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Kleinasien.

      Frühchristliche Baukunst

      4. Jahrhundert bis um 600

      In der Frühzeit des Christentums galt es vor allem, der jungen, beständig wachsenden Gemeinde Versammlungsplätze bereitzustellen. Diesem Zweck dienten zunächst Privathäuser, unter denen die Hauskirche von Dura Europos am Euphrat in Syrien (der damaligen römischen Provinz Syria Coele) das älteste erhaltene Monument dieser Art ist (232/233). Teile des Wohnhauses wurden in eine Kirche mit Baptisterium umfunktioniert.

      Im Jahr 312 siegte der römische Kaiser Konstantin vor den Toren Roms über den Usurpator Maxentius und wurde damit zum Alleinherrscher über Westrom. Einer Legende zufolge war ihm vor der Schlacht über der Sonne das Christus-Monogramm mit den Worten: „in hoc signo vinces“ erschienen. Im Jahr 313 gewährten Konstantin und Licinius (wie Konstantin einer der Tetrarchen des römischen Reichs) mit der sogenannten Mailänder Vereinbarung allgemein freie Religionsausübung, die also auch den Christen die Ausübung ihres Kults erlaubte. Obgleich sich Konstantin erst kurz vor seinem Tod taufen ließ, schien er doch die christliche Religion anderen Kulten, wie etwa denen der Isis, des Mithras oder des Hercules, vorzuziehen. Die neue Religion, wiewohl erst im Jahr 380 unter Theodosius I. zur Staatsreligion erhoben, wurde bereits jetzt zu einer mit kaiserlichem Anspruch, der sich in repräsentativen Sakralbauten verwirklichte. Es entstanden die ersten großen christlichen Basiliken, von Konstantin selbst initiiert: S. Pietro in Vaticano (die Peterskirche) und S. Giovanni in Laterano (die Lateransbasilika).

      Die ersten großen Kirchenbauten folgten dem Typus der Basilika. Es handelt sich um einen Longitudinalbau, der aus einem Mittelschiff und zwei, vier oder (seltener) sechs niedrigeren Seitenschiffen besteht. Das Mittelschiff erhält sein Licht durch eine Reihe von Fenstern im oberen Teil der Wand, der die Seitenschiffe überragt, dem „Obergaden“ oder „Lichtgaden“. Auch die Seitenschiffe sind mit Fenstern versehen.

      Die Fenster sind entweder offen (auch mit Stoffbahnen verhängt) oder mit dünn geschliffenen Alabaster- oder Marmorscheiben (Transennen, s. S. 40) geschlossen.

      Mittelschiff und Seitenschiffe sind durch Stützen (Säulen oder Pfeiler, oder auch Säulen und Pfeiler im Wechsel) getrennt, die ein durchgehendes Gebälk (Architrav) oder eine Bogenreihe (Archivolten) tragen. Den meist östlichen Abschluss bildet der Altarraum, an den sich eine im Grundriss halbrunde, quadratische oder rechteckige Apsis schließt. Unter dem Altarraum liegt die Krypta mit der Grabstätte eines Heiligen oder seiner Reliquien. Zwischen Langhaus und Altarraum liegt häufig ein Querhaus. Das Mittelschiff hat in der Frühzeit eine Flachdecke oder ist ungedeckt, sodass der Blick in den offenen Dachstuhl freigegeben wird. Die römische Technik der Wölbung greift erst das Mittelalter wieder auf, sofern es sich um Longitudinalbauten handelt. (Anders bei Zentralbauten, s. S. 44). Das Mittelschiff ist mit einem Satteldach gedeckt, die Seitenschiffe haben Pultdächer. Der Basilika sind eine gedeckte Vorhalle (Narthex) und ein von Kolonnaden umgebener offener Hof (Atrium) vorgelagert.

      Als Vorbild gilt die römisch-heidnische Basilika, die Versammlungsplatz, Markthalle und Ort der Rechtsprechung war. Die betonte Längsausrichtung dürfte sich aber wesentlich aus der christlichen Liturgie erklären, insbesondere dem festlichen Einzug des Zelebrans und des Klerus vom Haupteingang zum Altar, dem symbolische Bedeutung zukam als Gleichnis für den Einzug Jesu in Jerusalem. Das dürfte auch der Grund dafür sein, dass sich der Zentralbau nicht auf Dauer durchsetzen konnte, sondern hauptsächlich anderen Aufgaben vorbehalten blieb, wie dem Ort der Taufe (dem Baptisterium) oder der Grabstätte (dem Memorialbau).

