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Schuß lag gut, wenn auch nicht so genau wie der von Al Conroy.

      „Ein Jammer, daß ich nicht ein paar Breitseiten mit den Vierpfündern ’reinfetzen kann!“ rief Conroy, als er wieder nachlud. „Dann könnten wir richtig aufräumen!“

      „Sei nicht so vergnügungssüchtig!“ rief Ferris Tucker zurück. „Wir haben doch Zeit.“

      Hatten sie nicht. Die Iren lagen zu beiden Seiten der Sperre an den Ufern, hinter Felsen und Gebüschen. Wenn es nach ihnen gegangen wäre, hätten sie längst losgeschlagen. Sie hatten einen gesunden Haß auf die Engländer entwickelt, schließlich ging es hier um ihr Land und ihre Freiheit.

      Nur mühsam war es den Spaniern gelungen, daß sie noch abwarteten. Sie hatten sich auch noch zurückgehalten, als die ersten vier, fünf Kugeln der Drehbassen in die Bordwand des versenkten Fischerbootes krachten. Aber als der zehnte Schuß Conroys den Hecksteven traf und die Reste der Bordwand vom Ebbstrom fortgerissen wurden, war ihre Geduld endgültig vorbei.

      Al Conroys Ohren dröhnten noch vom letzten Abschußknall, es war der neunte oder zehnte, soweit er sich erinnern konnte, als er plötzlich einen wilden Fluch vom rechten Ufer hörte. Fast gleichzeitig knallte ein Musketenschuß.

      Die Kugel strich dicht über seinen Kopf weg und schlug in den Besanmast. Unwillkürlich hatten er und die anderen Männer auf dem Achterkastell die Köpfe eingezogen. Das war ihr Glück. Denn in der nächsten Sekunde krachte es von beiden Seiten. Wie böse Wespen surrten an die hundert Kugeln über sie weg.

      „Geduckt laden!“ rief Hasard den beiden Kanonieren zu. „Erst unmittelbar vor dem Feuern aufrichten!“

      Er hätte sich diesen Befehl sparen können. Keiner der beiden Männer hörte ihn, weil im selben Moment das Abwehrfeuer der beiden Galeonen einsetzte.

      2.

      Die beiden Schiffe wurden zu schwimmenden Festungen, zu feuerspeienden Burgen, die nach beiden Seiten tödliches Blei spuckten.

      Philip Hasard Killigrew stand geduckt hinter dem Schanzkleid, eine Pistole in der Hand, und wartete, bis es drüben wieder aufblitzte. Eine winzige Korrektur, und dann krachte sein Schuß. Ein Aufschrei am Ufer verriet ihm, daß er getroffen hatte.

      Wieder einer weniger, dachte er grimmig, als er sich hinter die dicke Holzwand duckte und seine Waffe nachlud. Er hatte noch eine zweite Pistole im Gürtel, gebrauchte sie aber nicht. Der Seewolf hatte gelernt, daß es gut ist, für alle Fälle immer noch eine kleine Reserve zu haben.

      Er füllte Pulver in den Lauf, stopfte es mit einem Pfropfen fest, stieß eine Kugel nach und richtete sich wieder auf.

      Befriedigt sah er das stetige Aufblitzen der Mündungsfeuer von den Bordwänden der beiden Galeonen. Ein Glück, daß Drake so weit vorgelaufen ist, überlegte er, sonst würden wir uns jetzt gegenseitig im Weg liegen. Hat doch eben alles sein Gutes, dachte er, und drückte wieder ab.

      Als er sich wieder aufrichtete, um nach einem Mündungsfeuer zu suchen, zischte etwas dicht an seinem Gesicht vorbei und fuhr mit einem trockenen, harten Aufschlag in das gegenüberliegende Schanzkleid. Hasard fuhr herum und sah den zitternden Schaft eines Pfeils im Holz stecken.

      „Achtung! Pfeilschützen!“ rief er zur Kuhl hinunter.

      „Auf Pfeilschützen achten!“ schrie Ben Brighton lauter als Hasard.

      Aber die Warnung erfolgte zu spät. Dicht neben sich hörte er einen leisen Aufschrei. Lewis Pattern ließ seine Muskete fallen und umklammerte mit beiden Händen den Pfeilschaft, der aus seiner rechten Brustseite ragte.

      „Kutscher!“ brüllte Ben Brighton. „Kutscher! Wo steckt dieser Affenarsch schon wieder?“ Wütend richtete er sich auf. „Kutscher!“

      Er nahm den Kopf hastig wieder weg, als eine Kugel ihm fast einen zweiten Scheitel zog.

