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wollte. Jenny fing ganz behutsam davon an.

      »Bei dem Patienten, den Sie betreuen sollen, handelt es sich um Marius Campen, dem Chef eines traditionsreichen Familienunternehmens. Er hat noch zwei Brüder, Clemens und Nicolas. Clemens ist verheiratet. Seine Frau Claire ist arrogant und manchmal unerträglich. Das sage ich lieber gleich, denn es könnte sein, daß sie auch sehr unfreundlich zu Ihnen ist. Nehmen Sie es gelassen. Der jüngere Bruder Nicolas befindet sich schon eine ganze Zeit in England, wo er eine Niederlassung leitet. Der Vater ist vor ein paar Jahren gestorben. Die Mutter heißt Mary und ist eine ganz besonders reizende und liebenswürdige Frau, die sehr unter der Krankheit ihres Sohnes leidet. Sie werden sie sicher noch heute kennenlernen. Marius Campen ist ein sehr kluger, sensibler und zurückhaltender Mann. Wir bedauern es zutiefst, daß er keine lange Lebenserwartung mehr hat. Er ist sicher der wertvollste der Brüder Campen, denn Clemens hat der Familie schon viele Schwierigkeiten bereitet. Ich erzähle Ihnen das alles, damit Sie Bescheid wissen, wenn Sie mit den einzelnen Familienmitgliedern zu tun haben. Zu niemandem wird etwas über den tatsächlichen Zustand des Patienten gesagt. Sie werden die Fragenden immer an uns verweisen, Pamela.«

      »Selbstverständlich, Madame d’Antoine legte auch größten Wert auf Diskretion.«

      Während Sie alles besprachen, hatte Dr. Dieter Behnisch die unerfreuliche Aufgabe, Claire Campens Neugierde zu befriedigen. Sie war eine attraktive Frau, das mußte auch er zugeben, aber sie war ebenso exzentrisch und berechnend. Das bekam Dieter Behnisch so richtig zu spüren.

      »Sie können mir die Wahrheit sagen über Marius’ Zustand«, sagte sie in einem Ton, der ihn schon auf die Palme brachte. »Mama ist völlig verzweifelt, und wir möchten sie natürlich aufmuntern, so gut es geht. Aber wir müssen wissen, womit wir zu rechnen haben. Wir haben Nicolas gebeten, sofort zu kommen, aber er macht keine Anstalten. So sind mein Mann und ich die einzigen, die Mama zur Seite stehen können.«

      Die arme Frau Campen, dachte Dieter, wie kann sie diese Schnattergans nur ertragen?

      »Herr Campen hat die Operation gut überstanden. Eine Prognose können wir nicht geben, aber Sie werden doch nicht gleich ans Sterben denken, Frau Campen?«

      »So wie er in der letzten Zeit ausgesehen hat, müssen wir mit dem Schlimmsten rechnen. Wohl ist mir bei dem Gedanken auch nicht. Besteht denn überhaupt noch Hoffnung?«

      »Solange ein Herz schlägt, darf man die Hoffnung nicht aufgeben. Herrn Campen ist nicht damit gedient, wenn Sie ihn als Todeskandidaten behandeln.«

      »Aber es ist Krebs, das müssen Sie doch zugeben.«

      Er sah das Funkeln in ihren Augen, das alles andere als Mitgefühl ausdrückte. »Ich muß gar nichts zugeben! Er wird noch untersucht werden. Ich gebe auch Angehörigen nur Auskunft, die von dem Patienten ausdrücklich gestattet wird.«

      Ihre Augen wurden ganz schmal, und ihre Miene verriet, daß sie eine andere Antwort erwartet hatte. Solange Marius Campen lebte, hatte Clemens nichts zu melden in der Firma. Eigentlich war er auch nicht scharf darauf, solche Verantwortung zu übernehmen, aber Claire war krankhaft ehrgeizig und eitel und konnte nicht genug bekommen.

      Jetzt wurde nach ihm gerufen, und er atmete auf. »Sie müssen mich entschuldigen, Frau Campen, ich werde gebraucht«, sagte er kühl.

      »Kann ich meinen Schwager besuchen?« fragte sie.

      »Nein, Besuche sind in den nächsten Tagen nicht gestattet, darum hat Herr Campen gebeten.«

      Beleidigt rauschte sie von dannen, und Dr. Behnisch sagte zu Schwester Lore, daß sie ihn ruhig schon früher hätte rufen können. Sie war irritiert.

