ich dich nicht liebe?«

      Björn lachte. »Natürlich! Momentan bist du störrisch wie ein Maulesel, und das kann ich sogar verstehen. Später wirst du einmal einsehen, dass ich dich lediglich zu deinem Glück gezwungen habe.«

      »Zu meinem Glück?« Falten der Bitterkeit kerbten sich in Julias Mundwinkel. »Björn, warum willst du nicht begreifen, dass alles vorbei ist? Ich empfinde nichts mehr für dich.«

      »So ein Unsinn!« Sein Gesicht rötete sich. »Du gibst ja weder dir noch mir eine Chance, um auszuprobieren, was du noch empfindest, wenn …« Mit einem blitzschnellen Satz war er bei ihr. Packte sie wie ein Raubtier. Riss sie an sich. Julia roch, dass er getrunken hatte.

      »Nein!« Sie wollte sich befreien. Sie kämpfte verzweifelt gegen seine Bärenkräfte.

      »Diesmal kommst du mir nicht davon!«, keuchte Björn. »Diesmal nicht!« Er fasste in ihr Haar, zwang sie stillzuhalten und küsste sie.

      Julia sah rot. Sie kam sich gedemütigt und schrecklich erniedrigt vor. Ihr rechtes Bein schnellte nach vorn und traf das Schienbein des Mannes so schmerzhaft, dass Björn mit einem unterdrückten Aufschrei rückwärts taumelte.

      »Kommst du jetzt wieder zur Vernunft?«, stieß Julia atemlos hervor.

      Doch in seinen Augen las sie, dass er die Kontrolle über sich verloren hatte, dass er ihr seinen Willen aufzwingen wollte um jeden Preis. Da gab sie den Kampf auf. Im Vorbeigehen riss sie ihre Umhängetasche von der Garderobe. Wie von Furien gehetzt flüchtete sie aus der Wohnung.

      Es war schon finstere Nacht, als ein Taxi vor dem einsamen Forsthaus anhielt. Doch im Wohnzimmer brannte noch Licht. Anheimelnd schimmerten die erhellten Fenstervierecke durch die Dunkelheit. Augenblicklich fühlte Julia sich ruhiger, denn Geborgenheit umschloss sie. Sie atmete tief die würzige Waldluft ein. Wieder zu Hause!

      Matthias, der den Wagen gehört hatte, trat aus der Haustür. Ihr Mann! Der Schein der Lampe über dem Eingang fiel auf sein ernstes, gesammeltes Gesicht. Wie sie ihn liebte! Wie von unsichtbaren Faden gezogen, stürzte sie auf ihn zu.

      »Julia!« Er drückte sie zärtlich an die Brust, doch schon im nächsten Moment fragte er rau: »Was ist passiert? Ist etwas mit den Kindern?«

      »Nein, nein, Heidi und Carsten geht es gut, besser, als ich befürchtet hatte. Aber – aber ich muss mit dir reden. So geht es nicht weiter.« Sie ließ sich auf die Bank vor der Haustür sinken und blickte zu den Sternen empor, als suche sie dort oben einen Hoffnungsschimmer.

      »Nein, so geht es nicht weiter«, sagte Matthias dumpf, als er sich neben ihr niederließ und ihre Hand umfasste. »Zu der Überzeugung bin ich auch gekommen. Und darum, Julia, darum habe ich mich schweren Herzens entschlossen, dich freizugeben.«

      »Wie – wie?« Verstört sah sie ihren Mann an.

      »Ich liebe dich, Julia, aber gerade darum kann ich nicht länger mit ansehen, wie du leidest, wie du dich quälst. Was in meiner Macht steht, will ich tun, um dich aus diesem Konflikt zu befreien.«

      »Was meinst du? Was willst du tun?«

      »Ich weiß, dass eine Scheidung dein Gewissen belasten würde, darum werde ich vor Gericht erklären, dass ich dich hinterlistig getäuscht habe – wie mein Bruder es mir in den Mund gelegt hat. Dann gibt es keine Scheidungsformalitäten, sondern unsere Ehe wird einfach für null und nichtig erklärt.«

      »Das würdest du für mich tun? Dich selbst bezichtigen? Deinen guten Ruf aufs Spiel setzen?«

      Er winkte verächtlich ab. »Als ob mein sogenannter Ruf von Wichtigkeit wäre. Ich denke jetzt nur an dich, Julia, und an die Kinder, die dich brauchen.«

      Mit einem Aufschluchzen, in dem Glück und Verzweiflung zugleich mitklangen, warf Julia die Arme um den Hals ihres Mannes.

