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OPERATION LONDON (Outbreak 2). Luke Duffy
Читать онлайн.Название OPERATION LONDON (Outbreak 2)
Год выпуска 0
isbn 9783958353572
Автор произведения Luke Duffy
Жанр Языкознание
Серия Outbreak
Издательство Bookwire
Tina blieb an der nächsten Ecke stehen und beobachtete ein paar Sekunden lang den Bereich an der Vorderseite. Er war weitläufig, es gab einen Stellplatz mit mehreren Wagen, die vereinzelt hier und dort standen, und ein Blick nach links an der Fassade offenbarte, dass sie offenbar in einem Industriekomplex welcher Art auch immer gelandet waren. An der entgegengesetzten Seite der Parkfläche standen weitere Gebäude, die genauso aussahen wie das, an dessen Mauer sie sich gerade verbargen, und weiter vorn konnte man mehrere Unternehmenslogos erkennen.
Bei einem davon handelte es sich um ein Haushaltswarenlager, ein anderes war der Hauptsitz eines Herstellers von Büroartikeln. Es gab zwar noch mehr, doch da sich Tina nicht zum Einkaufen hier aufhielt, schenkte sie dem Ganzen keine weitere Beachtung. Sie mussten unbedingt ein Versteck finden, und eines fiel ihr besonders deutlich auf … von Infizierten fehlte hier jede Spur; das Areal war anscheinend komplett verlassen.
»Dort entlang«, flüsterte sie und wagte sich vorsichtig ins Freie.
»Ich muss mich ausruhen, Tina. Ich kriege keine Luft mehr.«
»Wir ruhen uns aus, wenn wir …«
Ein lautes Knirschen, das mit dem Ächzen von Metall einherging, ertönte aus der Ecke, die sie gerade erst umrundet hatten, und deutete darauf hin, dass der Zaun nun endgültig zusammengebrochen war. Durch das Getrappel der Untoten auf den kaputten Metall-Elementen und dem Beton sah sie sich in der Annahme bestätigt, dass sie auch weiterhin verfolgt wurden.
»Lauf, Chris, sie sind schon wieder im Anmarsch«, rief sie und sprintete an der Gebäudefront entlang zu einer Tür, die sie für den Haupteingang hielt.
Christopher rannte tatsächlich hinterher, ohne zurückzufallen. Nach etwa dreißig Metern zog sie ihn in eine Halle hinein, die in einen geräumigen Empfangsbereich führte. Nachdem er hineingestürzt und gegen einen schweren Tisch mitten im Raum gestoßen war, schlug sie die Tür zu und schob mehrere Riegel vor, um diese zusätzlich zu sichern. Anschließend trat sie zurück und kauerte sich im Schatten neben dem Eingang nieder. Sie bedeutete ihrem Bruder, das Gleiche zu tun, damit sie außer Sicht blieben.
Die aufgekratzten Infizierten torkelten auf ihrer Suche nach den beiden jetzt kreuz und quer über den Parkplatz. Einige schlichen zwischen den Fahrzeugen herum, schauten durch die Scheiben hinein und trommelten dagegen, während andere über das weite Gelände auf die anderen Gebäude zuliefen. Direkt vor dem Eingang, hinter dem Tina und Christopher Unterschlupf gefunden hatten, schob sich eine große Gruppe an der Mauer entlang, bis sie die Tür erreichten, deren dickes Glas sie aber am Betreten des düsteren Inneren hinderte.
Nur wenige Zentimeter rechts neben Tina drückten bereits Dutzende Untote ihre Gesichter gegen die Scheiben und starrten in die halbdunkle Rezeption hinein. Sie sah, wie sich die gruseligen Schatten unzähliger Köpfe und Schultern auf dem Teppich vor ihr langzogen, während sie sich vor dem Eingang scharten. Die Tür bebte ein wenig, als sie mit ihren fauligen Körpern dagegen liefen, um ein Lebenszeichen von ihrer Beute zu erhaschen, doch der Weg hinein war sicher von innen verschlossen.
Tina kniff ihre Augen fest zusammen und betete, dass sie nicht beim Betreten des Gebäudes beobachtet worden waren oder die Infizierten bald ihr Interesse verlieren und woanders nach ihnen suchen würden. Sie presste sich weiterhin an die Wand, während sie dem nervenzerfetzenden Fauchen der Ungeheuer lauschte, die unmittelbar vor dem Gebäude lauerten.
Christopher harrte direkt neben ihr aus. Seine Brust hob und senkte sich hektisch, begleitet von einem gequälten Keuchen. Tina wusste, sie würden nicht weit kommen, wenn sie entdeckt wurden. Ihr Bruder war auf keinen Fall in der Lage, die Flucht fortzusetzen. Er stand kurz vor dem Zusammenbruch und seine Knie zitterten bereits unkontrolliert. Jedes Mal, wenn draußen ein Raunen durch die Menge ging oder es an der Tür pochte, zuckte er unwillkürlich zusammen und schluchzte leise auf. Er war sowohl körperlich als auch emotional am Ende.