      Das Baumaterial der frühen Sakralbauten stammt zu einem guten Teil aus älteren (heidnischen) Bauten. So sind in den meisten Bauten dieser Zeit Säulen, Kapitelle, ganze Architrave wiederverwendete Bauteile (sogenannte Spolien, vom lateinischen spolium, Raub, Beute). Der vornehmste (oft verlorene) Schmuck frühchristlicher Bauten sind Mosaiken, die Wände, Fußboden und Gewölbe bedecken.

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       29 Alt-St. Peter, Rekonstruktion. Grundriss

      Der Bau wurde am Ort der heutigen Peterskirche über der Stelle errichtet, wo sich auf einem ehemaligen Gräberfeld der Überlieferung zufolge das Grab des Apostels Petrus befindet, der im nahe gelegenen Zirkus des Nero den Märtyrertod gestorben sein soll. Um 600 ließ Papst Gregor I. eine Ringkrypta um das Grab anlegen, auf die man vom Kirchenschiff aus hinabblicken konnte („Confessio“), was der aktuellen Situation entspricht. Die Basilika musste 1506 einem Neubau weichen (s. S. 140). Der ursprüngliche Bau ist nur aus schriftlichen Quellen zu rekonstruieren.

      Von Ost nach West (die Kirche ist nicht wie üblich geostet, sondern gewestet) folgen aufeinander ein offenes, von Säulengängen umgebenes Atrium mit einem Brunnen für die rituellen Waschungen in der Mitte, eine Vorhalle („Narthex“), das fünfschiffige Langhaus und das Querhaus, an das in der Mittelachse die Apsis über halbrundem Grundriss anschließt.

      Die Längsausrichtung des Schiffs wurde betont durch die gleichförmige Aneinanderreihung von (viermal 23) insgesamt 92 Säulen, die einen durchgehenden Architrav trugen.

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       30 Alt-St. Peter, Rekonstruktion

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       31 Rom, S. Paolo fuori le Mura, 342 geweiht

      Dort, wo der Legende nach der Apostel Paulus begraben worden war, entstand zunächst eine Gedenkstätte („cella memoriae“), die Konstantin in eine kleine Basilika umformen ließ.

      Unter Valentinian II., Theodosius und Arcadius wurde der Bau auf die heutigen Ausmaße erweitert. Es handelt sich um eine fünfschiffige Basilika mit Querhaus, an das in der Mittelachse unmittelbar eine halbrunde Apsis anschließt.

       32 Rom, S. Paolo fuori le Mura vor dem Brand 1823. Radierung von G. B. Piranesi, 1756

      Von dem alten Bau, der 1823 niederbrannte, blieben zwar nur das Querhaus und der Triumphbogen erhalten, er wurde jedoch im Wesentlichen originalgetreu wieder aufgebaut (Weihe 1854), sodass er heute einen angemessenen Raumeindruck frühchristlicher Basiliken vermittelt. Die einzelnen Schiffe sind durch je 20 Bögen tragende korinthische Säulen (die im Original kanneliert waren) voneinander getrennt. Ursprünglich schaute man in den offenen Dachstuhl.

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       33 Transennen

      Die Fensteröffnungen frühchristlicher Basiliken waren mit hauchdünnen, durchbrochenen, transluziden Marmor- oder Alabasterplatten verschlossen.

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       34 Ravenna, S. Apollinare in Classe, 549 geweiht. Perspektivschnitt

      Obgleich es sich um eine dreischiffige Basilika handelt, hat man aufgrund der ungegliedert durchlaufenden Kolonnaden den Eindruck, in einer Halle zu stehen. Altarraum und Apsis liegen erhöht über der Krypta (s. S. 68) und sind über eine breite Treppe zu erreichen. Die ursprüngliche prächtige Ausstattung mit Wand- und Fußbodenmosaiken ist bis auf das Apsismosaik verloren.

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