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      »Mehrere.«

      »Was wissen Sie über die Mordwaffe?«

      »Die 24.000-Dollar-Frage?«

      »Kommen Sie schon, Sie haben sicher eine Vermutung.«

      Er nickte und trat ein wenig von der Leiche zurück. Sie folgte. »Ich glaube, dass es eine Art Schere oder ein Werkzeug mit Wellenschliff war. Etwas, das man in der Hand hält, auf jeden Fall rasiermesserscharf.«

      »Eine normale Schere?«

      »Oder etwas sehr Ähnliches, vielleicht eine Gartenschere.«

      Sie warf einen Blick auf die Leiche hinter sich, die ihre Geheimnisse nicht preisgab. »Ich habe genug gesehen«, sagte sie und ging mit ihrem Stock zurück in den angrenzenden Raum, wo sie die Maske, die Handschuhe und den Laborkittel auszog.

      Ihr war ein wenig flau im Magen. Die emotionale Reaktion, durch den Anblick von Mrs. Hamners malträtierter Leiche ausgelöst, war wie eine Zündschnur, die langsam herunterbrannte. Sie eilte in den angrenzenden Waschraum, wobei ihr bewusst war, dass Dr. Archer ebenfalls dort war, um seine Maske, Handschuhe und Mantel abzulegen, und er sie beobachten konnte, bis sie die Tür hinter sich schloss. Wie viel ihrer Schwäche hatte er gesehen, fragte sie sich in dem klaustrophobisch kleinen Waschraum. Sie ging ans Waschbecken und spritzte sich kaltes Wasser ins Gesicht, versuchte, die in ihr aufsteigende Angst und den Ekel niederzukämpfen. Sie mühte sich verzweifelt, die Kontrolle über sich wiederzugewinnen, laut ihrer Psychiaterin absolut innerhalb ihrer Möglichkeiten.

      Das war alles Matisaks Schuld, sein Werk. Er hatte sie nicht nur körperlich verkrüppelt, sondern auch seelisch, hatte ihr etwas Wertvolleres genommen als nur den normalen Gebrauch ihrer Beine.

      Und nun war sie in der Stadt, in der die Klaue lebte und sich über Frauen hermachte, die ihr nicht unähnlich waren, Frauen, die jeden Tag ihres Lebens in Angst verbrachten. Er war nicht hinter einer undurchdringlichen Wand. Er lief frei herum. Wahrscheinlich war er heute Morgen aufgestanden und hatte die Zeitung überflogen, um etwas über sich selbst zu lesen und das, was er Mrs. Hamner angetan hatte. Er war nicht weit weg.

      Die gleiche Art Verrückter wie Gerald Ray Sims und Matt Matisak, vielleicht beide auf einmal. Sie stammelte ihr Spiegelbild an: »Bastard … verdammter Bastard.«

      Kapitel 6

      Die Nacht war ohne einen weiteren Zwischenfall vergangen, der mit der Klaue zu tun hatte. Die Stadt, die auf alles vorbereitet zu sein schien, wirkte wie eine Braut, die erleichtert war, dass sie am Altar stehen gelassen wurde. Früh in seinem neuen Büro zu sein, dachte Rychman, würde ihm Zeit geben, alles zu organisieren, sich auf den Tag vorzubereiten und auf die unvermeidlichen Überraschungen einzustellen. Er hatte den wenig hilfreichen forensischen Bericht von Dr. Archer über Mrs. Hamner erhalten, sich damit an den Schreibtisch gesetzt und ihn abgesucht nach etwas – egal was –, das zu einem Durchbruch führen könnte oder sie zumindest in eine bestimmte Richtung weisen würde. Aber abgesehen von der Enthauptung gab es nichts Neues. Wieso hatte der Irre dieses Detail hinzugefügt?

      Den Reportern war er ausgewichen, indem er direkt in die Tiefgarage gefahren war, wo er jetzt einen eigenen Parkplatz hatte. Er hatte es absichtlich vermieden, morgens die Zeitung zu lesen, denn er wusste, es würde nur eine Menge Mist über den Fall und die Abteilung darin stehen, von dem nichts hilfreich war. Wieso druckten sie nicht die Fakten? Es waren buchstäblich Tausende Verdächtige in Gewahrsam genommen, befragt und wieder freigelassen worden; schon vor der Aufstellung der Taskforce waren in diesen Fall mehr Arbeitsstunden geflossen als in jeden anderen in der Geschichte der Abteilung. Die Cops machten ihren Job. Vielleicht würde die Taskforce, der er zugeteilt war, ihnen endlich die Presse vom Leib halten, zumindest eine Zeit lang, aber er zweifelte daran.