Es dauerte eine Viertelstunde, bis Tina wieder unbeschwert atmen konnte und den Mut aufbrachte, sich zu rühren. Vorsichtig kroch sie auf den Türrahmen zu und schaute durch das dicke Panzerglas. Dabei achtete sie allerdings darauf, nicht zu viel von ihrem Körper zu zeigen und weitgehend im Schatten zu bleiben.
Sie sah einen Haufen Untoter, die bei strahlendem Sonnenschein vor dem Gebäude patrouillierten.
Sie liefen nicht mehr hektisch herum oder kreischten aufgeregt. Vielmehr schlurften sie ziellos umher, rempelten einander an oder stießen gegen die Autos, die verstreut auf dem Platz vor den Lagerhallen standen.
Chris und sie saßen zwar fest, waren aber wenigstens vorerst sicher. Tina hoffte, dass es keine weiteren Eingänge ins Gebäude gab, die ihre Jäger nehmen konnten. Sie schaute ihren Bruder an, der mittlerweile am Boden zusammengesunken war. Er saß mit dem Rücken an der Wand gelehnt da, die Beine hatte er vor sich ausgestreckt, und sein Kopf ruhte mit dem Kinn auf der Brust. Ihr wurde schnell klar, dass er eingeschlafen war, als sie das kratzige Sägegeräusch hörte, das aus seinen verschleimten Nasenlöchern drang und sah, wie Speichel von seinen bebenden Lippen rann.
Nachdem sie ihn kurz beobachtet hatte, schüttelte sie den Kopf. Sie musste dringend die Räumlichkeiten durchkämmen und diese absichern, doch nun wurde ihr bewusst, dass sie dabei ganz allein sein würde. Mit ihrem Bruder war gerade nichts anzufangen und er könnte in seinem Zustand weder sich selbst noch ihr helfen. Darum beschloss sie, ihn einfach schlafen zu lassen.
Er wäre mir sowieso bloß hinderlich, dachte sie. Auf diese Weise stand er ihr wenigstens nicht im Weg herum, und sie wusste genau, wo er gerade war.
Indem sie weiter das helle Licht im Auge behielt, das durch die Türscheiben fiel und ein breites Rechteck auf den Boden warf, bewegte sie sich langsam an den Wänden des Raums entlang und versuchte, im Dunkeln zu bleiben. In der Mitte des großen Empfangstischs stand ein Computer mit Drucker, die beide bereits Staub angesetzt hatten, neben mehreren Aktenordnern und Büchern. Alles machte noch einen ordentlichen Eindruck, weil es auf der Arbeitsfläche gestapelt lag und nichts darauf hindeutete, dass an diesem Ort etwas vorgefallen war.
Tina sah ein, dass es ein zweckloses Unterfangen war, konnte es aber trotzdem nicht lassen, den Hörer des Telefons abzuheben und an ihr Ohr zu halten. Wie zu erwarten, war die Leitung tot, aber nachdem sie jahrelang mit einer harmlosen Zwangsstörung gelebt hatte, wusste sie, dass sie, wenn sie ihrem Drang nicht nachgegangen wäre, nicht eher Ruhe gefunden hätte, bis sie das Verlangen schließlich doch befriedigt hätte, und in dieser heiklen Situation durfte sie sich auf keinen Fall durch solche Belanglosigkeiten ablenken lassen.
Die Türen, die links und rechts in mehrere Büros führten, sahen nicht so aus, als seien sie gewaltsam geöffnet oder verrammelt worden. Das Interieur wirkte unberührt und ungenutzt. Dies deutete sie als positives Zeichen, weshalb ihr die neue Umgebung zusehends mehr behagte.
Als sie um den Tisch herumging, fiel ihr Blick auf etwas an der Wand … einen Haken mit einer Ausweishülle daran. Sie streckte sich nach oben aus, nahm sie herunter und hielt sie gegen die Sonne, die grell durch die Glastür schien. Auf dem Foto lächelte ihr eine junge, blonde Frau entgegen, deren Name schwarz gedruckt darunter stand.
»Michelle Potts«, las Tina laut und fuhr mit einem Daumen über das Bild. »Wo bist du jetzt wohl, Michelle?«
In der oberen rechten Ecke des Ausweises stand auch der Firmenname, und Tina riss fassungslos ihre Augen auf, als sie verstand, wo sie hier hingeraten waren – ins Versorgungsdepot einer Supermarktkette.
Während der vergangenen vier Monate hatte sie mit Christopher von der Hand in den Mund gelebt und geplündert, wo es nur ging. Sie waren auf einem kleinen Flussboot untergekommen und von einem Dorf zum nächsten gefahren, wobei sie die Kanäle und Seitenarme wie ein Netz aus Wassergräben durchquert hatten, den Anker ihres engen Zuhauses mit Abstand von den Ufern ausgeworfen und sich vom Festland ferngehalten hatten, wo es vor den Opfern der Epidemie nur so wimmelte. Fast jedes Geschäft und Lokal, das sie entdeckt hatten, war entweder schon geplündert worden, oder voll mit Infizierten, weshalb sie sich unmöglich hatten nähern können. Die Ausbeute war deshalb stets kärglich gewesen. Sich nun zufällig im Lager eines bekannten Supermarktes wiederzufinden, das bisher vollkommen unangetastet