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auf die Frage finden, die nun in der Luft hing. „Verdammt“, sagte er schließlich. „Da stehen wir wie die Ölgötzen und glotzen sechsunddreißig tiefgeladene Galeonen an – und können ihnen nicht beikommen!“

      „Paradox ist das“, sagte Karl von Hutten.

      Hasard verzog den Mund. „Und nicht nur das, wir sind auch gefährdet. Wenn die Dons ’rauskriegen, wer wir sind, sind wir geliefert.“ Er grinste plötzlich, und in seinen Augen tanzten tausend Teufel. „Es sei denn ...“

      „Es sei denn?“ echote Matt Davies.

      „Nun, wir könnten versuchen, uns ein größeres Schiff zu schnappen, auf dem wir noch mehr verstauen können.“

      „Himmel, Arsch, das ist eine großartige Idee. Warum sind wir nicht selbst darauf gekommen?“ Matt Davies blickte den Kutscher an.

      Dieser erwiderte, ohne eine Miene zu verziehen: „Das, lieber Matt, ist eine Frage der Menge an Grütze, die jeder von uns in seinem Gehirnkasten hat.“

      „Wir gehen auf Parallelkurs“, entschied der Seewolf. „Wir laufen in Lee des Konvois nach achtern gestaffelt, also auf der Backbordseite des Geleitzuges, mit. Und zwar in Sichtweite. Wollen doch mal sehen, was dann passiert.“

      Der Tag, der so beschaulich begonnen und dann eine völlig unerwartete Wende genommen hatte, ging seinem Ende entgegen. Das schale Licht der Dämmerung löste die sonnendurchglänzte Helligkeit ab, das Blau des Himmels schlug in schattiges Grau um, die See verlor ihren Glanz. An Bord der spanischen Galeonen wurden Lichter gesetzt. Sie hielten ihren Kurs und liefen nach wie vor unter vollem Zeug. Der Wind blieb handig bis steif und blies aus Südosten.

      Philip Hasard Killigrew hatte Position auf dem Achterdeck der Zweimastkaravelle bezogen. Aufmerksam blickte er immer wieder durch den Kieker zu dem Konvoi hinüber. Pete Ballie stand am Kolderstock. Ben Brighton und Edwin Carberry hielten an der Schmuckgalerie, die das Achterkastell zur Kuhl hin abschloß, die Hände aufgestützt und überwachten die Arbeiten an Deck.

      Die komplette Mannschaft war auf den Beinen und befand sich in Alarmbereitschaft. Hasard hatte die „Isabella“ gefechtsklar machen lassen. Er wollte auf jede Überraschung gefaßt sein.

      Der Hai war vom Kutscher und von Nils Larsen in Stücke zerlegt worden. Sie hatten das Fleisch unter Deck geschafft, und trotz der Einwände von Jean Ribault würde der Kutscher damit den Speisezettel anreichern. Haifisch schmeckte zwar etwas streng, war aber durchaus genießbar und überdies sehr nahrhaft.

      Carberry trat zu seinem Kapitän. „Was tut sich bei den Dons, Hasard?“

      „Bislang gar nichts.“

      „Ob die was ausbrüten? Den Hurensöhnen ist alles zuzutrauen.“

      „Ich glaube nicht, daß sie was ahnen.“

      „Verdammt, ich kann mir nicht vorstellen, daß unter sechsunddreißig Capitanos von sechsunddreißig spanischen Schatzschiffen nicht wenigstens einer ist, der beim Auftauchen einer fremden Karavelle Verdacht schöpft und wissen will, was los ist.“

      Die Dunkelheit nahm zu, aber der Profos konnte dennoch die weißen Zahnreihen des Seewolfs blitzen sehen, als dieser lächelte. „Hör zu, Ed. Nimm mal an, die ‚Cartagena‘ war von vornherein als Geleitschutz für den Konvoi eingeteilt und sollte nach dem Auslaufen des Konvois aus dem Hafen von Cartagena vom Golf von Darien aus zum Verband stoßen. Was würdest du als Generalkapitän wohl tun, wenn plötzlich am Nachmittag die wohlbekannte Karavelle an der Kimm auftaucht?“

      „Nichts“, gab der Profos zurück. „Ich würde annehmen, es ist alles in bester Ordnung. Ich würde den Dingen ihren Lauf lassen und keinen unmittelbaren Kontakt mit der Karavelle aufnehmen.“

      „Na also.“

      „Du meinst, es ist tatsächlich so?“

      „Ja. Die Spanier gehen davon aus, daß wir ihre Flanke sichern und Gefahr melden, wenn westlich des Konvois plötzlich Gegner auftauchen. Aber wir sind in aller Gemütsruhe Backbord achteraus mitgelaufen ohne näher an die Dons heranzustaffeln.“

      Carberry überlegte scharf, gelangte aber zu keinem Schluß. „Und jetzt? Was tun wir jetzt?“

      „Wir gehen näher an den Konvoi heran. Wir setzen ebenfalls unsere Positionslaternen und gesellen uns in aller Freundschaft zu ihnen. Bei Dunkelheit ist das ganz natürlich.“

      „Aye, aye, Sir.“ Der Profos schluckte, denn ganz wohl war ihm in seiner Haut nicht.

