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uns die Welt ansehen.«

      Sie fühlte sich von seinen Zukunftsplänen tatsächlich getröstet, viel mehr, als sie erwartet hatte. Und als er nun mit einem leisen Lachen vorschlug: »Wollen wir ›Du‹ zueinander sagen?«

      Da lächelte sie ihm zu und sagte ganz einfach: »Ja.«

      *

      Reni verging fast vor Traurigkeit. Ostern war nun schon so lange vorbei, aber Tante Gitta war wohl immer noch krank und konnte daher nicht beim Papa und bei ihr wohnen, sie war sogar weggezogen, ganz weit weg. Und das Sorgenfresserchen hatte ihr auch nicht geholfen. Schon drei oder sechs Mal hatte sie ein wunderschönes Bild gemalt mit einer großen bunten Wiese drauf, wo sie selbst, der Papa und die Tante Gitta miteinander Ball spielten – oder einen Drachen steigen ließen. Die Bilder waren zwar am nächsten Tag weg gewesen, die Tante war aber leider immer noch nicht da.

      So konnte es doch nicht bleiben. Aber vielleicht durfte sie sie an diesem Samstagvormittag endlich wiedersehen und für eine Weile bei ihr bleiben.

      Der Vater wollte zum Einkaufen und zum Autowaschen fahren, und sie sollte mit. Sie wollte aber nicht, auf gar keinen Fall!

      »Ich will zu Tante Gitta, bitte, Papa, bitte, bitte.«

      Die flehende Stimme seiner Tochter tat Henrik so weh, dass er schließlich mit belegter Stimme erwiderte: »Ich muss erst anrufen, ob sie ein bisschen Zeit für dich hat.«

      »Dann ruf doch an.«

      Er tat es, während Reni wie ein Wachhund neben ihm stand und offensichtlich beabsichtigte, das Gespräch ganz genau zu verfolgen.

      »Hier ist Henrik, guten Tag, Gitta«, begann er in bemüht sachlichem Ton. »Ich habe den ganzen Vormittag zu tun, Reni wäre demzufolge ganz allein – und zu Oma kann ich sie auch nicht bringen, weil die an diesem Wochenende zu ihrer Schwester gefahren ist. Kann die Kleine vielleicht bis Mittag bei dir bleiben? Anschließend können wir auch irgendwo was essen gehen, wenn du magst.«

      Ihre Antwort blieb zuerst einmal aus, erst nach einigen Sekunden hörte er, wie sie kurzangebunden sagte: »Ja, bring sie her.«

      »Hurra!!« Reni umarmte ihren Vater stürmisch, lief dann zu ihrem Zimmer, um ihre Lieblingspuppe und das neue Bilderbuch in ihren Rucksack zu packen.

      Henrik sah ihr einen Augenblick lächelnd nach, bevor er die große Einkaufskiste hervorholte und nach dem Autoschlüssel griff. Dabei gestand er sich ein, dass er aufgeregt war wie schon lange nicht mehr. Seit nahezu vier Wochen hatte er Gitta nicht mehr gesehen, sie fehlte ihm an allen Ecken und Enden, und er dachte jeden Tag an die Zeit, in der er ein harmonisches Familienleben und Reni eine Mutter gehabt hatte.

      »Ich bin fertig.« Sein Kind unterbrach seine wehmütigen Gedanken und forderte ihn gleichzeitig auf, endlich loszufahren.

      »Na, dann komm«, sagte er mit nicht ganz klarer Stimme. »Wollen wir hoffen, dass es deiner Tante Gitta schon etwas besser geht.«

      Während sich Henrik und seine Tochter auf den Weg machten, war Gitta nicht in der Lage, irgendetwas zu tun. Sie hatte eigentlich die Fenster putzen wollen, aber das passte jetzt sowieso nicht mehr. In wenigen Minuten würde Reni hier sein, ihre kleine Reni, die sie schon so sehr vermisste. Ob es der Kleinen genauso ging?

      Sich diese Frage zu stellen, war völlig überflüssig. Knapp zwanzig Minuten später lief Reni auf sie zu, strahlte vor Wiedersehensfreude und warf sich in ihre Arme.

      Henrik bekam bei diesem Anblick feuchte Augen, und er schwor sich, sein Kind nie mehr derartigen Konflikten auszusetzen.

      »Bist du jetzt wieder gesund?« Reni hatte es sich auf Gittas Schoß bequem gemacht und schaute sie forschend an.

      »Ja, jetzt bin ich wieder gesund.«

      »Dann kannst du ja wieder bei uns wohnen. Komm, wir packen ganz schnell deine Sachen.« Renis Initiative war kaum noch zu bremsen. Henrik meinte daher ablenkend: »Ihr beide könnt ja zuerst einmal euer Wiedersehen feiern, ich muss aber jetzt los, einkaufen und Auto waschen lassen. Wenn ich wieder hier bin, gehen wir zum Italiener und essen Pasta. Einverstanden?«

      »Na klar, Papa. Pasta ist prima. Nicht, Tante Gitta, Pasta ist prima. Du kommst doch mit?«

      Gitta brachte es nicht fertig, dem Kind eine Absage zu erteilen. Sie konnte dessen traurige Augen nicht sehen.