      Er hatte schon vorher mehr als einmal erfolgreich eine Taskforce geleitet und war dafür verantwortlich, dass die Wirtschaftsverbrechen von Charles Dean Ilandfeldt ans Licht kamen. Vorher hatte er die Biker-Gang Lords of Satan zur Strecke gebracht und sie als Hehler für automatische Waffen infiltriert. Sie hatten ihm so weit vertraut, dass er sogar in ihrem Hauptquartier in L.A. filmen durfte, wie sie ihre Vorstellung von Gerechtigkeit anwandten. Er hatte niemals vorher solche Grausamkeit gesehen, aber das Werk der Klaue ließ die Biker-Gang wie eine Gruppe von Pfadfinderinnen wirken.

      Was seine neuen Pflichten anging, so hatte Rychman nichts gegen eine interessante Abwechslung, aber Police Plaza 1 – und sein neues, größeres Büro – waren etwas, woran er sich noch gewöhnen musste.

      Er versuchte, es sich in seinem neuen, vorübergehenden Büro bequem zu machen, schaltete den Softrock-Sender ein, der gerade ein Medley von Gordon-Lightfoot-Hits spielte, das mit seinem Lieblingslied If You Could Read My Mind endete. Er hätte gern die Gedanken der Klaue lesen können und auch die von Dr. Jessica Coran, wo er schon dabei war. Dachte sie wirklich, sie konnte in den Kopf dieses Killers sehen? Vielleicht hatte sie bei Mad Matisak in Chicago einfach Glück gehabt; Zufälle und Glück spielten schließlich oft eine große Rolle bei Ermittlungen und der Polizeiarbeit. »Son of Sam« Berkowitz wurde geschnappt, weil ihm ein eifriger Cop einen Strafzettel ausgestellt hatte, was einfach nur unverschämtes Glück gewesen war. Rychman glaubte allerdings, die meisten erkannten einen glücklichen Zufall nicht, weil sie nicht darauf eingestellt und nicht aufmerksam genug waren, besonders, was Gewöhnliches und Alltägliches anging. Vielleicht war es bei der Gerichtsmedizinerin Coran anders. Sie schien eine gute Beobachtungsgabe zu haben.

      Er dachte einen Moment darüber nach, wie hübsch sie war, während im Radio die Verkehrsmeldungen liefen und als Nächstes die Nachrichten angekündigt wurden. Er hatte begonnen, seine Post und einige Akten zu überfliegen, die auf seinem Schreibtisch verstreut lagen, als Lou Pierce hereinkam, mit einem merkwürdigen Ausdruck im Gesicht. Rychman und Lou arbeiteten seit fast sieben Jahren zusammen und er wusste, wenn Lou aufs Klo musste, wenn er Zahnschmerzen hatte oder wenn er mit schlechten Neuigkeiten zu ihm kam.

      »Da steht was in der Times, das Sie sehen sollten, Captain.«

      »Ich bin mir nicht sicher, ob ich irgendwas in der Times lesen will, Lou. Zumindest noch nicht.«

      »Das kann nicht warten, Captain. Der Polizeichef ist unterwegs und der Bürgermeister war die ganze Nacht wach.«

      »So schlimm, ja?«

      Lou ließ sich auf den Stuhl ihm gegenüber und die Zeitung vor seinem Captain auf den Tisch fallen, alles in einer flüssigen Bewegung. Er schien im Stuhl zu versinken, schloss die Augen und tat so, als würde er schlafen. »Ich hab was über Selbsthypnose gelesen, Captain«, sagte Lou. »Ständig wird einem gesagt, wie wichtig es ist, sich zu entspannen – für die Gesundheit, den Körper, die Seele, ich meine …«

      Lou hielt die Augen fest geschlossen, als er sprach, und Rychman überflog die Titelstory. Der Autor war der mittlerweile bekannte Reporter Jim Drake III.

      Die Überschrift war vernichtend: 6. Klauen-Mord – Polizei ahnungslos, kein Verdächtiger, keine Spuren.

      »Ich habʼs erst neulich in dieser Talkshow Donahue gehört. Da waren ein paar Ärzte eingeladen und die haben alle betont, wie wichtig es ist, dass man lernt, sich zu entspannen. Die haben gesagt, wenn man sich nicht entspannt, dann kriegt man noch ein Magengeschwür, Herzprobleme oder landet im Irrenhaus oder alles drei zusammen.«

      Rychman war alles andere als entspannt, als er den Artikel weiterlas, und sein Zorn steigerte sich mit jedem Wort. Er war jetzt etwa bei der Mitte der Story angekommen, wo er als fragwürdige Wahl für den Leiter der Sonderkommission bezeichnet wurde, die von der Stadt aufgestellt worden war, um das Grauen zu beenden.

      Und der Schweinehund erwähnte tatsächlich eine Kneipenschlägerei, die sechzehn Jahre her war, und außerdem Rychmans kontroverse Scheidung inklusive der dazugehörigen Schlammschlacht.

      »Verflucht«, murmelte er, »verdammt noch mal.« Er stellte sich vor, wie Dr. Jessica Coran den Artikel gerade in ihrem Hotelzimmer bei einer Tasse Kaffee las.

      »Man muss die Quelle bedenken«, sagte

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