      Lewis Pattern war zusammengesackt. Sein Gesicht war verzerrt, ein dünner Blutfaden rann aus seinem Mundwinkel. Seine Hände zitterten und umklammerten den Pfeilschaft so fest, als ob er mit ihm sein Leben festhalten wollte.

      „Kutscher!“ brüllte Ben Brighton noch einmal und noch lauter.

      „Was schreist du denn so?“ Ein mittelgroßer, fast schmalbrüstig wirkender Mann kroch auf Händen und Knien über das Deck.

      Ben Brighton deutete mit dem Daumen auf Lewis Pattern. „Arbeit für dich. Und wenn du Saftsack noch einmal so lange bummelst, wenn man dich ruft.“

      Der Rest seiner Ansprache ging in einem ohrenbetäubenden Krachen unter. Die sechs Vierpfünder der „Isabella“ feuerten gleichzeitig. Das Deck vibrierte wie bei einer harten Kreuzsee.

      „Das ging ins Volle!“ schrie Dan O’Flynn aus dem Mars.

      Tatsächlich, die unerwartete Kanonade schien den Iren und Dons die Sprache verschlagen zu haben. Ein paar Sekunden schwieg das Gewehrfeuer von den Ufern.

      „Sorgt dafür, daß es so schön still bleibt, Männer!“ rief Ben Brighton den Kämpfenden hinter dem Schanzkleid zu. „Der beste Ire ist ein ruhiger Ire!“

      Seine Muskete krachte. Vom Ufer her ertönte ein hohler, kehliger Schrei.

      „Einer mehr von der ruhigen Sorte“, murmelte er befriedigt.

      Der Kutscher kniete neben dem verwundeten Lewis Pattern und tastete vorsichtig über dessen Rücken.

      „Das Ding ist fast durch“, sagte er mit dem professionelkühlen Ton, mit dem ein Arzt den Tod eines Kranken feststellt.

      Der Kutscher hieß so, weil er einmal diesen Beruf ausgeübt hatte, bei Sir Freemont, einem bekannten Arzt in Plymouth. Und dem hatte er nicht nur einige Kniffe seines Handwerks abgeguckt, sondern auch dessen überlegenes, fast arrogantes Auftreten übernommen.

      Und mit Recht, fand er. Schließlich war er etwas Besseres als diese ungehobelten Kerle, die nur fluchen, saufen und raufen konnten.

      Seine ungewaschene Hand zog einen Beutel aus rohem Hanf näher, kramte etwas darin herum und holte ein etwa fußlanges Stück Weichholz heraus.

      „Hier, beiß da ’rein, wenn es weh tut“, sagte er und schob Lewis Pattern das Holz zwischen die Zähne.

      Es mußte schon vielen Männern unter der Behandlung des Kutschers weh getan haben, denn das Holzstück war zerbissen wie ein Knochen, um den sich mehrere Bernhardiner gebalgt hatten.

      Er packte den Kopf des Verwundeten, zog ihn etwas von der Bordwand fort und trieb mit einem harten Faustschlag die Pfeilspitze ganz hindurch.

      Lewis Pattern stieß einen erstickten Schrei aus, und das Holz knirschte zwischen seinen zupackenden Zähnen.

      „Wir haben’s gleich, Junge“, sagte der Kutscher tröstend, brach die Stahlspitze des Pfeils ab und riß den hölzernen Schaft aus der Wunde.

      „Na also, war doch gar nicht so schlimm“, kopierte er wieder eine Standardredewendung seines früheren Brotherrn Sir Freemont. „Aber anders hätten wir das Ding niemals ’rausgekriegt.“ Er hielt die blutverschmierte Pfeilspitze hoch. „Widerhaken wie eine verdammte Saufeder“, murmelte er kopfschüttelnd. „Diese Iren …“

      Er verschluckte den Rest des Satzes, weil eine Kanonenkugel gemeingefährlich über ihre Köpfe wegsauste und auf der Backbordseite eine Handbreit des Schanzkleides mitnahm.

      „Sind die Kerle auf der ‚Marygold‘ besoffen?“ schrie er wütend zum Achterkastell hinauf.

      „Das war nicht die ‚Marygold‘!“ rief Dan O’Flynn aus dem Mars. „Das war eine von unseren eigenen Kugeln.“

      „Das kannst du deiner Großmutter erzählen!“ Der Kutscher fühlte sich ehrlich verschaukelt. „Seit wann schießt denn eine Kanone im Kreis?“

      Es war ein Abpraller gewesen. Die Bordwände des versenkten Schiffes waren unter dem präzisen Feuer der beiden Drehbassen zersplittert, und das ablaufende Wasser hatte die Steinladung

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