      Und so erwiderte sie scheinbar erfreut: »Natürlich komme ich mit. Ich habe schon sehr lange keine Pasta mehr gegessen.«

      »Da freuen wir uns aber mächtig, nicht wahr, Renimaus?« Henrik tätschelte seinem Töchterchen den Rücken und drückte bei der Gelegenheit Gitta einen Kuss auf die Wange.

      Nachdem er die Tür hinter sich geschlossen hatte, behielt Gitta das Kind noch für eine Weile auf ihrem Schoß und genoss es, dessen Körper zu spüren.

      Die Kleine hatte abgenommen. Das war nicht zu übersehen. Die junge Frau machte sich Vorwürfe, sie so lange alleingelassen und nur an ihren eigenen Kummer gedacht zu haben. Andererseits gab es keine Lösung für dieses Problem. Sie konnte doch nicht zu einem Mann zurückkehren, der sie betrogen hatte und vermutlich immer wieder betrügen würde.

      Gitta unterdrückte ein lautes Seufzen, während sie Reni fest an sich drückte. Und sie dachte an Evelin, an diese gefühlskalte Frau, die sich besser kein Kind angeschafft hätte. Ob die sich noch änderte und ihrem Kind eine echte Mutter sein konnte? Wahrscheinlich nicht.

      »Ohne dich ist es bei uns gar nicht mehr schön«, vertraute ihr Reni jetzt an. »Wir sind beide so allein, der Papa und ich. Manchmal kommt die Oma und trinkt bei uns Kaffee, aber die geht bald wieder weg, die ist ja auch schon alt und muss sich ausruhen.«

      »Ja, mein Mäuschen, so ist es wohl. Aber jetzt besucht ihr die Mutti sicher öfter.« Gitta konnte sich diese Frage nicht verkneifen und war dann überrascht, als Reni energisch verkündete: »Da fahren wir doch nicht hin, und bei uns war die auch nicht mehr. Papa hat mal am Telefon ganz böse zu ihr gesagt, dass sie uns in Ruhe lassen soll.«

      Ja, wenn sie weit weg ist, dann kriegt er so etwas hin, und wenn sie bei ihm ist, dann kriecht er zu ihr ins Bett, dachte Gitta erbost. Ich müsste doch einen Knall haben, wenn ich mich wieder mit ihm einließe.

      In diesem Augenblick umarmte Reni sie stürmisch und flüsterte ihr zu: »Ich lasse dich nie wieder weg. Dich hab ich lieb, weil du meine richtige Mutti bist.«

      »Ich hab dich auch lieb«, erwiderte Gitta gerührt und tief bewegt. »Du bist doch mein kleines Mädchen. Aber sag doch, was wir machen wollen, bis dein Papa zurückkommt.«

      »Mensch ärgere dich nicht spielen und Saft trinken«, kam es prompt zurück, was Gitta unwillkürlich lächeln ließ. Ihre Pflegetochter wusste, was sie wollte.

      Als Henrik zwei Stunden später wieder bei ihnen auftauchte, vernahm er schon im Flur das fröhliche Lachen seines Kindes, sah gleich darauf dessen vergnügte Miene und hörte, wie dieses Kind triumphierend erklärte: »Ich habe drei Mal gewonnen, Papa, und Tante Gitta nur zwei Mal. Und jetzt habe ich Hunger.«

      »Wir auch, nicht wahr, Gitta?« Henrik schaute bittend zu derjenigen hin, die ihn vor Wochen verlassen hatte, und fügte dann noch hinzu: »Ich habe schon einen Tisch bestellt.«

      Und als sie nicht antwortete und an ihm vorbeisah, bat er so leise, dass Reni ihn nicht verstehen konnte: »Nun gib deinem Herzen schon einen Stoß. Wenn du mit uns in ein Lokal gehst, verpflichtet dich das zu nichts. Ich weiß, dass ich die Suppe auslöffeln muss, die ich mir dummerweise eingebrockt habe, aber Reni soll so wenig wie möglich darunter leiden.«

      »Sie kann ja auch nichts dafür.«

      »Nun kommt endlich, sonst werden die Nudeln noch kalt.« So rief Reni die beiden, die sich immer noch nicht einigen konnten, laut zur Ordnung. Und sie war es auch, die an diesem Tag keine schlechte Stimmung mehr aufkommen ließ. Es war beinahe so wie früher.

      *

      »Du hast – eine Tochter??« Evelin konnte es nicht fassen, was ihr der Professor eben bei einem Glas

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