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sich nun erst verbreitete und der schon 1826 von Engelhardt und dem Hüttendirektor Mamyscheff geäußerten Vermutung Glanz verlieh. Man horchte auf und erwartete nun umso mehr von der Reise. Man überschüttete Humboldt mit Aufmerksamkeiten. Der Thronfolger musste ihm ein Diner geben, »damit er sich einst dessen erinnere«. Man befahl dem jungen Prinzen, um ein Bild zu bitten, das Sackollof malen sollte. Im Generalstab überreichte ihm Czernitscheff »eine Sammlung aller dort gestochenen Karten«. Jeder Departementschef bot ihm seine Dienste an. Institute und Sammlungen fand er wie Ehrenberg und Rose »unendlich prächtig«, Cancrin »geistreich und lebendig«. Die neuen Wagen seien sehr gut; jeder koste 1200 Taler nach preußischem Geld.79

      Zar Nikolaus I.

      Cancrin fragte Humboldt wegen verschiedener bergmännischer Verwaltungsprobleme um Rat und wies ihn jetzt – frei von der Scheu solcher Mitteilungen in Briefen – selbst auf Missstände hin. So machte er sich z.B. Sorgen wegen des starken Holzverbrauchs im Ural, dessen Wälder schwanden.80 In der Nähe der Grubenbezirke waren große Stämme bereits selten.81 Sollte man – da die Kohlenbasis fehlte – das Aufstellen weiterer Dampfmaschinen verzögern?

      Humboldt war mit dem bis jetzt Erreichten zufrieden; »von großem Naturgenuß« könne »in so einförmigen Ländern, wo wahrscheinlich die Kiefern-Natur sich bis Asien hinzieht, und die Neugier nur durch heidnische Formen (Baschkiren und schmutzige Kasachen) befriedigt wird, nicht die Rede sein«. Dazu gehe »mancher anderer Genuß durch die Hospitalität selbst, durch den Andrang der Neugierigen, die ewige Nothwendigkeit der Repräsentation, verloren«.82 Er wäre gern von Jaroslawl nach Kasan gegangen, um Moskau erst auf der Rückreise zu besuchen; doch das erlaubten die Wege leider nicht. Weiter gab er dem Bruder eine Reiseroute bekannt, um diesem die Verfolgung der Wege auf der Karte zu ermöglichen. Die Fahrt sollte nach Moskau – Kasan – Perm – Jekaterinburg – zum nördlichen Ural – Tobolsk – zurück nach Jekaterinburg – Tobolsk – Omsk – zurück zum südlichen Ural – Slatoust – Orenburg – Ufa und nach Moskau zurückführen. Am 5. Oktober 1829 wollte er wieder in Petersburg sein. Damit hatte Cancrin seinen Plan, in Petersburg eine Route festzulegen, erreicht.83

      Die Wagen, die besonders gebaut wurden, waren gefedert, und da sich die Expedition zahlenmäßig um den Oberhüttenverwalter v. Menschenin84 und einen Koch, da es jenseits Moskaus keine Gasthäuser mehr gab, vermehrte,85 wurden drei Fahrzeuge mit 16 Pferden benötigt. Statt des Feldjägers wählte Humboldt einen Kronpostkurier, da sich diese Dienste seit Riga sehr bewährt hatten. Seine persönliche Bedienung besorgte Johann Seifert, ein gedienter Soldat, der Humboldt treu zur Seite stand. Seine Frau erwartete die Geburt eines Kindes. Humboldt war rührend besorgt, das Ereignis für Seifert von seinem Bruder zu erfahren.86 Er sollte Seifert bis zu seinem Tode nicht mehr entbehren.