      Und so ging es auch den anderen Männern, als sie nun die Karavelle anluven ließen und näher an den Verband heransteuerten. Sie spielten mit dem Feuer – schlimmer als in Panama, wo sie die Reede von Galeonen freigeräumt hatten und Hasard und Jean Ribault sich in die Höhle des Löwen, den Gouverneurspalast, gewagt hatten. Nein, das hier war noch um einige Zoll üppiger! Was sie riskierten, konnte verflixt bald ins Auge gehen. Und dann, unter dem Beschuß von sechsunddreißig dikken, gut bestückten Galeonen, gab es keine Rettung mehr für sie. Dann wurden sie mitsamt ihrem unermeßlichen Schatz, mit Gold, Silber, Perlen und Schmuck auf den Grund der See und zu den Haifischen geschickt.

      Hasard überspielte die Bedenken, die auch er im stillen hegte, nach außen durch souveränes Verhalten. Im Grunde ging es ihm jedoch nicht anders an der Crew. Auch ihm war mulmig zumute, wenn er bis zur letzten Konsequenz an das dachte, was er sich in den Kopf gesetzt hatte. Schön, die Spanier hielten sie für einen Beschützer, und vielleicht kam es ihnen tatsächlich nicht in den Sinn, auch nur einen Augenblick daran zu zweifeln.

      Aber der Plan, ein größeres Schiff zu kapern – wie sollten sie ihn in die Wirklichkeit umsetzen? Er, Philip Hasard Killigrew, konnte sich doch nicht einfach frech und gottesfürchtig mit der Karavelle zwischen die Galeonen des Geleitzuges stehlen, sich die größte und schönste aussuchen und dann einfach entern! Nicht einmal unter dem schützenden Mantel der Dunkelheit war das möglich. Mit einem derartigen Unternehmen hätte er das Todesurteil für sich und seine Männer unterschrieben.

      Wie dann? Wie sollten sie es beginnen?

      Hasard gelangte zu dem Schluß, daß manche Entscheidungen eben erst im Laufe der Zeit gefällt werden konnten. Sie mußten allmählich heranreifen. Noch war es zu früh. Er mußte den Ereignissen ihren Lauf lassen – und abwarten. Vielleicht ergab sich bald etwas, ein Umstand, der ihr Vorhaben begünstigte. Das Leben auf See war voller Überraschungen. Man mußte nur die nötige Geduld aufbringen.

      Es wurde Nacht. Der Vollmond über der Karibischen See verschwand dann und wann hinter den Wolken. Hasard hatte Wachen eingeteilt und schickte das Gros seiner Männer nun für kurze Zeit aufs Ohr. Er wollte, daß sie frisch und munter waren, wenn es möglicherweise dick kam und jeder an Deck seinen Mann stehen mußte. Sonderlich erschöpft war die Crew nach dem ruhigen Törn des vergangenen Tages nicht, und so genügten ein paar Stunden Schlaf völlig.

      Hasard ließ auch Dan O’Flynn den Großmars räumen und schickte Jean Ribault hinauf. Jean hatte, seitdem der Seewolf ihn und die anderen ehemaligen Karibikpiraten in seine Mannschaft aufgenommen hatte, schon mehrfach bewiesen, daß er mit den scharfen Augen des Bürschchens durchaus konkurrieren konnte.

      Auf der Back schoben Smoky und Karl von Hutten Wache. Die Kuhl wurde von Sam Roskill und Bob Grey im Auge behalten, auf dem Achterkastell standen Nils Larsen als Rudergänger, Ferris Tucker, Ed Carberry und der Seewolf. Hasards uneingeschränkte Aufmerksamkeit galt dem, was die Spanier drüben auf den letzten Galeonen im Geleitzug unternahmen. Immer wieder spähte er durchs Spektiv, nahm die Bordlaternen der Schiffe ins Auge und versuchte, in deren Lichtkreisen etwas zu erkennen.

      Hin und wieder erkannte er ein paar Gestalten, die sich durch das Licht bewegten. Sie versahen die Nachtwache an Bord, benahmen sich eher gelangweilt und träge als konzentriert und sandten selten einen Blick zur „Cartagena“ herüber. Wie fette, unheimliche Tiere schoben sich die Galeonen durch die Nacht, mit beständigem Kurs nach Norden in Richtung Kuba und die Straße von Yucatan.

      Der Seewolf wurde wieder ruhiger. Seine kühnen Behauptungen fanden ihre Bestätigung. Solange er nicht am Großmast

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