      »Ich wußte nicht, daß man Sie stören darf.«

      »Wenn diese Frau Campen hier erscheint, bin ich in Zukunft immer beschäftigt. Ich bin nur für Frau Mary Campen zu sprechen. Und für Herrn Campen ist eine Pflegerin engagiert, die nur für ihn zuständig ist. Informieren Sie bitte Ihre Kolleginnen.«

      *

      Claire fuhr nach Hause und beschwerte sich gleich bei ihrem Mann, daß man sie mit ein paar Ausreden abgespeist hatte.

      »Mir gehst du auch auf den Wecker mit deinem ständigen Geschwätz«, fuhr er sie an. »Merkst du denn gar nicht, wie peinlich es ist, Marius ins Grab reden zu wollen?«

      »Wir müssen schließlich wissen, woran wir sind! Du wirst dich doch nicht von Nicolas verdrängen lassen?«

      »Was geht das dich an? Kümmere dich um deine eigenen Angelegenheiten. Bei dieser Gelegenheit laß dir gesagt sein, daß ich nicht mehr daran denke, deine kostspieligen Ambitionen zu finanzieren. Deine Kleider- und Kosmetikrechnungen wirst du künftig von deinem Konto begleichen. Was zuviel ist, ist zuviel!«

      »Du hast mir das Blaue vom Himmel versprochen«, ereiferte sie sich. »Ich hätte eine ganz andere Partie machen können.«

      »Wenn sich nur ein anderer gefunden hätte«, lachte er auf. »Aber ich war der einzige, der in die Falle gestolpert ist, blöd wie ich war. Und auf das Kind warte ich immer noch.«

      »Was kann ich dafür, daß ich eine Fehlgeburt hatte!« zischte sie.

      Clemens sah sie verächtlich an. »Es war keine Fehlgeburt, es war eine Lüge, eine ganz gemeine Lüge, eigentlich ein Betrug. Ich hätte dich gleich zum Teufel jagen sollen.« Er redete sich in Wut, und sie duckte sich.

      »Marius hat keine Kinder, und ich habe keine. So wird Nicolas ohnehin alle Trümpfe in der Hand haben. Denk mal darüber nach.«

      Sie starrte ihn an. »Was willst du damit sagen?«

      »Wer den Erben bringt, dem fällt alles zu. So hat es Vater bestimmt. Ich bin von unserem Anwalt daran erinnert worden.«

      »Aber wir können doch noch Kinder haben, Clemens. Ich werde mich sofort einer Behandlung unterziehen.«

      »Das kannst du dir ersparen, ich rühre dich nicht mehr an. Ich habe endgültig genug von dir.«

      Sie warf den Kopf zurück. »Das wird dich aber einiges kosten«, sagte sie drohend.

      »Viel ist bei mir nicht mehr zu holen, du hast uns fast ruiniert mit deinem Größenwahn.«

      Er stürmte aus dem Zimmer und knallte die Tür hinter sich zu. Sie sah ihm fassungslos nach.

      Was ist nur plötzlich mit ihm los? dachte sie. Sogleich vermutete sie eine Rivalin. Ihm ist jedes Mittel recht, mich abzuservieren, dachte sie gleich weiter und steigerte sich in wilden Zorn hinein.

      »Das könnte dir so passen!« stieß sie zwischen den Zähnen hervor, die sich dann gleich schmerzhaft in ihre Unterlippe gruben, und das machte sie noch wütender.

      Blindlings, und um sich abzureagieren, lief sie zu dem Seitenflügel, in dem Mary Campen wohnte.

      Deren Haushälterin verwehrte ihr jedoch den Eintritt. »Die gnädige Frau möchte nicht gestört werden«, sagte Martha abweisend.

      »Ich muß sie aber dringend sprechen, ich war in der Behnisch-Klinik!« fuhr Claire sie an, aber da kam sie an die richtige Adresse.

      »Ich habe genaue Anweisung, wen ich einlassen darf. Sie gehören nicht dazu.«

      Sie wurde von einem giftigen Blick förmlich durchbohrt, aber an Martha prallte das ab. Sie konnte Claire sowenig ausstehen wie Mary Campen, die Martha gleich zu sich rief, als Claire schimpfend verschwunden war.

      »Ist sie gegangen?« fragte sie mit schwacher Stimme.

      »Unter Protest, aber das kennen wir ja.« Matha war so lange im Hause Campen, daß sie sich solche Bemerkungen erlauben durfte. Sie gehörte zur Familie, wenn Claire das auch nicht wahrhaben wollte.

      »Hätte Clemens nur eine andere Frau genommen«, flüsterte die alte Dame.

      »Er ist nicht schlecht.«

      »Das wissen wir, regen Sie sich bitte nicht auf.«

      »Das Schicksal meint es nicht gut mit uns, Martha«, flüsterte Mary. Ihre

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