      Seine Worte hatten ihr bewiesen, wie übermenschlich er sie liebte. Er wollte nicht länger um sie kämpfen, um ihr und den Kindern nicht wehzutun. Er wollte Verzicht üben.

      Aber gerade weil er so dachte und handelte, gerade weil er so hochherzig reagierte, hatte er sie gewonnen – für das ganze Leben.

      »Ich kann dich nicht verlassen, Matthias, mein Geliebter, mein Mann«, flüsterte sie heiß an seinem Ohr. »Ich liebe dich, du bist mein Leben. Ich gehörte zu dir, ich gehöre dir – für ewig.«

      Er presste sie jäh an sich, und Julia spürte, wie er verzweifelt schluckte.

      Sie richtete sich auf und schmiegte beide Hände um sein angespanntes Gesicht. »Ohne dich wäre mein Leben sinnlos.«

      »Julia, du machst mich zum glücklichsten Menschen auf der Welt – aber die Kinder, was wird aus den Kindern?«

      »Ich weiß es nicht, aber irgendeinen Weg muss es geben – einen Weg, der gut für Heidi und Carsten ist. Ich kann mit deinem Bruder nicht zusammenleben oder ihn gar heiraten. Ich kann es einfach nicht, auch nicht den Kindern zuliebe, die ich wie meine eigenen liebe. Ich wäre mit Björn todunglücklich, und Heidi und Carsten würden es spüren. Ich glaube, ein Leben im Spannungsfeld ist das Allerschlimmste für Kinder. Das darf ich ihnen nicht antun.«

      Matthias schwieg, in den Wipfeln rauschte der Nachtwind, er sang leise ein Lied von Sehnsucht und Zärtlichkeit.

      *

      Als Julia am nächsten Morgen in den Armen ihres Mannes erwachte, war die Sonne gerade aufgegangen und vergoldete das Zimmer im Forsthaus, als läge es in einem Märchenschloss.

      Von Julia aber war alle Verzauberung gewichen. Wirre Träume hatten sie gequält.

      Als sie sich wie gepeinigt herumwarf und Matthias ebenfalls erwachte, stieß sie hervor: »Ich kann nicht. Ich muss zu den Kindern zurück! Was werden sie sagen, wenn sie mich heute Morgen nicht vorfinden? Was soll nur aus ihnen werden?« Sie wollte aus dem Bett springen, doch der Förster hielt sie mit sanfter Gewalt zurück.

      »Ich habe heute Nacht viele Stunden darüber nachgedacht«, begann er ruhig. »Du darfst auf keinen Fall zu Björn zurückkehren. Das wäre völlig falsch.«

      »Aber zu den Kindern …«

      »Das ist leider das Gleiche, Julia. Wir müssen jetzt einfach abwarten, so schwer es uns auch fällt. Wir dürfen gar nichts unternehmen.«

      »Aber …«

      »Glaube mir, ich kenne meinen Bruder. Wenn er begreift, dass er dich unwiderruflich verloren hat, wird er zur Vernunft kommen. Du musst ihn heute anrufen und ihm sagen, dass du dich für mich entschieden hast.«

      Sie besprachen noch einige Einzelheiten, bevor Julia zum Telefonhörer griff und Björns Nummer wählte.

      Als er sich meldete, erklärte sie mit scheinbarer Gelassenheit: »Ich bin es, Julia. Ich rufe aus dem Forsthaus an, Björn, und ich möchte dir nur sagen, dass ich meinen Mann nicht verlasse. Mach dir also keine Hoffnungen mehr, dass ich je zurückkehre.«

      »Hast du dir das auch gut überlegt?«, fragte er wütend zurück.

      »Ja.«

      »Aber die Kinder! Warte, ich hole Heidi ans Telefon …«

      »Nein,

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