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daß du schon wieder auf den Beinen bist. Gewiß fühlst dich noch recht schwach, oder?« Sie legte Christa ihre faltige Rechte auf die Stirn. »Ich mein’ fast, du hast auch Fieber. Mei, Madel, wenn da nur nix nachkommt. Ich hab’ dir doch gleich gesagt, es wär’ besser, den Doktor zu holen und…«

      »Net, Rosa, darüber wollten wir doch nimmer reden.« Christa biß sich auf die Lippen und konnte doch nicht verhindern, daß ihr die Tränen kamen. »Es geht schon. Es muß.«

      »Wie fühlst dich? Sei ehrlich!« Rosa setzte sich zu dem Madel, das sich gleich in ihre Arme flüchtete und anfing zu schluchzen. »So schlimm? Das ist arg. Ich glaub’, du mußt doch zum Doktor Brinkmeier gehen. Ich will mir nix vorwerfen müssen.«

      »Ich gehe net zum Doktor.« Sie schneuzte sich. »Und ich will auch nimmer weinen. Es ist vorbei, die Sache ist erledigt.«

      Rosa schüttelte ihr in Ehren ergrautes Haupt. »Das ist alles nicht richtig. Du hättest auf den Thomas hören sollen, der wollte schließlich mit deinem Vater reden. Den Kopf hätte er dir nicht abreißen können.«

      »Das ging net, und du weißt es. Der Vater hätte Mittel und Wege gefunden, den Thomas und mich zu trennen. Und das würde ich nicht überstehen. Ich mag nicht ohne den Thomas sein.«

      »Ja, ich weiß.« Die Hauserin seufzte schwer. »Mei, Madel, ich frage mich ehrlich, wohin das alles noch führen soll. Seinerzeit, als du noch klein gewesen bist, da hat der Bauer auch schon hier gewütet wie net gescheit. Seine Familie hat er terrorisiert. So lange, bis deine Mutter es nimmer ausgehalten hat. Und dich wird er ebenso aus dem Haus treiben, das sehe ich schon kommen. Vielleicht wäre es überhaupt das Beste, du gehst zusammen mit dem Thomas weg. Nehmt das Butzerl mit und…«

      »Rosa!« Die Hoftochter war ganz bleich geworden, in ihren klaren Augen schien es zu irrlichtern, als sie die Altmagd rügte: »Sag so was nie wieder! Kein Mensch darf erfahren, was letzte Nacht gewesen ist. Und ich…« Sie verstummte abrupt, krümmte sich vor Schmerzen. Rosa war gleich wieder bei ihr.

      »So geht das nicht, Madel. Ich will mich nicht versündigen. Wenigstens dem Thomas sag ich Bescheid, damit er was unternehmen kann. Du willst doch dein Leben nicht aufs Spiel setzen!«

      »Ist schon recht, es geht gleich wieder.« Christa atmete tief durch, tatsächlich nahmen ihre Wangen ein wenig Farbe an. Sie bemühte sich um ein Lächeln. »Siehst, schon vorbei. Es wird ein paar Tage dauern, dann bin ich wieder ganz auf dem Posten. Und alles ist wie vorher.«

      »So, meinst?« Die Altmagd schien da ganz anderer Meinung zu sein, aber sie schwieg, denn es hatte ja offensichtlich wenig Sinn, auf Christa einwirken zu wollen. Das Mädchen hatte schreckliche Angst vor seinem cholerischen Vater. Diese Angst war stärker als alles andere. Und dagegen hatte Rosa noch kein Mittel gefunden. Nicht mal Christas Liebe zu dem Knecht Thomas Berger, die dieser aus tiefstem Herzen erwiderte, konnte ihr helfen, ihre Furcht vor dem Bauern zu überwinden und sich zu dem zu bekennen, was sie sich im Leben am meisten wünschte.

      »Rosa, sei nicht bös auf mich«, bat das schöne Mädchen eine Weile später begütigend. »Ich weiß ja, daß du es nur gut mit mir meinst. Aber ich habe mich entschieden. Keiner darf etwas von dem Kind erfahren.«

      »Und Thomas? Hat er da nicht auch noch ein Wörterl mitzureden? Immerhin ist er der Vater.«

      »Ich habe ihm versprochen, daß das Kleine in gute Hände kommt. Und später, wenn wir zusammen sein können, dann holen wir das Kind zu uns. Das hab’ ich mir alles ganz genau überlegt.«

      »Ach, Madel, du träumst. Dein Vater wird sich nie ändern. Ihr hättet euch schon längst gegen ihn stellen müssen. Je mehr Zeit vergeht, desto schwerer wird es für euch. Und der Thomas wird auch nicht ewig warten wollen.«

      Christa senkte den Blick. »Er ist mir treu und hat mich lieb. Zusammen werden wir das schon durchstehen«, murmelte sie, doch ihre Worte klangen weniger überzeugt als unsicher und ängstlich.

      Am frühen Abend stahl Christa sich dann aus dem Haus, um sich mit ihrem Liebsten zu treffen. Sie fühlte sich nicht gut, hatte noch immer Schmerzen. Aber sie wollte es nicht zugeben, denn Hilfe von außen mochte sie nicht annehmen. Dann hätte der Vater etwas erfahren können, und das durfte nicht geschehen!