      Rose und Ehrenberg ruhten indessen nicht. Sie mischten sich unter die Menschenmenge, welche die letzten Tage der Osterwoche feierte, beschrieben die Russen »mit ihren Bärten, blauen langen Überröcken und Pelzmützen«, bewunderten die zahlreichen Paläste und die Aussicht aus der Botschafter-Wohnung auf die Newa. In den vorzüglichen Mineraliensammlungen studierte Rose vor allem die Stücke, die für die Reise von Wert sein konnten. In der großen Kollektion des Bergcorps, das von Cancrin geleitet wurde, sah er Gold und Platingeschiebe des Ural und Modelle der auf russischen Hütten üblichen Maschinen, Nachbildungen von Gruben, einer Goldwäsche, der Eisensteinfischerei von Petrosawodsk am Onegasee; »ja in den Kellern des Bergcorps ist ein förmliches Bergwerk angelegt mit Schächten, Strecken und Oertern, wodurch die Eleven … einen vollkommenen Begriff des Grubenbaues und der Grubenzimmerung erhalten können. Man befährt diese künstliche Grube mit Lampen, wie die natürlichen, aber freilich mit größerer Bequemlichkeit, und ohne wie bei diesen von den Grubenwässern zu leiden.«87

      Die Mineraliensammlung der Akademie der Wissenschaften war nicht so umfangreich. Die Schaukästen waren zwar gut aufgestellt, doch ließ sich der Saal nicht heizen. Der Direktor, Prof. Kupffer, war ein Brieffreund Humboldts. Außerdem lernten Rose und teilweise auch Alexander noch die Kollektionen der Petersburger mineralogischen Gesellschaft kennen und besuchten die Privatsammlungen des Kollegien-Assessors und Apothekers im Bergcorps Kämmerer, der Rose eine Menge seltener, sibirischer Mineralien zeigte, des Staatsrats Dr. Rauch, des Vizepräsidenten Peroffski, des Juweliers Seguin und des Herrn Kramer; ebenso die lokalen Sammlungen des Grafen Alexander Stroganoff, der Berghauptleute Kowanko, Fullon und Hedenström.88

      Der Minister des kaiserlichen Hauses, Fürst Wolchonski, zeigte den Reisenden den Reichtum der geschliffenen und verarbeiteten Edelsteine, vorzüglich der Diamanten.89 Rose studierte die Platinreinigung und Goldscheidung, die der Oberst beim Berg- und Ingenieurkorps v. Sobowsky »einfach und praktisch« eingerichtet hatte.

      AUF DER KAISERSTRASSE VON ST.

      PETERSBURG NACH MOSKAU

       Wasserscheide Ostsee – Kaspi-See

      Die Reisenden konnten endlich am Morgen des 20. Mai 1829 Petersburg verlassen, nachdem sie noch am Vortage zugesehen hatten, wie eine der Granitsäulen der Isaak-Kirche, »60 Fuß und von einem Stück«, aufgerichtet worden war.90 Die Pferde zogen die Wagen im Galopp auf der meist schnurgeraden Kaiserstraße nach Moskau,91 die doppelt so breit war wie die preußischen Kunststraßen. Bei geringerer Breite hätte man ein weit längeres Straßennetz ausbauen können, doch folgte man dem russischen Brauch, meist im Galopp und mit vier nebeneinander gespannten Pferden zu fahren. Die äußeren Pferde strebten nach außen und konnten entgegenkommende Wagen nur bei entsprechender Straßenbreite passieren. Die Stationen besaßen »vortrefflich eingerichtete Posthaltereien«, die hin und wieder sogar »besonders luxuriös« waren.92 Sie verließen die Kaiserstraße und bogen rechts nach Zarskoje Selo ab, um das Lustschloss des Zaren zu besichtigen, das an Versailles erinnerte. Bei Ischoro erreichten sie die erste Poststation und schwenkten wieder auf die Kaiserstraße ein. Der Anbau wich einem sumpfigen Wald. Am 21. Mai 1829 erreichten sie um 7 Uhr morgens die alte Hansestadt Nowgorod, sie blieben nur einige Stunden. Nachts fuhren sie in das Städtchen Waldai ein, auf den gleichnamigen Höhen – der Wasserscheide für die Flüsse der Ostsee und des Kaspischen Meeres. Sie verbrachten den Rest der Nacht in der Poststation, die eine Stunde vom Städtchen entfernt lag, fuhren am Vormittag nach den Höhen zurück und führten eingehende barometrische Messungen aus, die aber leider nicht mit entsprechenden Beobachtungen in Petersburg und Moskau korrespondierten.93

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