      Thomas Berger wartete bereits am vereinbarten Treffpunkt, einem Wegkreuz am Waldrand, wo sich auch ein Materl und eine Bank fanden. Der hoch gewachsene, fesche Bursch mit dem blonden Schopf und den klaren, grauen Augen sah sofort, daß mit seiner Liebsten etwas nicht stimmte. Ihr Gang war nicht so leicht und beschwingt wie sonst, sie war blaß und schien sich sehr zusammenzureißen. Nachdem sie ein langes, inniges Busserl getauscht hatten, fragte Thomas: »Was hast? Geht es dir net gut? Du bist ganz warm, ich glaube, du hast Fieber. Mei, Christel…«

      »Bitte, Thomas, laß uns nicht darüber reden. Mir geht es natürlich nicht gut, das ist doch ganz klar. Aber es wird, jeden Tag ein bissel mehr. Also mach dir nur keine Sorgen, das mag ich nicht. Und das hilft mir auch nicht. Laß uns ein Stückerl spazierengehen, bevor es dunkel wird.«

      Der Bursch legte einen Arm um ihre schmalen Schultern, sie schlenderten auf den Tann zu, der hier still und dunkel in den klaren Himmel ragte. Es war eine friedvolle Abendstimmung, die Sonne stand tief im Westen und schien das Firmament in pures Gold zu tauchen. Vögel sangen ihre leisen Schlaflieder in den Zweigen der Bäume, Insekten summten über den Frühlingsblüten. Und doch wollte sich im Herzen des Burschen kein Friede einstellen. Er sorgte sich einfach zu sehr um Christa.

      »Willst nicht doch zum Doktor gehen?« fragte er nach einer Weile, in der sie schweigend ihre Zweisamkeit genossen hatten. Er merkte, daß sie ihm gleich widersprechen wollte, aber er fuhr entschlossen fort: »Es hat keinen Sinn so, Christa. Unser Butzerl ist bei fremden Leuten, wie kannst das ertragen? Vielleicht wird es bald in ein Heim kommen. Dabei sind seine Eltern hier in Wildenberg. Und es wäre alles so einfach.«

      »Ich bitt’ dich, Thomas, du weißt, daß es das nicht ist.« Sie machte sich von ihm los, blieb stehen und murmelte: »Der Vater wird niemals zulassen, daß ich die Deine werde. Niemals.«

      »So ein Schmarrn!« Der Bursch schob eine Hand unter ihr Kinn und schaute ihr tief in die Augen. »Wir sind beide erwachsen, keiner kann uns was vorschreiben. Ich hab’ dich lieb und möchte, daß wir unser Leben teilen. Und wenn das hier nicht geht, dann eben woanders. Es ist doch ganz egal, wo wir leben. Hauptsache, wir sind zusammen. Das ist für mich alles, was zählt. Du und ich und unser kleines Mariele.«

      »Ach, Thomas, mach es mir doch net so schwer.« Sie schluckte krampfhaft, warf sich dann an seinen breiten Brustkasten und nuschelte: »Es gibt ja nix auf der Welt, was ich mir mehr wünsche! Aber es geht nicht. Der Vater läßt es nicht zu.«

      »Dein Vater hat uns nix zu sagen. Und je eher du das einsiehst, um so besser. Bitte, Christa, gib zu, daß ich mit ihm rede, daß wir…«

      »Schon mich, Thomas. Ich kann das jetzt nicht ertragen.« Sie stöhnte verhalten auf. »Ich muß heim und mich hinlegen.«

      Er musterte sie betroffen, hatte sofort ein schlechtes Gewissen. »Verzeih mir, ich hab’ nur an mich gedacht. Sei mir nicht böse. Wir gehen gleich heim, stütz dich auf mich, bitte.«

      »Es geht schon.« Sie wischte sich die Tränen ab, gab sich Mühe, aufrecht zu gehen. Plötzlich überkam Thomas da eine kalte Wut. Er blieb stehen, starrte das Madel, das er doch von Herzen liebte, ungläubig an. Und dann warf er Christa vor: »Du bist nicht besser als dein Vater. Nicht einmal stützen darf ich dich! Du sagst, du hast mich lieb, aber bekennen willst dich nicht zu dieser Liebe. Und daß du unser Kind einfach fortgibst, das ist mir alles andere als recht. Aber mich fragt ja keiner!«

      »Thomas, bitte, mach mir keine Vorwürfe, ich wollte doch nur…« Sie verstummte, denn er stürmte davon, ohne sich weiter um sie zu kümmern. Christa seufzte zutiefst bekümmert auf. Sie ahnte, wie es dem Burschen ums Herz war. Thomas mußte glauben, daß sie sich seiner schämte, daß sie lieber den leichten Weg ging und sogar ihr gemeinsames Kind fortgab, um Ärger zu vermeiden. Dabei litt sie ebenso unter der Situation wie er. Aber ihre Angst vor der Unberechenbarkeit des Vaters machte es Christa einfach unmöglich, anders zu reagieren.

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